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D/Generation HD - Test

In '92 kein Top-10-Material. In 2016...

Ein fast vergessenes, spielerisch nicht sonderlich brillantes, technisch unterirdisches Relikt. Aber nicht ohne einen eigenwilligen Charme.

D/Generation... Da war mal was... Eine Macht, die ich lange nicht mehr... Die nie sonderlich mächtig war... Richtig! 1992! Nah, das kann es nicht sein. Ein fast 25 Jahre altes PC-Spiel auf der Xbox One im Jahr 2016? Das muss was anderes sein. Vor allem, wenn man stolze 25 Euro dafür haben möchte. Zeig doch mal ein paar Screenshots... Alter, ich glaub, Affen fliegen mir aus dem Arsch!

Und so wie dieser Spruch ins Jahr 1992 gehört, gehört da auch D/Generation hin. Wir haben es hier mit einem der wohl seltsamsten HD-Remakes aller Zeiten zu tun. Das Spiel war nie ein immerhin im Nachhinein zum Kult geadeltes Flashback, sicher nie ein Monkey Island, es dürfte keine Top-Liste 1992 angeführt haben und es nur in die wenigsten Top 10s dieses Jahres geschafft haben. Um mal ein wenig aus der Zeit zu zitieren und wie man es damals einschätzte:

Power Play 7/92: „Im Prinzip wurde eine perfektionierte Handlung von Mission Elevator in die 3D-Perspektive von Cadaver eingebaut. Eine geniale Kombination. Es macht einen Höllenspaß, durch die leicht futuristisch angehauchte 3-D-Welt der Firma Genoq zu düsen, das der Kuriere vor immer neue Aufgaben gestellt wird. 78 Punkte von 100 (Sound nur 21...)." - Ja, so ungefähr habe ich das auch im Hinterkopf, zumindest die paar Erinnerungsfetzen, die da noch zu D/Generation existieren. Was hat denn die ASM 6/92, mein Goto-Blatt zu der Zeit, zu sagen: „Bleibt zu sagen, dass D/Generation ein nettes Spielchen für Zwischendurch ist, ohne besondere Höhen und Tiefen. Spaß macht's allemal. 8 von 12 Punkten Gesamtnote (Sound 7 von 12)" - Hm, macht allemal Spaß, kann man schnell wieder vergessen, ich bin verwirrt. War bei der ASM nicht so selten. Bleibt noch Play Time 10/92, ein Magazin von dem ich bewusst zum ersten Mal heute höre: „Musik gibt es auch nur im Intro. 43 von 100 Punkte (Sound 30 Punkte)." - Sorry, das ist der einzige Satz, der nicht einfach nur ganz nüchtern den Spielablauf beschreibt. Anscheinend blieb Play Time in der Argumentation eher vage.

Ja, es sieht nicht gerade nach 2016 aus, aber das Update lässt sich nicht leugnen. Hier der erste Raum 2016...

Genug Flashback, ich kann mir mittlerweile sicher sein, dass ich gerade für 25 Euro ein praktisch vergessenes Spiel von 1992 gekauft haben. Gut, dass gog.com bisher keiner verraten hat, dass sie den Preis für altes Zeug scheinbar ruhig etwas höher ansetzen können. Aber, nur falls euch diese Auszüge da oben etwas zu vage waren, weil komplett aus dem Kontext gerissen: Lasst mich kurz erzählen, was ihr hier für geradezu verbrecherische 25 Euro - nein, ich komm nicht drüber weg - kauft.

Ihr spielt einen Jetpack-Kurier in der Zukunft, weil die 80er gerade erst vorbei waren und man Jetpacks 1992 noch für eine prinzipiell valide Idee hielt. Der landet auf einem Hochhaus, aber es ist keiner da, um eine total wichtige Sendung anzunehmen. Also macht sich unser namenloser Kurier auf den Weg in das Hochhaus, um zu gucken, was los ist. Die Geschichte ist insoweit ein Highlight, als dass sie wie die Notizen eines fünfjährigen Blade-Runner-Fanboys wirken. „Da ist der Kurier, und der muss Genzeug hinbringen, aber da ist keiner, nur Genmonster, und die, die fressen jetzt alle, aber der Kurier hat eine Laserpistole...". Danach riss ein wesentlich älterer Hardcore-Cyberpunk-Fanboy das Script an sich und begann vor allem die Lokalitäten und Details mit jeder Menge Einsprengseln eines echten Hintergrundes zu füllen. Das Gesamtergebnis ist... etwas konfus. Aber nicht ohne Reiz, das muss ich auch zugeben. Man hat ein Puzzle vor sich, bei dem man nicht genau weiß, was die Lösung sein soll und ob es überhaupt eine gibt. Das ändert sich bis zum banal ausfallende Schluss auch nicht wirklich und so blieb ich etwas ratlos zurück. Infantil platt oder versteckt genial? Ich würde sagen: alles dazwischen und das gleichzeitig.

