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Rick and Morty: Virtual Rick-ality - Test: Verschwendung eines einwandfreien Mortys

Interstellare Gadgets, unendliche Paralleldimensionen, Macht über Zeit und Raum - und ihr steckt in der Garage fest.

Passables, kurzes VR-Spiel nach allzu bekanntem Muster. Den Humor der Serie verkaufen die Macher auf der Fäkalschiene ein wenig unter Wert.

Justin Roiland, die eine Hirnhälfte hinter der Adult-Swim-Seriensensation Rick and Morty, ist ein begnadeter Improvisator. Viele der Dialoge und Einzeiler der Sendung - darunter einige der besten Scherze - entstehen erst während der Aufnahmen. Dem fertigen Produkt merkt man es nicht an, es entstehen auch so zwischen den gemeinen Scherzen häufig genug erstaunlich geistreiche Pulp-Geschichten, aus denen engagierte Science-Fiction-Filmer noch einen abendfüllenden, coolen B-Movie machen könnten.

Schon in Roilands erstem VR-Experiment - Accounting - merkte man, wie viel anarchische Energie dieser Geist im Rahmen eines Spiels freizusetzen in der Lage ist. In Rick and Mortys erstem VR-Titel kippt die Balance jedoch in eine Richtung, die auch die schwächeren Episoden der Serie einschlugen: Ein bisschen zu anarchisch-beliebig und zu fäkalfixiziert gibt sich diese Zusammenarbeit mit Job-Simulator-Entwickler Owlchemy Labs. Natürlich, Humor ist, was ihr lustig findet. Und da tickt jeder anders, weshalb ihr vielleicht häufiger und herzhafter lachen werdet als ich. Aber ich wünschte mir, die Macher hätten für Virtual Rick-ality eines der tollen Drehbücher geschrieben, die die besten Folgen der Serie so legendär zitier- und dauerrotationsfähig machen.

In seinen besten Momenten fühlt man sich als Teil einer Serienepisode. Rick Sanchez' Gesellschaft in VR zu 'genießen' erzeugt einiges an Mitgefühl für Morty.

Und dann müssen wir immer noch darüber sprechen, dass hier zum Preis von 28 Euro niemand länger als eineinhalb Stunden beschäftigt sein dürfte (Accounting war kostenlos) und dass man vieles vor anderem Hintergrund eben schon in Job Simulator machte. Als Morty-Klon treibt ihr euch hier die meiste Zeit in Ricks Garage herum und spielt mit Maschinen und Gegenständen, die es eigentlich besser nicht geben sollte. Ihr tatscht an Plumbussen herum - die Antwort, wofür die gut sind, bleibt das Spiel leider schuldig - oder schießt mit Strahlenkanonen. Kreiert in einer Senso-Variante Micro-Universen, um Batterien damit aufzuladen (was sonst), und fusioniert verschiedene Gegenstände zu allerhand Quatsch.

Ihr repariert Ricks Raumschiff, macht seine schmutzige Wäsche und beamt euch mittels Teleports an drei weitere Orte, wo in zwei Fällen ein Rätsel und im dritten eine Schießbude zu absolvieren ist. Mit dem Game-Modul "Troy" erlebt ihr im VR-im-VR das deprimierendste Computerspiel aller Zeiten und managt dann das unweigerliche Außerirdischenproblem mit Ricks Hilfe. Rick und der echte Morty kommentieren gewohnt bissig, meistens mindestens zum Schmunzeln anregend, manchmal etwas bemüht pubertär, kommen dafür in echtem 3D aber überraschend gut zur Geltung. Das Spiel hat ein paar verdammt gute Lacher in petto, aber über dem Erlebnis hängt irgendwie das ungute Gefühl, dass man lieber der echte Morty wäre, statt als sprachloser Klon mit unendlichen Leben überwiegend an die Garage gefesselt zu sein.

Ja, da liegt ein Haufen Kot in der Schüssel. Und ja, ihr könnt damit machen, was ihr wollt. Hurra!

