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Crafting: Wann genau wurden wir in Spielen von Jägern zu Sammlern?

Der fließende Übergang von Welt-Immersion zu Fleißarbeit und Stundenschinderei.

Ich bin immer noch nicht ganz sicher, was ich von der RPG-isierung der Spielewelt halten soll - alles hat Level und Lebenspunkte - und nun folgt passend dazu ein Trend, bei dem ich zumindest weiß, dass ich nichts davon halte: Crafting.

Wann fing das eigentlich an, dass ich als Held alles selber machen musste, inklusive niederste Rohstoffe horten? So neu ist das gar nicht. In frühen Ultima-Spielen konnte man Brot backen, in einigen J-RPGs der 90er mussten Zutaten für Zauber gefunden oder Tränken gerührt werden. Das fiel nie so sonderlich auf, weil es weit im Hintergrund war. Ein Weg, um ein paar Items extra zu haben, die man auch so bekommen konnte oder ein weiterer Hauch von Realismus in immer komplexer werdenden Spielwelten.

Frühes Crafting: Brot backen. Weil es ging. Weil man es mal ausprobieren wollte. Nicht, weil es nötig war.

Diese Spiele verloren aber nie das Hauptaugenmerk aus dem Blick: Der Spieler ist der Held. Er ist der Jäger, kein Sammler. Sein Blick sollte der eines Raubtieres sein, fokussiert auf ein Ziel, das er anstrebt. Immer mehr jedoch habe ich den Eindruck, dass es der Blick eines Pflanzenfressers ist. Nicht, um durch das weite Sichtfeld für das Erkennen von Feinden zu sorgen, sondern um all die Ressourcen im Blick zu haben, aus denen ich Gott weiß was craften kann.

In Witcher 3 sehe ich es noch ambivalent. Es macht inhaltlich Sinn, dass er als Mitglied einer raren Berufsgruppe ein paar Geheimnisse kennt und nur er die Tränke und Bomben des Witchers craften kann. Das passt, das ist nachvollziehbar. Die besonderen Witcher-Rüstungen und -Waffen sehe ich teilweise ein. Dass ich besondere Rohstoffe finden muss, die mächtige Monster bei sich führen, wunderbar. Ein epischer Kampf, um an das mächtige Schwert zu kommen. Aber dass ich dann auch noch eine alte Leiter, zwei Hemden und drei was weiß ich zerlegen muss, um so grundlegende Dinge wie stabiles Holz zu bekommen... Nicht Teil meiner Auffassung des Helden-Daseins.

Das ist das Leben eines Helden heutzutage? Dafür sind Händler in den Städten da!

Überhaupt, es gibt kein Rollenspiel mehr, egal ob Solo oder MMO, ohne dieses Crafting; viele Action-Adventures haben es, überall wird was gezimmert, gehämmert und gewerkelt. Es nervt mich nur noch. Warum? Weil es meine Zeit verschwendet.

Der ganz große Unterschied zu einem Minecraft, der Mutter aller Crafting-Spiele, ist der, dass ich nicht kreativ tätig werde. Ich "crafte", das ist richtig. Eine der Definitionen des Wortes ist die Ausübung einer Tätigkeit, die handwerkliche Ausdauer erfordert. Das ist ohne Frage richtig, wenn ich all den virtuellen Treibsand einer Spielwelt einsammle, um irgendwas draus zu machen. Aber dabei folge ich nur einer streng definierten Blaupause. In Minecraft erschaffe ich so die Werkzeuge, um danach gestalterisch tätig zu werden, aber das ist nicht das Ziel anderer Spiele. Witcher ist das beste Beispiel. Es gibt rein spielerisch keinen Grund, warum mir ein Händler ein Schwert nicht einfach verkaufen kann, wenn ich es haben will und auf meinen Wegen genug Gold eingesammelt habe. Es ist seine Aufgabe, die grundlegenden Werkzeuge und Rohstoffe für seine Arbeit zu finden. Nicht meine. Stattdessen laufe ich stundenlang rum und suche. Womit die Frage des Warums eigentlich schon klar wäre.

Sicher, das wurde auch nach einer Blaupause gebaut. Aber es ist doch etwas anderes. Hier steckt noch Craft drin.

Crafting ist eine wundervolle Art, um die Spielzeit künstlich zu strecken. Man kann heute nicht mehr sagen, dass ein Spiel nur zehn Stunden lang ist. Vor allem, wenn es ein Rollenspiel ist. Es müssen 50 sein. 100. Noch mehr. Crafting dauert und so kann man sagen: "Unser Spiel lässt sich in 15 Stunden durchspielen. Aber wenn ihr alles machen wollt, dann sind es 150!" Ja, und mindestens 75 davon renne ich rum und suche Zeugs, zerlege Zeugs, sortiere Zeugs - Im Prinzip "spiele" ich eine glorifizierte virtuelle Version von „Kiste X" (Kiste X ist meine Kramskiste, in der Kabel, Chips und alle Arten von Computer-Bastelzeugs liegen).

Hier deshalb meine ganz ernstgemeinte Frage: Ist das wirklich eine gute Art zu spielen? Oder ist es nur Füllmaterial, das ein Spiel über seine Zeit streckt, indem es mich mit einer simplen, manuellen Tätigkeit Stunde um Stunde beschäftigt und am Ende wenig mehr tut als mir Lebenszeit zu rauben? Ist es eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt? Oder doch nur ein elaboriertes Totschlagen der Zeit? Meine Antwort darauf kenne ich. Ein wenig Crafting kann nett und sinnvoll sein, aber es lief irgendwo aus dem Ruder und jetzt ist es wenig mehr als ein Trick, um Spielzeit zu schinden.

Ich schreibe das aus aktuellem Anlass, denn ich halte No Man's Sky für das erste echte Opfer dieser "Spiel"-Mechanik - zumindest das, um das es mir wirklich leidtut. Statt sich auf das zu konzentrieren, was es einzigartig macht und einfach das zu sein, was auch immer es ist, wird die mögliche Magie des Anders-Seins schwer durch das konstante Einsammeln von Ressourcen, das Hantieren mit einem Inventar und das Abarbeiten von Blaupausen kontaminiert. Sicher, vielleicht wäre das Spiel ohne das "nur" acht oder zehn Stunden lang. Vielleicht würde man nicht so viel machen, außer ein paar Quests hier und da und sehr viel Sightseeing zwischendurch. Aber wenn das gut ist, dann ist es für sich gut. Wenn das schlecht ist, dann wird es nicht besser, wenn ich aus den falschen Gründen herumrennen muss. Das Spiel muss es schaffen, dass ich seine Welten sehen und erkunden will. Sei es, weil eine Quest, würdig eines Helden, es verlangt oder weil sie so atemberaubend sind, dass alles andere sowieso in den Hintergrund tritt. Aber nicht, weil es mich zwingt, eine simple manuelle Tätigkeit endlos zu wiederholen.

Sollte alles, was hier zu sehen ist, als Spiel dann doch nicht reichen... Mich zu zwingen die Felsen abzuklopfen ist keine Lösung.

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