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The Elder Scrolls Legends - Der Khajiit in meinem Deck

Mudcrabs statt Murlocs - ein guter Tausch?

So, wie der Mond die Flut an die Gestade der Welt schwappen lässt, so sind auch Spielegenres offenbar den Gezeiten unterworfen. Es ist, wenn man nicht dabei war, schwer zu glauben, dass einst Adventure und Echtzeitstrategie die großen Platzhirsche waren. Es gab mal eine Zeit, in der es ein Minimum an Survival-Games und kaum Ballertitel mit Zombies gab. Genres werden erst beliebter und fallen dann wieder in der Gunst, schwellen an und ab, ohne je wirklich urknallartig zu entstehen oder mit einem "Plopp" zu vergehen. Und obwohl sich sicherlich die Frage nach dem Sinn und Unsinn darüber stellen lässt, so ist es doch Tatsache, dass wir momentan Kartenspiele in rauen Mengen vorgesetzt bekommen.

Blizzard verlängert unsere Klopausen künstlich durch Hearthstone und ist kommerziell natürlich der große MacDaddy, dem alle nacheifern, weil die anderen Gierschlunde, wie schon im MOBA-Genre, nicht verstehen, dass ein Markt auch gesättigt sein kann. Der Vorteil für uns Spieler ist, dass wir irgendwann eine schöne Auswahl haben. Sogar Magic: The Gathering (von dem ich hiermit schwöre, es im Text nicht mehr zu erwähnen, um nicht wie ein verzweifelter Fanboy zu wirken) hat mit Magic Duels endlich eine brauchbare Videospiel-Adaption. Wer auf Komplettimitate steht, kann sich bei Hex dasselbe in grün angucken, und über das Phänomen Gwent, das eigens aus dem letzten Witcher-Spiel ausgekoppelt werden musste, fang ich lieber erst gar nicht an zu reden, sonst nimmt dieser Text hier die Dimensionen von "Krieg und Frieden" an.

Wenn nun also mit Bethesda ein wahrer Gigant das Schlachtfeld betritt, steht anfänglich nicht die Frage, ob sie ihren Job gut machen - in diesem Fall nicht den der Entwicklung, das übernimmt Dire Wolf Digital - aber eben doch den Zuschuss von Ressourcen und die Umsetzung der Erfahrung als Publisher. The Elder Scrolls Legends, wie ihre neue Ansammlung von virtuellen Pappkameraden (und Pappsprüchen, Pappausrüstung, Papp...) heißt, kriegt noch vor seinem Release einige dicke Geschenke in die Wiege gelegt. Ungeheure Produktions- und Schauwerte. Spielerisches Know-how. Echte Begeisterung seitens der Macher. Sogar grundsolide Technik, denn wenn man bei den Herrschaften in Maryland erst gar keine Gelegenheit bekommt, etwas zu programmieren, was hinterher durch eine Wand clippt, dann ist schon mal eine große Stolperfalle umgangen worden.

Ja, krachbumm, sieht alles spektakulärer aus, als es letztendlich ist - die Mechanik dahinter ist eher grundsolide und bekannt als explosiv.

Wie gesagt, das war nie die Frage. Noch bevor man das erste Mal den Bethesda-Launcher startet (denn wir brauchen alle dringend noch einen Game-Client auf unserem Rechner), weiß man, dass schon keine totale Grütze rauskommen wird. Die Frage ist vielmehr: Was bringt Legends auf den Tisch, so wortwörtlich? Was kann es liefern, was nicht die oben genannten (und ihre ungenannten Kollegen gleichermaßen) schon mehr als zur Genüge bedienen? Es reicht jedenfalls nicht, dass Pete Hines seinen ehrlich empfundenen Enthusiasmus für Kartenspiele in die Welt trägt.

