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Gunstar Heroes - Vinyl Soundtrack Rezension

Komponist: Norio "NON" Hanzawa

Label: Data Discs

Stil: Chiptunes Mega Drive

Erhältlich über: Amazon, Label, Discogs

Das Spiel: Treasure. Bossfights. Action. Mehr Bossfights. Mehr Action. 2D in Exzellenz.

Editionen: Wie immer bei Data Discs gibt es drei Editionen, die sich auch bei dieser 45-RPM-Doppel-LP nur durch die Farbe des Vinyls unterscheiden: Rot-Blau-Split als limitierte Edition - 140 Gramm Vinyl -, eine Platte in Rot, eine in Blau und dann beide in Schwarz. Die beiden regulären Versionen sind 180 Gramm Vinyl. Es ist trotz des Doppels leider kein Gatefold-Cover und es ist jetzt auch wirklich nicht das schönste Cover, selbst für Data-Disc-Verhältnisse nicht, die schon immer mehr Wert auf die Musik und weniger auf den Rest legten. Die Druckqualität selbst ist hoch und die Pappe stabil, aber das Artwork wirkt fast schon mäßig hochskaliert. Das geht besser. Als Trost sind die Sleeves im Inneren fantastisch und komplett mit Artworks verschönert, hier auf eine gute Art. Dazu gibt es noch ein gefaltetes, beidseitig bedrucktes Poster als Bonus und außen ummantelt ein OBI-Sleeve das Cover.


Angehört

Seite A: Es geht sofort in die volle 90s-Chiptunes-Action. Wie ein guter Rock-Song mit einem E-Solo startet, kickt diese Platte es mit einer Runde Uptempo-Power los. Was folgt, nannten wir ein episches Theme, mit dem das Spiel versucht, euch den sinnlosen Rest Story näherzubringen. Was dann kommt, ist schierer SEGA-16-Bit-Segen. Jede Note sitzt auf den Punkt, während euch bassige Beats und eine aufspielende tragende Melodie von fernen Ländern erzählen, in denen ihr zahllose Bösewichter niedermachen und wie gut ihr euch dabei fühlen werdet. Ich angele nach einem schwarzen Baterang-Pad, das da nicht ist, und unterdrücke den Hang zu gucken, ob Amazon Prime auch Mega Drives in einer Stunde liefert. Es sind lichte, klare, fröhliche Melodien, blaue Himmel, die vorüberziehen, Schüsse, die in Sekundenbruchteilen ausgelöst werden, 60 Frames und jede Menge Parallax-Scrolling im Kopfkino. Dann: Der Mid-Boss nervt. Was ist sein Problem? Das klingt, als würde die Plattenbeschleunigung auf 45 für eine Spur nicht funktionieren. Wenn das ein Angriff ist, ist er erfolgreich. Stirb endlich. Danke. Da weiß der erste echte Boss, was sich gehört, und spielt dramatisch auf. So muss das sein. Erstaunlich komplex und verschachtelt wabern die Tempi durcheinander. Gut, dass die Stage-Clear-Fanfare die Knoten in meinen Horchwindungen so einfach und effektiv lösen kann.

Seite B: Nach dem ersten Schreck fällt die wie so oft bei Chiptunes dramatische Stereo-Trennung auf. Ganze Themensegmente teilen sich die beiden Boxen fast schon brüderlich auf und treiben euch immer wieder durch den Raum. Auch die schiere Ambition, dem Chip des Mega Drive fast schon Pop-Song-Strukturen zu entlocken und dabei unverschämterweise auch noch Erfolg zu haben. Brillant. Wieder folgt der Endboss. Wieder verbreitet er Stress, wenn das Mega Drive gekonnt zu einer Art Double-Base genötigt wird. Der nächste Stage setzt dagegen auf etwas weniger Tempo und umso epischere Melodien, die genau die richtigen Frequenzen des hohen Aufspielens zur Glorie treffen, ohne dabei je in die nervigen High-Pitches abzudriften, die sich niedere Sound-Ingenieure der Zeit immer wieder mal gönnten. In Treasure we trust. Auch beim letzten Boss der Seite, der bei erneut hohem Tempo aus der Bridge direkt in melodiöses Trommelfeuer durchstartet. Ich will was in 2D abschießen. Sofort. Mit epochaler Dramatik lässt es das Continue glückselig ausklingen. Ich wollte gerade tippen "etwas zu langatmig vielleicht", aber dann war es durch. Was für ein perfekter Gastgeber. Und verwirrt mich. Wie es fast jede Data-Discs-Platte schafft: Statt zu enden, bleibt sie auf dem Endlos-Loop eines Soundeffekts hängen. Nicht erschrecken.

