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Uncharted 4: Auf zu neuen, offenen Welten

Oder: das schwierige vierte Album.

Bei Videospielentwicklern verhält es sich manchmal wie mit Rockbands. Nach den ersten erfolgreichen Alben und mit einer gewissen Menge an Fans im Nacken, steht den Kreativen der Sinn nach Umorientierung. Man braucht neue Herausforderungen, neue Inspiration und neue Ideen. Doch vor allen Dingen den Fans geht dieser Ansatz öfter als gewollt gegen den Strich. Neu soll es sein, ja, aber doch immer bitte in die Form gepresst, die bereits das vorangegangene Werk definierte. Ich habe mich schon oft von liebgewonnenen Schrammelkapellen abgewendet, weil mir ihr neuer Stil auf Folgealben missfiel. Und wenn ich ehrlich bin, gibt es ganz ähnliche Vorkommnisse auch bei Videospielen.

Auch beim Anspielen von Uncharted 4 geisterte mir eben jener Gedanke an verflossene Lieblingsbands beim Anspielen durch den Kopf. Gegenstand einer Präsentation im ausnahmsweise mal sonnigen Hamburg war eine circa 20-Minuten-lange Demo des quasi fertigen Spiels. Ganz seiner weltumspannenden Schatzsucher-Prämisse entsprechend, ging es dabei in die madagassische Hochebene, bestimmt von schroffen Bergmassen, plätschernden Flüssen, allgegenwärtigem Schlamm und saftigem Grün.

Autofahrten, offene Level und wenig Handlung - ist das noch Uncharted?

Soweit also alles ganz im Sinne des Erfinders des ersten Teils - bis auf den Jeep, den ich als Nathan Drake mit Kumpan Sully und Bruder Sam bemanne und selber steuern darf... und den fehlenden erzählerischen Bogen, der mich bei den restlichen Serienablegern doch immer so unterhaltsam in das Hollywood-artige Geschehen sog ... und diese offene Welt, die sich da vor mir auftut und Erinnerungen an rasante Schlauchlevel samt actionreichem Skript-Gewitter in den Hintergrund drängt. Das sind so viele Neuerungen auf einen Schlag, die ich trotz der Edelgrafik-Garnitur mit Sahnehäubchen nicht so recht schlucken mag.

Entwickler Naughty Dog nutzt die Technikpower des aktuellen Sony-Konsolenklotzes für größere, offenere Level (und die erwähnte Sahneschnittchen-Optik). Ähnlich wie bei dem Reboot von Tomb Raider möchte auch der vierte Teil des Drake'schen Schatzsucherabenteuers mit weitläufigeren Gebieten trumpfen. Die Entwickler nennen das "weitläufig linear" - das Design mag zwar den Anschein erwecken, euch volle Freiheit einzuräumen, führt euch letztlich aber doch an der Schnur aufgefädelt aus dem Level heraus. Auch wenn ich den Ansatz verstehen kann, mag er mir einfach nicht recht in den Kram passen. Es hat den Anschein, als trabe Naughty Dog plötzlich einfach dem Konzept hinterher, das das Tomb-Raider-Reboot zunächst von ihnen kopierte und dann etwas verbreiterte.


Hier geht es zum Uncharted 4: A Thief's End Test


Die Kritik mag auf viele befremdlich wirken. Denn einmal davon abgesehen, dass die Demo von Uncharted 4 einfach nicht das lieferte, was ich erwartete, hatte ich in zwei Durchläufen damit wirklich Spaß. Obwohl ich noch durch keinen Teil der Serie mit einem Jeep brausen durfte, steuert sich das Ganze hervorragend - zu keiner Zeit verliere ich die Kontrolle. Trotz matschigen Untergrunds gibt mir das Spiel nie das Gefühl, über zerflossene Butter zu gleiten. Wenn das Auto ausbricht, dann auf absolut verständliche Weise. Wann immer ich möchte, kann ich aus dem Wägelchen hüpfen, um zerfallene Ruinen oder kleine Höhlen zu Fuß einer näheren Betrachtung zu unterziehen, und meine gierigen Pranken um den einen oder anderen versteckten Schatz zu schließen.

Wird mit Uncharted 4 ein einstmaliger Innovator plötzlich zum Mitläufer?

Das treue Gefährt, das während der Fahrt auch Gegenstand einiger gewitzter Unterhaltungen zwischen Nate, Sully und Sam wird, ist aber nicht nur als Fortbewegungsmittel da. Ab und an stellt mich der Jeep auch vor neue Herausforderungen. Beispielsweise gilt es, samt fahrbarem Untersatz einen schlierigen, matschigen Abhang hinaufzukommen. Um das zu bewerkstelligen, schnappe ich mir den Seilzug des Jeeps, klettere über eine Ruine den Abhang hinauf und missbrauche einen Baum als Ankerpunkt. Das mag sicherlich nicht die forderndste Puzzle gewesen sein, lockert aber das Geschehen - das bis dahin noch KEINEN EINZIGEN (!) Schusswechsel auftischte - angenehm auf.

