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Leap Motion: Die PC-Bewegungssteuerung im Miniformat

Ein bisschen wie der Power Glove - nur, dass es funktioniert.

Der Wunsch, Games mit Gesten zu steuern, hält sich hartnäckig: von legendär schlecht funktionierenden Produkten wie Mattels Power Glove über das nach wie vor nicht nur in Altersheimen gespielte Wii Bowling bis zu Microsofts gescheitertem Versuch, Kinect als festen Bestandteil der Xbox One zu verkaufen. Mit Leap Motion gibt es nun schon seit einiger Zeit ein Eingabegerät für PC und Mac, das Handgesten erstaunlich gut erkennt und auf den Bildschirm überträgt. Als die ersten Geräte auf den Markt kamen, gab es nicht gerade viel verfügbare Software. Inzwischen ist der zum Gerät gehörende App-Store aber gewachsen - den größten Teil machen dabei die über 140 Spiele aus.

Die kleine, per USB angeschlossene Box erfasst mit 200Hz-Infrarot-Kameras einen relativ großen Bereich.
Playground.

Leap Motion kommt als kleines, schwarzes Kästchen daher, kostet knapp 90 Euro und ist etwa so groß wie drei Zigaretten nebeneinander. Es wird einfach per USB angeschlossen auf den Tisch gelegt, mit einer oder beiden Händen werden dann darüber Gesten erkannt - das funktioniert mit einer Kombination aus kleinen Kameras und Infrarot-LEDs. Nach der Installation von Leap Motion wird der Nutzer zunächst mit einem kleinen Einführungsprogramm namens Playground begrüßt. Dabei wird deutlich: Die Gestenerkennung funktioniert erstaunlich genau. Ihr könnt eure Hände drehen und wenden, Leap Motion erkennt tatsächlich jeden Finger einzeln und bildet die Bewegung der Hand sehr exakt auf dem Monitor ab. Das erlaubt es beispielsweise, virtuelle Würfel aufzuheben und sie an der gewünschten Stelle wieder abzulegen - es lässt aber auch noch filigranere Handlungen zu. Im Rahmen des Begrüßungsprogramms dürft ihr beispielsweise eine Blume in die eine Hand nehmen und mit der anderen ihre Blütenblätter ausreißen - sie liebt mich, sie liebt mich nicht... Zeit, herauszufinden, wie sich das Gerät in Spielen macht, und diese findet ihr im Leap-Motion-eigenen App-Store

Escape Velocity.

Da wäre etwa Escape Velocity - ein Action-Titel im Arcade-Stil. Ihr fliegt ein kleines Raumschiff, das durch drei verschiedene Umgebungen rasen, Hindernissen ausweichen und Gegner beschießen muss. Das wäre an sich ziemlich unspektakulär, es gewinnt aber tatsächlich sehr durch die Leap-Motion-Steuerung. Das Raumschiff gibt automatisch Gas, folgt aber ansonsten sehr genau der Handbewegung. Je nach Hindernis müsst ihr euch von der Horizontale in die Vertikale oder eine Schräglage drehen. Während das Spiel immer schneller wird, gilt es vor allem, die Ruhe zu bewahren - hektische Bewegungen führen unweigerlich dazu, dass das Raumschiff gegen die Wand knallt. Interessant ist zudem, wie die Bordkanone gesteuert wird: Mit gespreizten Fingern bleibt sie kalt; nehmt ihr die Finger zusammen, feuert sie aus vollen Rohren. Das geht schon schnell erstaunlich intuitiv von der Hand. Am Ende gibt es einen Highscore und einen Platz in der internationalen Rangliste.

Q.

Ebenfalls sehr arcade-lastig präsentiert sich Q. Aus der Ego-Perspektive fliegt ihr durch einen abstrakten Raum voller Fragmente von Rubik-Würfeln, die ihr dann durch ein Wackeln der Hand vom Bildschirm blasen dürft. Besonderen Spaß macht es, den Schuss aufzuladen - das geht, indem ihr die Hand zur Faust ballt. Öffnet ihr sie wieder, entlädt sich der Schuss und richtet besonders viel Schaden an. Untermalt von wummernden Bässen geht es auch hier einzig und allein um den Highscore - was aber erstaunlich unterhaltsam ist, insbesondere im Wettstreit mit anderen. Hinzu kommt: Das Spiel ist umsonst.

Kyoto.

Auch umsonst: Kyoto. Dabei handelt es sich um eines der obligatorischen Kunstspiele, die es für ein Eingabegerät wie Leap Motion zwangsweise geben muss. Es findet lediglich in einem einzigen Bildschirm statt, der einen Baum auf einer kleinen Insel enthält. Vom Himmel fallen leuchtende Kügelchen und alles, was der Spieler tun muss, ist herauszufinden, was er tun soll. Kyoto gehört zu jener Sorte Spiel, die sich fragen lassen muss, ob sie überhaupt ein Spiel ist. Ob es das ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Zumindest entspannend ist es aber: Es macht durchaus gelassene Freude, ein wenig im virtuellen Wasser herumzuplanschen, mit den Fingern durch den Baum zu fahren und die Sterne vom Himmel zu holen - ein bisschen wie das Herumschneiden an einem virtuellen Bonsai-Bäumchen. Nach rund zehn Minuten ist die Freude dann allerdings auch vorbei.