...und hier 1996.

Spielerisch kann man es ein Ein-Screen-Puzzle mit hohem Fingerfertigkeitsanteil nennen. Das Gebäude wird von vier Arten Monstern heimgesucht, der A- bis D-Generation - womit ihr jetzt auch ahnt, woher der Name kommt. A und B sind hüpfende Bälle und selbst wenn sie bei Berührung sofort töten, nehme ich doch an, dass die Wissenschaftler im Biowaffenlabor sie als eine Art Witz entwarfen, der dann ein wenig aus dem Ruder lief. C ist das schon weit interessanter, da sie sich beliebig in nett aussehende Überlebende verwandeln können, euch auf kurze Distanz dann aber köpfen. Ein paar Monster bevölkern einen Screen, dazu kommen ein paar Fallen und Schalter, ihr öffnet Türen und Wege und arbeitet euch so an den Hindernissen vorbei, in der Hoffnung zu stoppen, was auch immer los ist.

Das Spieldesign ist dabei extrem 1992. Damit meine ich nicht, dass es sich per se schlecht steuern würde. Das tut es auch, aber nicht so schlimm, dass es den Spaß rauben würde, und ich konnte mich halbwegs zügig daran gewöhnen. Die Kollisionsabfrage ist mäßig, aber das mit Konsistenz, also gewöhnt man sich auch daran. Es gibt viele Überlebende, die in der Ecke kauern und die ihr aus dem dann hoffentlich monsterfreien Raum herausgeführt werden können. Die KI ist dabei ein echtes Hindernis, da immer mal wieder ein Überlebender an irgendwas hängenbleibt. Da muss man dann halt drumherum arbeiten, das lernt man. Es war einfach so, dass Spiele in diesen Punkten damals oft noch nicht so geschliffen waren, und viele waren 1992 schlimmer als D/Generation.

Auf der Xbox One sind die Anzeigen links und rechts nur halb zu sehen, was sich auch im Spiel nicht justieren lässt.

Was ich meine, ist die an einigen Punkten offen zur Schau getragene Verachtung für den Spieler. Es gibt genug Räume, in denen ein dumm abgeprallter Schuss reicht, um euch einzusperren und euch neu laden zu lassen, weil es innen einfach keinen Schalter gibt. Ihr könnt auch das wichtigste Objekt des Spiels leicht und gleich im ersten Level übersehen: den Laser. Er liegt halb unsichtbar hinter einer Topfpflanze. Ohne ihn kommt ihr nicht weit. Noch dramatischer ist, es gibt eine legendäre Stelle - nun, zumindest legendär auf D/Generation-Niveau, was nicht sonderlich legendär ist -, an der ihr genau das Terminal zerballern könnt, in das ihr ein Passwort eingeben MÜSST, um weiterzukommen. Schießt ihr zufällig auf das Terminal, dann habt ihr hoffentlich einen Spielstand, der weit zurückreicht, denn sonst findet ihr euch vielleicht ganz am Anfang des Spiels wieder. Einfach nur, weil ihr etwas getan habt, von dem ihr in der Sekunde nicht mal wusstet, dass es eigentlich verboten war. Und das ist kein Bug. Das ist Spieldesign. 1992-Style. Warum noch mal schwenken manche Leute die Flagge für die „gute, alte Zeit"? Spiele hassten uns damals!

Retten oder ins Unglück stürzen? Das bleibt euch bei jedem Überlebenden neu überlassen. Nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde.