Und wenn ich schon eingeschoben den Schusswechsel erwähne: Die Demo mündete in einem zentral von einem Turm dominierten Tal. Die Ruine wurde kurzerhand von einer Privatarmee besetzt, die unserem kleinen Trupp in die Schatzsucher-Suppe spucken möchte. Auch in unserer Vorgehensweise gegen diese Gegner sollen wir neue Freiheiten erfahren. Von wo aus wir uns dem Turm nähern und wie wir die Soldaten überwinden, obliegt ganz unserer eigenen Laune und Kreativität.

Der einzige Haken an der Sache: Das während einer vorangegangenen Präsentation von Lead Game Designer Ricky Cambier so angepriesene Schleichen funktioniert auch in Teil vier wieder nur mäßig. Zwar signalisieren Gegner durch farbliche Indikatoren, wann sie kurz davor sind, mich zu entdecken, doch das hilft nicht, die schwammige Schleichmechanik zu retten. Vor allen Dingen wird mir aber bis auf ein paar Mauervorsprünge und hohe Grasbüsche nicht genug Spielzeug geboten, mit dem ich den Stealth-Ansatz auch wirklich auskosten könnte. Das Ende vom Lied sind vier bis fünf Versuche, die - trotz höchster Vorsicht und Sorgfalt - im Getöse von Kugelhagel und Explosionen enden.

In den Momenten überzeichneter Action fühlt sich Uncharted 4 spielerisch am wohlsten.

Aber egal, denn genau hier scheint sich Uncharted 4 wohl zu fühlen. Sobald das tosende Crescendo des Schusswechsels aufspielt, findet das Spiel zu seiner Stärke zurück. Im Vergleich zum Vorgänger fühlt sich das Zielen und Schießen eine ganze Ecke präziser und eingängiger an. Ebenso easy funktionieren Deckungsfunktion und das Werfen von Granaten. Vor allen Dingen aber der Enterhaken, der an komfortabel platzierten Pfeilern rund um den Turm herum für Schwünge und anschließende Bauchklatscher (heißt: Fausthiebe aus der Luft) genutzt werden kann, bringt neue Dynamik in das actionreiche Brimborium.

Kurz nach dem Turm ist die Demo dann auch schon vorbei. Großartig sieht's aus! Das mag diejenigen unter euch, die bereits einen Blick auf Trailer und Gameplay-Videos geworfen haben, kaum überraschen. Aber so live und in Bewegung reißt mich die Begeisterung über die grafische Qualität noch einmal deutlich mehr mit. Der Grad an Details, die wunderschönen Panoramen, fließende Animationen, flirrende Partikel im Sonnenschein, den Jeep bedeckender, aufgewirbelte Matsch ... ich könnte ewig so weiter machen. Nur auf einige Entfernung stießen mir ein paar wenige Details auf, die plötzlich ins Bild sprangen - ansonsten ist die Grafik nicht weniger als atemberaubend.

Doch trotz all der Liebe, die ich der Demo durchaus entgegenbringe, bleibt halt zum Schluss der kleine, enttäuschte und auch ein wenig bockige Fan in mir zurück, der sich von einem Uncharted viele Qualitäten wünscht, die sich zu einem Großteil in der kurzen Demo nicht haben blicken lassen. Anstatt größerer Räume zum Erkunden und freien Begehen, wünsche ich mir mehr Raum für Charaktere, Geschichte und lineares, filmisch eingefangenes, halsbrecherisches Actionspektakel. Das geht sicherlich gegen das, was in vielerlei Munde liegt - größer, weiter, umfangreicher soll's sein - aber es ist nun einmal das, was mich anfänglich so sehr an die Serie gebunden hat.

So viel Ehrlichkeit muss sein: Beim Anblick der schmucken Kulisse blieb mir die Spucke weg

Die herausragende Qualität der kurzen Demo zu Uncharted 4 macht mich gleichsam traurig, wie glücklich. Traurig deshalb, weil meine "Band" in seiner Setlist viele neue Songs untergebracht hat, die ich nicht mitgrölen kann, aber auch glücklich deshalb, weil ich weiß, dass sie im Verlaufe des Konzerts mit großer Wahrscheinlichkeit auch wieder meine Lieblingslieder anstimmen. Und die alten Qualitäten der Reihe in dem qualitativen Bombast inszeniert zu sehen, der sich von Uncharted 4 bis jetzt gezeigt hat, wird in jedem Fall ein großer Spaß. Ich bin bereit für die Zugabe.

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Sebastian Tyzak Avatar

Sebastian Tyzak

Freier Redakteur

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