Seite C: Diese Beats, die tragenden, sich gefühlt für immer hinziehenden Melodic-Samples, es ist Weltraum. In den frühen 90ern. So fühlte sich Weltraum an. Gunstar ist zwar kein Shoot-'em-up, aber wäre es eines, würden alle Stage 4 für seine Musik leben und nachts von Neon-Schüssen im Weltraum träumen. Der Boss will da nicht negativ auffallen und lässt es passen tragend angehen. Mehr Space-Gewaber als zuvor, viele dramatisch durchgearbeitet Tonleitern auf drei verschiedenen Spuren. Das Mega Drive konnte das? Danach geht es zurück in die Atmosphäre. Wenn ihr es wollt und euer Kopfkino zu immer wieder neuen Melodien dahin abdriften lasst. Was diese vor allem verbindet, ist ein Hang, den Chip an die Grenzen zu treiben und euch wie Helden fühlen zu lassen. Heroes geradezu. Gunstar Heroes eben. Wo ist verdammt noch mal mein Pad?!?

Seite D: Stage 7, der finale Level, beginnt langsam und tragend, mit viel Reverb-Sounds, was kurz Zeit gibt, das Mastering zu loben. Wer jetzt die VGM-Files hat, hört und denkt, dass diese das Ende der Fahnenstange wären, das hier dann auf Vinyl kopiert wurde, irrt gewaltig. Jede Note wurde zwei Monate lang von Hand gestreichelt und poliert und ihr hört es sofort und unverkennbar, ohne dass etwas dazukam, was da nicht hingehören würde. Genießt es, während sich die Stage weiter mit dem letzten Gegner aufspielt, und dieser enttäuscht nicht. Brachial, schwer und mit der Wucht eines langsamen, aufhaltbaren Güterzuges schiebt er sich durch alles, was ihm im Weg steht. Da kann die eigenwillige Melodie noch so sehr in alle Richtungen die Flucht antreten. Ein aussichtsloser Kampf, der natürlich gewonnen und am Ende mit den Credits gleichermaßen überschwänglich gefeiert wird. Oder wie der letzte Track es nennt: All clear!

Eine Platte wie: All die Gründe, aus denen wir sagen können: In Treasure we trust.

Eine Art Fazit: Bei der Druckqualität des Covers hat Data Discs immer noch nicht den Stil gefunden, die Scheiben selbst sind mit hochwertiger Fertigung und über alle Zweifel erhabenem Mastering tadellos. Der Sound selbst ist natürlich ein Genuss für Liebhaber des Mega-Drive-Chips, für alle anderen wird es ein nicht ganz einfacher Weg an den Treasure-Soundoverkill in technischem Minimalismus.


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Selbst anhören:


Gehört und genossen auf...

Dies ist die "Eurogamer-Referenz-Anlage": Plattenspieler - Thorens TD 203 (Test); Phono-Verstärker - Pro-Ject Phono Box DS2 USB; Stereo-Verstärker - Teufel Kombo 62 CD-Receiver; Boxen - Nubert nu Vero 30 (Test); Kopfhörer: Beyerdynamic Amiron (Test) + A20 (Test)


Über den Autor
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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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