Wer sich in Blizzards kunterbunten Kartenduellen auskennt, wird auf Anhieb so viel wiederentdecken, dass der Einstieg quasi schlafwandlerisch vonstattengeht. Wer nicht, wird ebenfalls nicht lange brauchen, denn spätestens das großzügige und in die Story eingeabeitete Tutorial macht auch noch mit den letzten Fragen kurzen Prozess. Alles andere, Erklärungen zu den im Genre üblichen Keywords und dergleichen, ploppt zackig auf, wenn man den Cursor über eine Karte führt. Es ist so intuitiv, wie es nur geht. Die Story, übrigens, ist die erste eigene Stärke von Legends. Sie erzählt völligen Fantasy-Schmu, den man so im Dutzend billiger kriegt, aber sie erzählt ihn ansprechend. Gute Sprecher raunen sinistre Tolkien-Phrasen über zauberhafte, halb animierte Standbilder. Verschiedene Arten von Decks werden eingeführt und verbessert, es prasseln im Minutentakt Belohnungen wie neue Karten, ganze Booster, protzige Titel fürs eigene Profil, Gold für den Booster-Shop, Level-ups mit Verbesserungen schon erhaltener Kreaturen oder Materialien zum eigenen Herstellen von Karten. Die Motivation ist hoch, und die (momentan) 20 Missionen fliegen nur so vorbei, bevor man sich dem Rest der Spielmodi widmet.

In Sachen Präsentation und Ästhetik sitzt Legends fest im Sattel, doch es fehlt ihm Persönlichkeit zum Gefühl wahrer Größe.

Keine großen Überraschungen hier: Übung, Versus, Rang-Matches und auch einen Arenamodus gibt es, der gleichzeitig mit dem beliebten Konzept Draft gemischt wurde: Aus zufällig zugeschusterten Karten klöppelt man sich auf die Schnelle ein Deck zusammen, dann tritt man mit diesem nacheinander gegen Feinde an - je nachdem, wie weit man mit dieser Improvisation kommt, hagelt es dann bessere oder schlechtere Belohnungen. Saison-Preise gibt es natürlich auch und wie erwartet kann man sich gegen echte Penunze auch Booster oder Tickets für die Arena kaufen, denn so macht das Spiel nunmal sein Geld.

Auf dieser Metaebene gleicht Legends den anderen Genrevertretern wie ein Eierbovist dem nächsten. Erst auf der tatsächlichen Spielebene zeigen sich Unterschiede. Ein paar. Nicht allzu viele. Einer, der sofort heraussticht sind die Lanes: Das Spielfeld ist normalerweise zwiegespalten, man kämpft quasi an zwei Fronten gleichzeitig oder, wenn man es drastischer ausdrücken will, bestreitet zwei parallele Duelle nebeneinander. Das gibt einige neue taktische Möglichkeiten, etwa Kreaturen, deren Keyword explizit mit den Lane-Verhältnissen zu tun hat (etwa "diese Kreatur erhält bei Beschwörung +1/+1, wenn eine gegnerische Kreatur in derselben Lane ist" oder ähnliches) oder zum Beispiel auch Zaubersprüche, die in jeder Lane einen Wächter beschwören, der vor allen anderen Kreaturen angegriffen werden muss. Da Legends, wie sein Vorbild Hearthstone, ohne Blockmechanik arbeitet und dem Spieler die Wahl lässt, ob er Kreaturen oder den Kontrahenten direkt angreift, sind solche Karten für defensive Taktiken Gold wert. Und spätestens, wenn man mittels Zauber beide Lanes mit giftigen Nattern "füllt" (es passen bis zu vier Kreaturen auf eine Lane), die feindliche Viecher direkt bei Beschädigung töten, hat man eine sehr mächtige Option zum Durchbruch.

Uuh, ein seltener Blood Magic Lord! Das Spiel setzt auf die bekannten Sucht- udn Motivationstricks und beherrscht sie meisterhaft.

