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Playerunknown's Battlegrounds: Es kann nur einen geben?

Mit der vierten Version eines Spielmodus endlich zum eigenen Spiel - und zum Topseller auf Steam.

So langsam wird's ein bisschen unübersichtlich im Sub-Genre der Battle-Royale-Spiele. Gefühlt ist der Trend zumindest für mich nur ein paar Jahre alt, in Arma 3 und H1Z1s Standalone-Variante erfreut sich diese hochpulsige Spielart des Survival-Themas bester Gesundheit - und wenn ich wollte, ich bekäme sicher auch ein paar Leute in der alten DayZ-Mod für eine Runde zusammen. Und jetzt kommt mit Playerunknown's Battlegrounds Option Nummer vier um die Ecke. Das Interessante: Jede einzelne Version dieses Spielkonzepts geht auf den Modder Brendan Greene (auch bekannt als Playerunknown, was ein Zufall) zurück. In Zusammenarbeit mit Bluehole will er mit eigener Standalone-Version endlich die Fesseln abstreifen, die es so mit sich bringt, wenn man als Modder einer fremden Engine und dem Regelwerk anderer unterworfen ist.

Greene sagte schon in der Zeit, als SOE und H1Z1 sein Konzept lizenzierten und er bei der Umsetzung half, dass eine eigene Standalone-Version sein letztendliches Ziel wäre. Jetzt ist sie da, auf Basis von Unreal Engine 4 und setzt schon als Early-Access-Titel die Steam Verkaufs-Charts ganz ordentlich in Brand. Zur Stunde spielen fast 40.000 Leute zugleich. Und nachdem ich mich das Wochenende hindurch über die achtmal acht Kilometer große Insel mordete, ist nicht so schwer zu sehen, warum. Battlegrounds funktioniert.

11 Millionen Dollar eingespielt in nur drei Tagen. Läuft.

Kurzum: Die Performance lässt bisweilen noch zu wünschen übrig, der eine oder andere Server-Aussetzer strapazierte meine Geduld so, dass ich mir eine neue Partie suchte. Aber ansonsten ist leicht zu sehen, wo Playerunknown mit seiner Standalone-Version hin will: Weg vom schnellen, immer noch ein wenig schludrig und sich eher nach MMO anfühlenden H1Z1: King of the Kill. Mal ehrlich: so richtig gut fühlte sich auch das Hauptspiel nie danach an, wie das so ist, wenn man ein Actionspiel auf Basis eines MMO macht. Battlegrounds unterstreicht jetzt, dass Greene diesen Modus nicht umsonst in der Arma-Engine erdachte. Diese Art von langsamem, methodischem und körperbetontem Spielgefühl liegt ihm einfach und wird in seinem Standalone-Entwurf folgerichtig auch zu weiten Teilen emuliert.

Wir haben hier also ein Handling, eher so wie man sich ein fertiges DayZ vorstellt. Oder eine entschlackte, weniger schwerfällige Version von Arma 3 mit ebenfalls ballistischem Waffenmodell, Zielfernrohr-Nullung und Sich-für-den-genauesten-Schuss-auf-den-Bauch-legen. Die neue Karte teilt trotz stärkerer Farbgebung auch die Rostblasen werfende Ostblock-Abbruchstimmung des früheren Bohemia-Outputs. Es sieht - gerade in der Ferne - nicht ganz so natürlich und organisch aus wie das, was die Engines der Tschechen so auf die Beine stellen, aber gut genug, um als glaubwürdige Insel die Hatz nach besserer Ausrüstung spannend zu halten. DayZ und Arma 3 generierten aber bereitwilliger ansehnliche Desktophintergründe als Battlegrounds. Das ist noch ein wenig auf der Suche nach seinem eigenen Look.

Schießen oder nicht? Nicht immer so eindeutig wie in dieser Situation.

Wer das Spielprinzip noch nicht kennt: In Battlegrounds springen 99 Spieler über einem frei erkundbaren Eiland aus einem Transportflugzeug. Die Insel selbst ist unbewohnt, evakuiert vermutlich, denn Häuser, alte Autos und Infrastruktur sind dort bereits vorhanden. Der Spiel-Code verstreut nach prozedural-zufälligem Verfahren Kleidung, Waffen und sonstige Ausrüstung unterschiedlicher Beschaffenheit und Güte in Häusern, auf Balkonen und dergleichen. Binnen etwa einer halben Stunde wird nur noch einer übrig sein. Das ist das Konzept. Hunger Games beziehungsweise Kinji Fukasakus Klassiker Battle Royale lassen grüßen, allerdings mit dem überheblichen Blick in den Augen, der sagt, "wir waren zuerst da".

Im Grunde ist es die um jeglichen Ballast, um fast alles Abwarten und um viel vom Lauern erleichterte Version von DayZ oder der diversen Arma-Spielarten. Denn viel Zeit, euch einzukleiden und auszurüsten, ist nie. Es liegt massig gutes Zeug herum, viele Waffenaufsätze - Visiere, Zielfernrohre, Lauf-montierte Griffe, Chokes für Schrotflinten, Mündungsfeuerbremsen, etc. -, Verbrauchsgegenstände - Granaten, Energydrinks, Medizin - und schlicht Lebensqualitätsteigerer wie größere Rucksäcke und Halfter. Aber ihr müsst immer in Bewegung bleiben. In Abständen von wenigen Minuten wird der Spielbereich kreisförmig verkleinert, wer außerhalb des zu bespielenden Areals noch mit Looten und Morden beschäftigt ist, den holt irgendwann eine schrumpfende, Gesundheit-schmelzende Energiekuppel ein. Die soll sicherstellen, dass auch bei kleinerem Teilnehmerfeld die Frequenz an Spielerbegegnungen hoch und der Ablauf spannend bleibt.

