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"System Shock 3 kommt!" - Blödsinn, ich meine natürlich "Prey kommt!"

Auf den Schultern von Riesen.

In gewisser Weise ist es bis heute faszinierend, wie viel System Shock der Spielwelt gab. Es trug den Shooter spielerisch weit über die Grenzen von Doom hinaus. Es führte verschiedene Herangehensweisen ein, wobei ihr entscheiden konntet, ob ihr lieber mehr ballert, hackt oder den Spielstil mischen wolltet. 1994 war das in 3D so revolutionär, wie es nur geht, noch dazu mit einer Story und vor allem einer Nemesis, die kaum jemand vergaß, der System Shock spielte. Für mich war es das erste Spiel, das mir beibrachte, Keyboard und Maus - damals eine alles andere als übliche Konstellation - gleichzeitig zu nutzen. Kein Spiel würde je wieder an ein solches Pioniererbe heranreichen. Es war eine andere Zeit.

Eine Raumstation ganz für mich alleine. Kann das nicht mal so nett sein, wie es sich anhört?

23 Jahre weiter, heute, macht sich Prey auf den Weg und es hat nichts mehr mit dem gemein, was vor ein paar Jahren noch als Prey 2 zu sehen war. Es hat auch nichts mehr mit Prey zu tun, das mittlerweile stolze elf Jahre zurückliegt. Warum es also Prey heißt... Keine Ahnung, wahrscheinlich, weil die Namensrechte für System Shock jemand anders gehören - und ein dritter Teil irgendwann ja kommen soll - und Deus Ex bei Square Enix liegt. Wolfenstein konnten sie es nicht nennen, Dishonored 3 wäre wohl etwas verfrüht und Elder Scrolls ergibt nicht so viel Sinn. Blieb Bethesda halt Prey. Was das Spiel dahinter angeht: Ich würde Geld wetten, dass die im Augenblick anscheinend unfehlbaren Arkane Studios etwas in der Mache hatten, ihnen aber noch ein Name fehlte. Prey 2 kam nicht aus dem Knick, also unbetiteltes Spiel genommen und es Prey genannt. Besser eine vage, gerade noch bekannte Marke als ein kompletter Neuzugang in die Franchise-Welt, das könnte die Überlegung gewesen sein. Reine Spekulation meinerseits natürlich.

Langer Rede kurzer Sinn: Ihr spielt, zumindest ausgehend von der ersten Stunde, vielleicht eine ganze und eine Viertelstunde, ein System Shock. Ob Nachfolger im Geiste, Re-Imagining oder wie auch immer, das wird sich im Detail noch klären, aber sonst ist es System Shock. Ein einsamer Überlebender auf einer Raumstation, auf der zig Leichen und Teile verstreut sind. Eine Vergangenheit, die ihr zusammenpuzzeln müsst, und eine Zukunft, die noch sehr undurchsichtige, aber offensichtlich schlagfertige Bedrohungen bereithält. Wollt ihr mehr kämpfen, schleichen oder hacken? Wer sich in der ersten Stunde nicht an System Shock erinnert fühlt, hat es nicht gespielt. Da kann das Spiel noch so sehr ein Neo-Art-Deco aus Deus Ex: Human Revolution einfließen lassen, es ist System Shock. Habe ich erwähnt, dass man einem Spiel kaum ein größeres Kompliment machen kann?

Wenigstens hat man bekanntes Werkzeug, um sich festzuhalten.

Ich gebe zu, das ist nicht, was ich unter dem Namen Prey erwartet habe. Da hätte ich zumindest mit deutlich mehr Ballern gerechnet, aber das ist hier keine echte Priorität. Vergleiche mit Dishonored passen auch nicht, denn ganz ohne Kampf durchzukommen wird nicht möglich sein, und damit liegt es schon in der Spur des großen Vorbilds. Um es noch näher heranzurücken: Prey ist ein Spiel, in dem Lesen zwar keine Pflicht, aber doch eine Tugend ist. Wie in - mal gucken, wie oft ich das noch anführe - System Shock oder auch Deus Ex findet ihr überall an Bord der gewaltigen Basis E-Mails und andere Hinterlassenschaften, aus denen ihr euch viel zusammenreimen könnt. Dies sind aber nicht die einzigen Stichwortgeber für die Handlung. Es gibt noch Überlebende und auch wenn ich in der kurzen Zeit keinen finden konnte - die meisten Bereiche waren in der Demo nicht zugänglich -, scheint es noch Hoffnung zu geben. Mindestens einer lebt noch. Allerdings dachten wir das auch schon in anderen Spielen.

Was man mit Sicherheit sagen kann: Prey ist geradezu eine Perle im visuellen Design. Die Mischung aus Raumfahrt der 60er, dem Innendekor der frühen 30er und ein wenig High-Tech, der auf eine vercyberte Zukunft deutet, bedient sich zwar bei Versatzstücken, mischt sie aber nahtlos und beeindruckend zu etwas Eigenem. Lediglich wie das Spiel manche Momente handhabt, die eigentlich nach etwas mehr Pathos in der Inszenierung schreien, aber als Business as usual abgefrühstückt werden, das erstaunt. Fast so, als würde das Spiel sagen wollen: "Das habe ich nicht nötig". Nun... Stimmt. Aber trotzdem.

Die Fertigkeitenbäume tragen nur wenige frische Äste.