Denn das ist die höhere Ebene der Lanes und der mit ihnen verbundenen Strategien: Verteidigung und Durchbruch. Die Dynamik dessen, dass man eine Front pflegt und schützt, während man auf der anderen schwere Geschütze auffährt, dass man ein Match auf der einen Seite verliert und auf der anderen Hälfte des virtuellen Spielbretts nochmal rumreißt. Lanes können zudem Sonderregeln beinhalten, etwa die Tarnung von dort platzierten Einheiten, Windstöße, die unser beschworenes Kroppzeug zu den Nachbarn rüberpusten oder auch mal eine Lane, in der jeder Kämpfer als Begrüßungsgeschenk ein zufälliges Stück Ausrüstung erhält. Super als Spaßmodi, für ernstzunehmendes Ranked-Spiel, in dem jede weitere Zufallskomponente ein Ärgernis ist, völlig unbrauchbar.

Ein weiteres Element, das zwar nicht gerade die Welt auf den Kopf stellt, aber ein für das Genre längst überfälliger Schritt ist, sind die Runen. Normalerweise ist es für einen Spieler, der einmal in die Defensive geraten ist, sackschwer, das Match noch einmal zu drehen. Wenn aber ein solcher Pechvogel in Legends einen Teil seiner Lebenspunkte verliert, darf er zusätzliche Karten ziehen. Gewürzt wird dieser Umstand durch ein entsprechendes Keyword, das es erlaubt, so gezogene Karten sofort kostenlos auszuspielen. Es funktioniert überraschend gut, und so klein dieser Aspekt auch sein mag, er wird über die Grenzen von Legends hinaus wohl die wichtigste Idee für das Genre an sich sein. Ich bin gespannt, was Legends und seine Kollegen langfristig daraus machen.

Die Hauptreihe erhält ihren Reiz seit jeher eher von ihren absurd offenen Reichen als zentralen Figuren - eine Stärke, die Legends nur bedingt gut ausspielen kann.

Der andere und leider auch schon letzte spielerische Unterschied zu Hearthstone besteht darin, dass es nicht etwa vorgefertigte Klassen für die Decks gibt, sondern fünf Farben... die jeweils... eine andere Philosophie... okay, ich muss Magic: The Gathering doch noch erwähnen, aber nur dieses eine Mal, und nicht, weil ich will! Obwohl den fünf Archetypen nicht wirklich "Farben" zugeschustert sind, erkennt man doch die Absicht hinter den Gruppierungen, die auf die Namen Stärke, Ausdauer, Agilität, Weisheit und Intelligenz hören. Ausdauer etwa arbeitet viel mit Blockern und Effekten, die auf lange Matches zum Durchhalten ausgelegt sind, Intelligenz auf Zaubersprüche, oft mit Direktschaden - wer The Elder Scrolls und somit die Statuswerte kennt, wird wissen, worauf er sich einlässt. Prima hieran ist, dass man, anders als bei Blizzards Kartenhampelei und sehr ähnlich zu Magic, auch Decks mit zwei dieser Archetypen bauen kann. Ein Agilität-Ausdauer-Deck versucht, aus der Defensive heraus mit pointierten Giftangriffen die Reihen der Feinde auszudünnen, ein Intelligenz-Stärke-Deck, den Gegner mit zweierlei Arten von Offensive, sowohl durch anstürmendes Gesindel als auch zischelnde Blitze und sengende Feuerbälle, zu überrennen. Es gibt dem Ganzen zusätzliche Tiefe, umso bedauerlicher und unverständlicher, dass man offenbar nicht mehr als zwei "Farben" in einem Deck haben darf.

Doch es muss gelobt werden, da sich ansonsten nichts mehr sagen lässt, was nicht bekannt wäre. Müde beobachtet man, wie mit jeder Runde die Manapunkte, die hier natürlich „Magicka" heißen, um 1 klettern. Mit erfahrenen Augen liest man jedes Keyword, von "Ansturm" über "Wache" über "Tödlich" und führt schon fast tranceartig Taktiken durch, die man so schon hundertmal gesehen hat. Und hinzu kommt, dass auch der Stil, so sehr er für die Hauptreihe an überepischen Rollenspielen taugen mag, in den minimalen Verhältnissen eines Sammelkartenspiels nicht gut zum Tragen kommen. Meine Theorie: Es liegt daran, dass sich The Elder Scrolls, anders als Warcraft, nie wirklich über zentrale und legendäre Figuren definierte, sondern vielmehr über seine offenen Welten, die man hier natürlich nicht hat. Wer ikonischere Recken als Lucien Lachance oder, gottseibeiuns, den Quälgeist The Adoring Fan erwartet, könnte enttäuscht werden, dass er hinterher im Wesentlichen doch nur ein Heer von Orks, Argoniern oder Riesenspinnen führt.