Nun, ja, das auch. Aber manchmal waren sie auch wirklich interessant. Ihr findet viele Überlebende, die ihr retten könnt. Das Spiel gibt euch das nicht wirklich vor. Ihr solltet zuerst mit ihnen sprechen, um Hinweise zu bekommen, aber ob ihr sie danach in ihr Unglück rennen lasst oder sie sicher zur Tür des Raumes eskortiert, bleibt euch überlassen. Entscheidungen ohne Konsequenzen gibt es heute nicht mehr, nur beides oder keines. Das hat sicher seinen Grund, aber andererseits gibt es euch die Möglichkeit, den persönlichkeitslosen Kurier auf eine eigene Art mit Leben zu füllen, dem eines Samariters oder eines totalen Egoisten. Selbst das Unvergebende des Designs kann seinen Charme haben. Ich sage zwar immer „Wer Realismus will, soll ins Finanzamt gehen", aber die Idee, dass es eben „realistisch" sei, schnell und endgültig bei so eine schwierige Aufgabe zu scheitern, ist... Nun, irgendwie interessant. Ich will das heute in fast keinem Spiel mehr auf diese Art haben, aber ich kann auch ihm hier einen archaischen Reiz nicht absprechen.

Grafisch ist es ein HD-Remaster, das gebe ich gerne zu. Es wurde technisch von 1992er-Niveau auf den Stand von 1999 angehoben. Das würde auch erklären, dass die Xbox-One-Umsetzung schwierig war. Während auf der im letzten Oktober erschienenen PC-Version der Bildausschnitt passt, um die Statusanzeigen links und rechts zu sehen, ist er auf der Xbox zu groß gewählt und es gibt keine Screen-Anpassung im Spiel. Die Grafik sonst ist nicht heute und nicht gestern. Es fehlt eine Option, um das Original zu sehen, wie es damals aussah, und auch so zu spielen. Das, was da ist, ist so weit selbst von modernen Indies weg, dass es ein wenig peinlich ist. Gut, dass Stil und Farben noch einen Rest Würde retten. Die neue Musik wirkt noch billiger als das Wenige, was damals dabei war, und dazu noch deplatziert. Wenn ihr auch nur einen Hauch von Technikfetisch in euch habt, dann haltet zu diesem hier ganz viel Abstand. Aber es stürzte mir nie ab, immerhin.

Die Rendersequenzen erinnern heute noch wunderbar an frühe Computerkunst. Damals dauerte es Tage ein einzelnes Bild zu rendern.

Es ist ohne Frage interessant, D/Generation heute zu spielen. Zumindest von einem fast schon wissenschaftlichen Standpunkt aus. Das Spiel ist unvergebend, manchmal geradezu dumm und frustrierend designt, nur um dann wieder mit guten Level-Entwürfen und ein paar cleveren Rätseln zu glänzen. Es gibt seltsame Optionen wie die Möglichkeit, Leute zu retten oder in den Tod zu schicken. Es gibt Fallen, die euren Spielstand ruinieren, und niemand kann mir erzählen, dass sie dort zufällig sind. Man hatte 25 Jahre, um über sie nachzudenken.

Ist es ein gutes Spiel, nach heutigen Maßstäben, die grausige Technik mal außen vor? Nun... ja, vielleicht, nein, irgendwie schon und dann doch wieder nicht. Raum-Puzzle-Games mit ein wenig Action sind auf dem Indie-Markt nicht so selten und meist auch besser umgesetzt, als es dieses Relikt aus einer anderen Ära ist. Es ist aber auch nicht so schlecht, die Rätsel und Herausforderungen sind okay und auch unterhaltsam... Ich bin mir nicht sicher, tendiere aber schlicht dazu, dass es keines der Spiele ist, die man einmal in seinem Leben gespielt haben muss, egal wie alt sie sind. D/Generation war damals recht schnell vergessen, es hat die Welt nicht verändert und hatte auch nie das Zeug dazu. Warum sollte sich heute ein damals noch nicht mal geborener Spieler damit herumschlagen? Es gibt bessere Beispiele, um zu zeigen, warum einiges von dem, was D/Generation interessant macht, eben genau das ist. Interessant. Nicht mehr und nicht weniger.


Eine Warnung extra allerdings noch an alle, die eben dieses wissenschaftliche Interesse mitbringen oder zu den paar Leuten gehören, die D/Generation doch nicht vergessen haben: 25 Euro auf Konsole hierfür sind ein kranker Witz. Never ever. Auf dem PC kostet die Steam-Version aktuell noch 13 Euro, was ich schon als sehr hart an der Grenze empfinde. Ich bin sonst kein Fan der aktuellen Sale-Landschaft, aber das ist ein Fall, bei dem ich ganz sicher auf einen solchen warten würde.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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