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Edge of Nowhere - Test

Die Schablone für die Zukunft des Action-Adventures in VR.

Schön schaurige Lovecraft-Story zum Mitspielen. Es spricht für VR, dass man trotz spielerischer Einfallslosigkeit gespannt dabei bleibt.

Edge of Nowhere ist ein typischer Starttitel für eine neue Plattform: Kurz, solide und höchst konventionell, aber irgendwie auch ein wirksames Aushängeschild für das neue Gerät, das man sich gerade kaufte. In diesem Fall ein Oculus Rift, Hardware mit einem alles andere als alltäglichen Effekt auf die Wahrnehmung. Unter diesen Vorzeichen funktioniert auch "höchst konventionell" noch ziemlich ordentlich, auch wenn man schon jetzt weiß, dass dieses Spiel - wie fast jeder Titel aus einer Launch-Periode - wohl nicht allzu gut altern wird.

Doch das ist für den Moment kein Problem, denn Insomniac hatte eine ziemlich gewaltige Aufgabe vor der Brust: Ein klassisches Action-Adventure aus der Schulterperspektive zu zaubern, das keine Motion-Sickness erzeugt und dennoch in der neuen Darstellungsart VR größtmöglichen Effekt findet. Das ist ihnen durchweg gelungen. Schön auch, dass sie sich die Zeit genommen haben, diesem Machbarkeitsnachweis eine nette kleine Cthulhu-Geschichte zu spendieren, die gekonnt davon ablenkt, dass man eigentlich immer dasselbe macht.

Optisch kaschiert das Spiel seine schwachen Texturen und niedrigen Polygonzahlen gekonnt. Edge of Nowhere wirkt wie ein aufwendiges, teures Action-Adventure.

Das geht zwar ziemlich gut von der Hand - vor euch die Figur, euer Blick als Kamera über die zerklüftete, in Wahrheit jedoch streng abgesteckte Arktis-Landschaft -, hat aber außer einem steten Wechsel leichter Platform-Sequenzen, Tomb-Raider-artiger Eiswandkletterei und immer und immer wieder seichtem Stealth vor ekligen Monstern nur wenig zu bieten. Die Faszination, die die hübsch gestaltete Umgebung in ihrer virtuellen Größe und Weite versprüht, das Gefühl, zusammen mit dem Abenteurer Victor Howard 1932 nach der verschollenen Expedition seiner Frau zu suchen, die hält zwar die kompletten viereinhalb Stunden hindurch. Häufig kam mir eben auch ein ungeduldiger Seufzer über die Lippen, wann immer ich einen der vielen ausgedehnten Schleichabschnitte verpatzte und von einem Tentakelkadaver verspeist wurde, obwohl ich eigentlich wusste, was zu tun war.


  • Entwickler/Publisher:
    Insomniac/Oculus Studios
  • Erscheint für:
    PC
  • Preis:
    39,99 Euro
  • Erscheint am:
    erhältlich
  • Getestete Version:
    PC
  • Sprache:
    Englische Sprachausgabe, deutsche Texte
  • Mikrotransaktionen:
    nein

Mit dem Stealth an sich ist eigentlich alles in Ordnung. Verschiedene Biester reagieren unterschiedlich auf Geräusche und Bewegungen, ihr lockt sie mit Steinwürfen in Gefahrenzonen oder einfach auf die andere Seite der stets recht eng abgesteckten Umgebungen. Wenn nichts mehr geht, kommt die Schrotflinte raus. Munition habt ihr zwar jederzeit wenig, wird sie jedoch nötig, werdet ihr schon welche finden, ohne groß zu suchen. Dafür haben die Level-Designer gesorgt. Die meiste Zeit über ist das schon recht spannend, weil in VR das "Bleib-mir-vom-Leib"-Gefühl und schlichter Ekel durchaus ziehen. Aber weniger wäre mehr gewesen. An manchen Stellen ist es zudem etwas unbefriedigend, wenn man eine Option wählt, die das Spiel nicht vorsah. Hier und da fand ich es klüger, bis zur rettenden Kletterwand die Beine in die Hand zu nehmen, nur um dann allzu leicht eingeholt zu werden. Und manches Mal wird es zum Problem, dass Nach-hinten-Schauen und -Spielen eigentlich nicht vorgesehen sind.

Diese Kollegen erwischt ihr mit der Pickhacke am besten von hinten.

Euer Hals ist nun mal eben so gebaut, dass ihr vor euch knapp 180 Grad überblickt. Zusammen mit dem Bereich, den das periphere Sichtfeld des Rift abdeckt, sieht man schon eine Menge, aber eben nicht wirklich hinter sich. Das Spiel ist so ausgelegt, dass keine Kamerabewegung erfolgt, die nicht von eurem Kopf ausgeht, mit Ausnahme der Bewegung der Spielfigur natürlich, die euren Kamera-Fixpunkt hinter sich her durch den Level zieht. Wollt ihr entgegen der Blickrichtung spielen, gibt es Probleme, denn obwohl die Figur zwar umkehrt, schaut die Kamera weiter nach vorne. Nun gut. Das ist die eine VR-Baustelle, f6ür die Insomniac in diesem Spiel keine Antwort fand, und das Spiel funktioniert auch auf seiner Einbahnstraße immer noch so gut, dass man meistens nicht darüber nachdenken muss, was gerade hinter einem passiert.

Edge of Nowhere ist vor allem inszenatorisch sehr gelungen. Das Thema streut reichhaltigen Nährboden für visuelle Halluzinationen, die Insomniac wundervoll in die Umgebung integriert. Meist merkt man selbst gar nicht, dass sich gerade etwas grundlegend geändert hat, oft zu verblüffendem Effekt. Selbst die kurzen Rekapitulationseinschübe zwischen einzelnen Abschnitten sind überaus kunstvoll und faszinierend umgesetzt. Auch wenn man sich also im Ablauf schon sehr nach dem einen oder anderen neuen Einfall sehnt, um das Spiel ein wenig aufzulockern, wird man doch den Teufel tun, die Schneebrille an den Nagel zu hängen, bevor man nicht das Ende erlebt hat.

Das ist in bester Twilight-Zone-Manier ein ordentlich gemeiner Hirnverbieger und ein schöner Abschluss, den man in der Form in Videospielen, heldenhaften Action-Adventures noch dazu, selten erlebt. Klar, der Fernsehklassiker brauchte für diesen Effekt nur 45 Minuten und die Figuren in Edge of Nowhere sind kaum erinnerungswürdiger als die Protagonisten einer durchschnittlichen Folge von Rod Serlings TV-Meilenstein. Aber es versöhnt doch für die gefühlte Stangenware, die man vorher bekam.

Wenn wir in ein paar Jahren auf die Anfangstage von Virtual Reality blicken, wird der eine oder andere nachschauen müssen, was Edge of Nowhere noch mal war. Diese Sorte Spiele hat nun mal eine eingebaute, kurze Halbwertszeit. Für den Moment jedoch hat Insomniac sein Ziel erreicht: Sie haben einen starken Grundstein für das gelegt, was noch kommen wird, und den Action-Adventures das Tor in die virtuelle Realität aufgestoßen.

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