Blue Estate.

Mit Blue Estate ist für den Leap-Motion-Controller auch die Umsetzung eines eher mittelmäßigen Rail-Shooters in den App-Store gekommen, der ursprünglich für PlayStation 4 erschienen war. Über die Qualität der Erzählung und des Charakterdesigns lässt sich streiten - beides hat sich mit dieser Version nicht verändert. Tatsächlich funktioniert aber die Leap-Motion-Steuerung hervorragend. Ich kam mir schon recht kindisch vor, als ich mit meiner Hand eine Pistole formte und so einen Gegner nach den anderen abknallte - aber ich hatte meinen Spaß. Nachdem das Spiel doch ein paar mehr Elemente enthält als Moorhuhn, wurde es bei Blue Estate doch notwendig, eine etwas größere Zahl von Gesten zu integrieren - beispielsweise um die Waffe nachzuladen, aber auch um Bonusgegenstände einzusammeln und sich in eine Deckung und wieder aus ihr heraus zu bewegen. Auch diese Gesten gehen verhältnismäßig schnell in Fleisch und Blut über. Am Weiterspielen hat mich irgendwann weniger die Steuerung gehindert als vielmehr die Tatsache, dass mein Arm schwer wurde.

Cueb.

Das Spektrum an verschiedenen Genres ist im Leap-Motion-Store relativ vielfältig. So gibt es mit Cueb auch eine futuristisch aussehende Art Billard im dreidimensionalen Raum. Nicht in vier, sondern in acht Löcher müsst ihr per Handgeste die Kugeln befördern, wahlweise gegen einen menschlichen Spieler oder gegen eine künstliche Intelligenz und in verschiedenen Spielmodi. Daneben gibt es Puzzlespiele, Adventures, einen Kicker-Simulator und jede Menge Casual-Spielchen, die auch in der Spätphase der Wii hätten erscheinen können. Der Großteil davon ist entweder umsonst oder kostet irgendwas zwischen drei und zehn Euro. Vielversprechend ist die Tatsache, dass sich der Leap-Motion-Controller mit der VR-Brille Oculus Rift verbinden lässt. Er wird mit einer speziellen Vorrichtung an der Vorderseite der Brille angebracht und nimmt auch von dort aus die Handbewegungen des jeweiligen Brillenträgers wahr. Im Moment gibt es für diese Anwendung eine Handvoll experimenteller Spiele, die mit dem Development-Kit 2 der Oculus Rift funktionieren - ob sich das Prinzip in der Zukunft durchsetzen wird, bleibt freilich abzuwarten.

GameWave lässt euch alle Maus- und Key-Kommandos auf Gesten legen.

Der Leap-Motion-Controller hat seit seinem Erscheinen nicht unbedingt gehalten, was sich die Entwickler zu Beginn davon versprochen haben. Er taugt nicht dazu, die Maussteuerung eines PCs zu ersetzen. Dazu ist es einfach zu unbequem, ihn über einen längeren Zeitraum zu benutzen. Zudem funktioniert er zwar genau - die menschliche Hand aber nicht. Zur Standard-Eingabemethode für den PC würden den Controller daher wohl nur Yogis, geübte Sportschützen oder professionelle Dartspieler benutzen, nicht jedoch Otto-Normalverbraucher. Die Versuche, den Controller so einzusetzen, existieren trotzdem. Mit GameWave gibt es ein Programm, das es erlaubt, jede beliebige Taste, jede Mausbewegung, einfach alles, mit einer bestimmten Geste zu verknüpfen. Das Programm ist gemacht, um Leap Motion für Spiele generell anwendbar zu machen. In der Theorie funktioniert das auch - in der Praxis ist das Programm aber arg umständlich zu konfigurieren und am Ende sind Maus, Tastatur und Controller schlichtweg bequemer.

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Allerdings eignet sich Leap Motion schon jetzt für kleine Arcade-Titel. Bei Spielen wie Escape Velocity ist schon nach dem fünften bis sechsten Spiel ein deutlicher Lernerfolg feststellbar. Während mein Raumschiff am Anfang gegen jedes denkbare Hindernis krachte, gehöre ich inzwischen durchaus zum oberen Fünftel der internationalen Highscore-Liste. Leap Motion wird Eingabegeräte wie Maus oder Konsolen-Controller nicht ersetzen, bietet aber doch Perspektiven für neue Spielideen und Projekte.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

Über den Autor
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Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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