Es gäbe noch viele Kleinigkeiten zu sagen, die sich als Aussage über eine Beta kaum lohnen, weil sie sich eh notwendigerweise die ganze Zeit im Wandel befindet. Das Balancing mehr als eines Effektes ist fragwürdig, die Vielfalt der Karten wird hoffentlich noch stark ausgebaut und es scheißt mal der Khajiit drauf, dass das Spiel mir beim Starten auch mal abgeschmiert ist - genau dafür hat man ja solche Betaphasen. Die große Sorge ist vielmehr: Schafft Bethesda es, sich mit dem starken Namen, dem Ausbau der spielerischen Eigenheiten und ordentlichem PR-Rummel, eine Schneise ins Bewusstsein der bereits gut bedienten Spielerschaft zu schlagen, die wahrscheinlich nach diesem Text zur Toilette eilt, um das neueste Face-Hunter-Deck gegen eine Armee von Murlocs auszuprobieren? Die gezeigte Qualität von Legends lässt es hoffen, aber ich bleibe skeptisch.

Aus dem Genre bekannte Keywords vertiefen das Spiel. Dieser argonische Kollege hier tötet jeden Feind, den er auch nur leicht verwundet.

Es gibt Komplimente, die man lieber hört als "Gerade noch gut geklappt", aber so sieht es nun mal aus: The Elder Scrolls: Legends besticht durch Gestaltung und Mechanik, aber eben doch sehr bekannte Gestaltung und Mechanik. Eigenständige Ideen wie die Doppel-Lanes mit Zusatzeffekten oder die Runen retten es in den Bereich der Existenzberechtigung, in dem man es trotz aller Ähnlichkeit zu den Babys von Blizzard und Wizards of the Coast schätzen und mögen kann. Für die Zukunft gilt: Werden diese Aspekte ausgebaut und durch neue Spielelemente ergänzt, dann wird Legends zumindest in spielerischer Hinsicht richtig fein - ob es deshalb erfolgreich wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Was es kurioserweise jedoch weder selbst ist noch dem Spieler bietet: Legenden. Die Hauptreihe an Rollenspielen ist stets im Wandel, ändert mit jedem Teil ihr Szenario, mithin ihre ganze Spielwelt, und ist kaum jemals durch zentrale Charaktere, sondern immer eher dezentrale Reiche geprägt. Das ist rein stilistisch keine gute Voraussetzung für ein Kartenspiel, in dem nun Legionen von namenlosen Argoniern, Khajiit, Nords und ein paar generische Fantasy-Monster sich gegenseitig die Rübe einhauen. Es fehlt den Karten an Persönlichkeit - nicht, weil sie dem Franchise an sich fehlte, sondern, weil sie normalerweise auf diesen anderen Wegen erzeugt wird. Noch hinterlässt das schlimmstenfalls ein pelziges Gefühl unbestimmter Unzufriedenheit auf der Zunge - drücken wir die Daumen, dass es diesem an sich gelungenen Titel nicht mittelfristig zum Hindernis wird, denn er wird es bei aller Güte schon schwer genug haben, sich zu behaupten

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Leo Schmidt Avatar
Leo Schmidt: Ruiniert sich seit 1990 die Gucker und Stummeldaumen mit Telespielen. Erforscht das Berliner Nachtleben aus sicherer Distanz übers Internet und kriegt Krämpfe, wenn er länger als 15 Sekunden keinen blöden Witz machen darf. Rettet immer versehentlich den Drachen und erschlägt den Schatz.
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The Elder Scrolls: Legends

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