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War Thunder - Fliegerromantik und Panzer-Porn unter demselben Dach

Bericht eines Rückfälligen.

Ich weiß, von einem PC-Spieler kommt das sicher komisch, aber War Thunder spiele ich ausnahmsweise lieber auf der PlayStation 4. Hier war die Steuerung von Tag eins perfekt so eingestellt, wie ich sie mir vorstellte, während Mausspieler am PC deutliche Vorteile haben. Mit der Maus zu spielen, das sehe ich bei einem solchen Spiel allerdings allein aus Immersionsgründen nicht ein. Und so ist War Thunder interessanterweise der einzige Titel, der seit Launch mehr oder weniger ununterbrochen auf der knapp bemessenen Festplatte der PlayStation 4 liegt. Nicht allein, weil ich auf der Sony-Konsole insgesamt gut 30 Euro in bessere Flugzeuge gesteckt, sondern weil ich immer mal wieder reingeschaut habe.

Allerdings hatte ich mich lange nicht so richtig an die Panzer getraut. Vordergründig wohl aus philosophischen Gründen, denn wo ich als Pilot in erster Linie wegen der Dogfight-Poesie und des Fluggefühls an sich dabei bin, wegen der unnachahmlich realistischen Wolken und der ausufernden Panoramen, gibt es als Teil der Ground Forces keine Augenwischerei: Das hier ist Krieg. Jede Romantik verabschiedet sich, wenn man in zwölf Tonnen ratterndem Stahl mit Projektilen um sich schießt, die problemlos zwei Wohnhäuser in Reihe durchschlagen können.

Ok, vielleicht ein bisschen zu schnell runtergekommen. Zum Glück ist im Arcade-Modus nach ein paar Sekunden Wartezeit das Fahrwerk wieder dran.

Mittlerweile bin ich aber ganz gut reingekommen. Eigentlich ist das sogar noch untertrieben. Die im Arcade-Modus - für den der PS4-Controller am besten geeignet ist - überraschend leichtfüßig über die Schlachtfelder schrubbernden Metallkolosse zu steuern, macht eine Menge Spaß. Im Simulationsmodus hat's sich dann mit den kleinen Sprüngen der leichten Panzer über Hügelkuppen, denn hier sind die Gefährte etwas schwergängiger und näher dran an dem, was man aus World of Tanks kennt. Welchen Modus man auch bevorzugt, insgesamt zieht War Thunder auch zu Boden viel Spaß aus einem, wenn schon nicht überall realistischen, dann zumindest nachvollziehbar authentischen und auf Physik basierenden Fahrzeugverhalten.

Im direkten Kontrast zu den Flugzeugen gefällt der Panzerkampf durch eine strategisch komplett andere Ausrichtung. Es ist von zentraler Bedeutung, welche Seite ihr in Richtung der Schlacht wendet, denn die Gefährte sind in der Regel vorne am stärksten gepanzert. Zudem sind sie ungemein schwerfällig und jede Drehung will wohlüberlegt sein. Der Geschützturm braucht eine ganze Weile, um auf Hinterhalte zu reagieren, und obwohl einem die dynamische Zielhilfe bereitwillig sagt, ob sich ein Schuss auf das Ziel lohnt - grünes, gelbes und rotes Fadenkreuz signalisieren, ob die Panzerung mit der aktuellen Waffe durchschlagen werden kann -, fühlt sich das hier nie wie eine Fire-and-forget-Schießerei an. Wie gesagt: Nicht wer am besten zielt, gewinnt. Positionierung und Ausrichtung spielen neben der Fahrzeugkontrolle eine gleichwertig wichtige Rolle.

Das Ding kam wenige Sekunden zuvor noch auf mich zugestürzt.

Und sonst? Zwei neue Schlachtfelder, die zuletzt im Update 1.55 dazukamen - El Alamein und Tunesien -, weisen die gewohnte asymmetrische Qualität auf. Mit sandigem Nordafrika-Flair bieten sie eine ungewohnte Abwechslung zu den ansonsten überwiegend saftig-grünen europäischen Schlachtfeldern. Dass Flugzeuge nun auch wassern dürfen, ist zwar ein "Vergnügen", das mir noch bevorsteht, aber eine nette Ergänzung. Schade ist in erster Linie, dass Panzer und Flieger nicht komplett zusammenfinden und das wohl auch so bleibt. Klar, auf den verkleinerten Panzerschlachtfeldern dürfen die Spieler ab und an in Bomber und Jäger steigen, um den Kettenmonstern aus der Luft einzuheizen. Aber der Gedanke, die riesigen Luftschlachten des Flugzeugmodus aus Sicht eines der Bodenfahrzeuge zu erleben, der bleibt eben das: ein Gedanke. Ich habe keine Ahnung, ob das gut funktionieren würde, immerhin sind die Flugzeug-Maps so weitläufig, dass man als Panzerfahrer wohl eher selten etwas zu tun bekäme, aber so hatte ich es mir immer vorgestellt.

Sei's drum, insgesamt macht War Thunder weiterhin das meiste richtig. Mir persönlich gefällt vor allem, dass sowohl Flugzeuge als auch Panzer im selben Client untergebracht sind und man aus dem Hauptmenü einfach nach einer Boden- oder einer Luftschlacht sucht, anstatt gleich ein ganz anderes Spiel zu starten. Das macht es besonders schwer, das Spiel zur Seite zu legen, denn sobald man eine Variante über hat, wartet noch die jeweils andere, mit komplett verschiedenem Tempo und Spielgefühl. Ein unauffälliger, aber wenn man drüber nachdenkt, nicht weniger beeindruckender Kniff, der immer wieder für Sessions sorgt, die länger dauern, als man eigentlich wollte.

Fragt nicht.

Was die Mikrotransaktionen und den nicht wegzuleugnenden Grind angeht, den man sich natürlich komplett sparen kann, wenn das Geld für die teilweise gar nicht so "mikro" Transaktionen locker sitzt: Ich finde das Modell weiterhin fair. Für jeden Spieler, der viel Geld in bessere Panzer und Flieger gesteckt hat, gibt es drei, die genau so schlecht dran sind wie man selbst. Das Matchmaking macht einen guten Job dabei, die Teams so zusammenzustellen, dass keine Seite in Sachen Technologie einen klaren Vorteil hat. Tatsächlich sind Leute, die sich in die hohen Fahrzeugklassen kurzerhand eingekauft haben, wohl sogar schlechter dran. Denn jemand, der sich einen Leopard selbst verdient hat, weiß ihn aller Wahrscheinlichkeit nach auch zu beherrschen. Für die Knauserer unter uns gilt: Mit der Zeit lernt man, mit wem man sich anlegt und wem man aus dem Weg geht.

Also: Mal nachgerechnet... Über zwei Jahre lang blockiert War Thunder jetzt schon durchgehend kostbare Gigabyte auf der Platte meiner PS4 und irgendwie sehe ich den Tag noch nicht, an dem es einem anderen Titel weichen muss. Auch wenn ich immer mal wieder streckenweise pausiere und mich um gewisse Aspekte wie den realistischen Modus herumdrücke, komme ich doch wieder, denn auf dieses Spiel ist einfach Verlass. Schade, dass Panzer und Flugzeuge nicht in vollem Umfang zueinander finden. Doch auch so ist es schon ein glorreiches Vergnügen, mit einem Flakpanzer eine Stuka aus der Luft zu holen, deren Wrackteile mit reichlich Getöse und Flammen physikalisch korrekt vor einem niedergehen. In Sachen Free-to-play bleibt War Thunder eins von den Guten.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
In diesem artikel

War Thunder

PS4, Xbox One, PC

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