Jetzt kommen wir wieder in das gefährliche Terrain der Spoiler und wie immer werde ich mir alle Mühe geben, keinen davon zu erwischen, wenn ich euch wenigstens ein paar Details mehr verrate. Ich frage mich aber schon, wie ich ein paar Szenen zu Beginn erlebt hätte, wären sie mir nicht in einer Power-Point-Präsentation gespoilert worden. Ihr findet sicher im Netz zig Aufnahmen der ersten Stunde. Ich habe meine eigene hier liegen und könnte sie problemlos hochladen, damit ihr Monate, bevor das Spiel erscheint, alles sehen könnt, was eigentlich als Enthüllung im Verlauf der eigenen Erfahrung gedacht ist. Das ist wohl eine der Grundsatzdiskussionen, die man führen kann, und wenn ihr das in den Kommentaren tun möchtet, dann nur zu. Ich denke, dass ich euch und auch Prey einen weit größeren Dienst erweise, wenn ich euch ein zumindest theoretisch "jungfräuliches" Heranteten an das Spiel ermögliche, sobald es denn erscheint.

Genug davon, hier die Grundprämisse. In den 60ern gab es zwar das Attentat auf Kennedy, aber er überlebte es, und an diesem Punkt beginnt sich die Historie drastisch zu verändern. Außerirdisches Leben wird entdeckt und um es zu erforschen, tun sich die Amerikaner und Russen zusammen. Der Kalte Krieg ist beendet, stattdessen findet der Wettlauf in den Weltraum gemeinsam statt. Das Ergebnis, eine gewaltige Raumstation im Orbit, dürft ihr dann selbst bewandern. Und ihr dürft natürlich auch sehen, was genau schieflief, denn... Selbst spielen. Später. Ich frage mich, wie ich die Szene mit der Kaffeetasse empfunden hätte, wüsste ich nicht, was jetzt passiert. Ich war doch noch mitten im Tutorial...

Genug Stoff zum Lesen ist da und ihr solltet ihn euch gönnen, um ganz in die Geschichte einzutauchen.

Ein paar Gimmicks muss ein Spiel natürlich haben, und das erste ist die Klebekanone, die Glue-Gun. Zugegeben, es ist nicht gerade die Brillanz einer Gravity-Gun aus Half-Life, seine Gegner einzukleistern, vor allem, wenn jeder echte Treffer sie schnell wieder befreit. Es lassen sich auch kleine Treppen bauen, aber viel mehr Nutzen konnte noch keiner von uns aus dem Ding ziehen. Angesichts der Munitionsknappheit ist man aber für jedes Hilfsmittel dankbar. Ihr habt auch einen "Zerleger" und einen Replikator - in den einen werft ihr all den Mist, den ihr findet, und holt bunte Würfel raus, die ihr in den anderen werft. Das fühlte sich nach einer Menge erzwungenem "Crafting" an, bei dem ich noch sehen muss, was ich über eine längere Spielzeit davon halte. Ich sehe den Nutzen, die Freiheit in der Spielweise weiter zu unterstreichen, indem ihr erschafft, was ihr für euren Stil braucht. Aber es war eben auch eine Menge Mikromanagement, das mich vom eigentlichen Spiel abhielt. Mal gucken.

Ansonsten, die Schrotflinte ist ein Klassiker, der nicht fehlen darf, also fehlt er nicht. Pistolen sind dabei, sicher auch schweres Geschütz später, hoffentlich etwas futuristischer. Daran mangelte es dem Arsenal jenseits der Klebepistole dann doch. Nicht dass es für die Stimmung eine große Rolle gespielt hätte. Handelsüblich sind inzwischen die drei Upgrade-Bäume, die euch besser kämpfen lassen, körperliche Fertigkeiten verbessern oder Dinge wie effektiveres Hacking freischalten. Wenig Überraschungen hier, solide, was man erwarten würde, hat man mal ein Deus Ex gespielt.

Selbstgespräche mit existenzialistischen Fragen.

Prey wird ein überraschend konservatives Spiel. Es sieht sich in direkter Linie zu System Shock und auch ein wenig zu Deus Ex, bedient sich bei diesen Wegweisern der Spielegeschichte. Wenn ich ihm nach der ersten Stunde etwas vorwerfen kann, dann dass ich bis dahin noch keine Ambitionen sehe, einen eigenen, neuen Fußstapfen neben die der Riesen zu setzen. Prey scheint für den Moment damit zufrieden, in ihren Spuren zu wandeln. Das tut es aber mit traumwandlerischer Sicherheit. Wann kann man schon mal sagen "Das ist ein Spiel wie System Shock" und gleich dazu "Das könnte so gut sein wie System Shock"? Arkane Studios scheint derzeit eine sichere Spur von höchster Qualität zu fahren. Technisch ist das hier extrem ausgereift, erzählerisch wie auch im Design fast schon unheimlich stilsicher und spielerisch vielleicht kein Neuland, aber dem schieren Unterhaltungswert tat das in dieser Stunde keinen Abbruch. Und wer weiß: Vielleicht hat das Studio im Frühsommer diesmal sogar an der Verkaufsfront den Durchbruch, den zumindest ich ihnen schon seit langer Zeit wünsche. Mit einem so bekannten Markennamen wie "Prey"...


Entwickler/Publisher: Arkane Studios / Bethesda - Erscheint für: PlayStation 4, PC, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 5. Mai 2017 - Angespielt auf Plattform: PC

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Prey

PS4, Xbox One, PC

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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