Die Art der Interaktionen versprüht unterdessen den gleichen "Schau-was-in-VR-alles-möglich-ist"-Charakter, den bereits Job Simulator so entscheidend definierte. Das ist hier nicht schlechter gelöst, einiges ist sogar sehr, sehr lustig geworden. Aber man kennt es eben schon, weshalb das Spiel insgesamt das Demo-Feeling niemals ganz abschütteln kann. Vieles hiervon werdet ihr schon mal gemacht haben, wenngleich natürlich nicht in exakt der patentiert wahnsinnigen Form, in der Roiland es euch vorsetzt. Ein wenig mehr Entdeckung fremder, meinetwegen auch bekannter Dimensionen wäre nett gewesen. Diese Serie schmeißt mit verrückten Ideen nur so um sich. Warum keine Rätsel um "Real Fake Doors" oder mehr Portal-Spielereien? Krombompulous Michael bei einem seiner Attentatsaufträge zu helfen, indem man sich von hinten an Wachroboter anschleicht, wäre auch eine gute Idee gewesen. Die Möglichkeiten in diesem Universum sind so endlos, dass es ein wenig frustet, derart an die Garage gefesselt zu sein, wenn man meint, das eigentliche Abenteuer finde ganz woanders statt. Aber das ist wohl das Problem: Wenn ich an Rick and Morty und VR denke, kommt mir nicht etwas so Stationäres in den Sinn wie Job Simulator, sondern die brillante, Portal-getriebene Demo von Budget Cuts.

Und dann sind da noch ein, zwei Problemchen, die mich zum Neustart des Spiels veranlassten. Ein Alien-Baby, das mir Gegenstände apportierte, hing irgendwo in der Auffahrt außerhalb der Garage fest und kam nicht zu mir zurück. Und auf dem Höhepunkt dieser neunteiligen Serie an beknackten Tätigkeiten den entscheidenden Gegenstand nicht greifen zu können, weil das Spiel ihn an einer Stelle platzierte, die man auf den benötigten 1,5 mal 2 Metern nicht erreichen konnte, provozierte eine geschlagene Viertelstunde frustriertes Herumprobieren.

Das Spiel ist immer dann spitze, wenn ihr anfangt, euch richtig in eure Rolle reinzuhängen. Wie die besten VR-Titel 'spielt' man auch hier einen Charakter und macht Quatsch, der einem in einem konventionell gesteuerten Titel niemals in den Sinn käme.

Der Wiederspielwert hält sich ebenfalls in Grenzen, auch wenn Rick und Morty am Ende ein wenig spöttisch das Gegenteil behaupten. Am ehesten reizt mich noch die Suche nach den 13 versteckten Kassetten, aber das bespielbare Areal ist einfach zu klein, als dass man sich wirklich eingeladen fühlte, hier allzu lange zu verweilen. In der Schießbude gegen intergalaktische Bürokraten nach High-Scores zu jagen, das brauche ich bei all den besseren Light-Gun-Verschnitten, die das Medium VR zu bieten hat, nun wirklich nicht.

Das klingt vermutlich alles vernichtender, als es sollte, und vermutlich verkaufe ich einige Interaktionen und Puzzles ein wenig unter Wert. Tatsächlich hatte ich meinen Spaß in der Virtual Rick-ality und musste gerade zu Beginn mehrfach heftig lachen. Es ist der Moment, in dem man durch ist mit diesem Spiel, in dem einem schlagartig bewusst wird, was daraus hätte werden können. Kein zerstückelter Spießrutenlauf eines Wegwerf-Morty, sondern ein echtes Abenteuer mit zwei der interessantesten Charaktere, die die Popkultur in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Nicht eine kompetente, aber letztlich schnell vergessene Neutapezierung eines bereits zur Genüge kopierten Konzeptes, sondern eine Doppel- oder Dreifachfolge zum Mitspielen. Ihr wisst schon, mit eigener Handlung und eigenem Spannungsbogen, der über den x-ten überkomplizierten, zynischen Plan Ricks hinausgeht, ein letztlich triviales Problem zu lösen. Der Gag wird nämlich langsam etwas alt.

Es gibt definitiv gelangweiltere, bequemere, schludrigere und schlimmer fehlgeleitete VR-Titel, tatsächlich ist Virtual Rick-ality einer der bestaussehenden und kompetentesten. Aber hier wäre so viel mehr drin gewesen, für das ich auch in Spielfilmlänge den gefragten Preis zu zahlen bereit gewesen wäre. Das ist die größte Enttäuschung an einem Spiel, dem an und für sich alles gelang, woran es sich versuchte.


Entwickler/Publisher: Owlchemy Labs/Adult Swim Games - Erscheint für: Oculus Rift, HTC Vive - Preis: 27,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Englisch - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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