Mikrotransaktionen wird's wohl geben - für optische Anpassungen eures Charakters, wenn ich mir das Ausrüstungsmenü so anschaue.

Und das funktioniert ausnehmend gut. Ständig muss man die Balance finden zwischen der "taktisch eigentlich besten Entscheidung" und der "taktisch besten Entscheidung für diesen Moment". Renne ich die letzten paar Hundert Meter in den Spielbereich - dafür über ein offenes Feld? Oder nehme ich den Umweg, riskiere ein wenig Lebensenergie unter dem Energiefeld, um an ein Auto zu kommen, dessen Karosserie und hohes Tempo mich schützen? Eröffne ich das Feuer auf den Gegner, der mich noch nicht gesehen hat? Oder lasse ich ihn leben, weil ich ziemlich sicher bin, dass mich ein Schuss in diesem Moment zu einer riesigen Zielscheibe für andere macht, die ich vielleicht noch nicht gesehen habe. Solche Dinge. Jede Runde bleibt angenehm variabel und selbst ohne einen Kill unter die letzten fünf zu kommen fühlt sich an, als hätte man alles richtig gemacht. Dabei ist der eigentliche Kampf nie trivial, denn wie bereits angeklungen ist, werden sowohl Kugelabfall auf Distanz und die Flugzeit des Projektils in einer Weise berücksichtigt, die den Feuergefechten eine angenehme Lernkurve mitgibt.

Insofern: Alles gut! Battlegrounds ist spannend, kitzelt in atemloser Frequenz abwechselnd Loot-, Flucht- und Baller-Instinkte und begründet ganz gut, warum dieser Spielmodus mittlerweile so etwas ist wie ein kleines Unter-Genre. Das scheint allerdings auch immer die gleichen Leute anzuziehen: Die Spiel-Lobby vor einem Match, in der gut eine Minute lang alle Spieler schon sichtbar umherlaufen, ist "Netzkultur in a Nutshell". Nett zurückhaltende Grüße verschwinden ungehört unter mikrofonkillendem Indianergebrüll, Dudebro-Gedisse, Meme-Spasmen und den unvermeidlichen kurzen Ausbrüchen von Alltagsrassismus. Aber immerhin muss man das nicht lange hören und hat so einen guten Grund für all die Untaten, die man seinen Gegenspielern in der folgenden halben Stunde angedeihen lassen wird. Ich gebe zu, mit welcher Regelmäßigkeit sich der testosteronbefeuerte Irrsinn sich hier in den Minuten der Spielvermittlung Bahn bricht... ich kann mir das Schmunzeln selten verkneifen.

Hier und da erhöht das Spiel den Druck auf den Spieler: Durch Bombardements bestimmter Gebiete oder durch das Abwerfen einer lukrativen Loot-Kiste über dem Einsatzgebiet.

Insgesamt läuft das Spiel schon ganz passabel - wenn man entsprechende Ressourcen drauf wirft. Die Einstiegs-Spezifikationen lesen sich recht zahm (bei einer Geforce 660 geht es angeblich los). Aber ich kann nur von meinem Rechner berichten - immerhin eine Geforce GTX 1080 gepaart mit einem Skylake i7: Vor allem, wenn man schnell mit dem Auto unterwegs ist, geht die Bildrate schon mal von über 90 Bildern um gut die Hälfte in die Knie. Allerdings habe ich auch wenig Anstalten gemacht, die Grafik großartig runterzuschrauben. Spielbar blieb's durchweg. Die Entwickler sind nach eigenen Angaben am Ball. Der letzte Patch hat schon eine Besserung bewirkt, mal schaun, wie es weitergeht. Und dann gibt es da noch den einen oder anderen Anfall von Early-Access-Schludrigkeit, was sich vor allem in der Handhabung niederschlägt, beim Waffenwechseln, im Inventar und so weiter. Entweder das oder sie haben ein bisschen zu genau Richtung Arma und DayZ geschielt - zwei Spiele, die bei allen fabelhaften Qualitäten in Sachen Interface bitte niemandem als Vorlage dienen sollten. Aber ja: Insgesamt hatte ich schon jetzt eine Menge Spaß mit Battlegrounds.

Die Grundidee ist nicht neu, Kernmechanismen ebenfalls geliehen, wenn man es großzügig ausdrückt, aber im Grunde wäre Playerunknown verrückt, hätte er die Gelegenheit ausgeschlagen, eine voll und ganz auf die Bedürfnisse seines Regelwerks ausgelegte Standalone-Version zu entwerfen. All die Kompromisse, Flaschenhälse und Zugeständnisse, die das Mod-Dasein so mit sich bringt - mit einem Mal passé. Mir gefiel der Gedanke, den Zyklus aus Looten und kurzen, aber heftigen Gewaltexplosionen unter Berücksichtigung echter Physik und taktischer Überlegungen zu verkürzen, schon immer und hier sehe ich exzellente Anlagen für einen langlebigen neuen Player auf Steam.

Battlegrounds ist sicher nicht die erste Version dieses Konzepts, aber es könnte für eine ganze Weile die definitive bleiben.


Entwickler/Publisher: Bluehole - Erscheint für: PC - Geplante Veröffentlichung: Early Access erhältlich - Angespielt auf Plattform: PC

In diesem artikel

PUBG: Battlegrounds

PS4, Xbox One, PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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