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Injustice 2 - Test

Auch Helden wollen Loot. Schurken sowieso.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Eine gelungene Fortsetzung, die alles hat: Story-Modus, Multiverse, Lobbys und Tonnen an Loot für euren perfekten Helden nach Wunsch.

Sie teilen sich die Medienwelt fast schon gerecht auf. Im Kino langweilen bis erzürnen DCs Helden regelmäßig, nicht zuletzt dank der harten und hingebungsvollen Arbeit von Zack Snyder. Hier regiert Marvel absolut. Aber weder die Avengers noch die Guardians bekamen bisher den großen Titel, der auch hier aufräumen könnte, während DCs Truppe um Superman und Batman mit NetherRealm einen starken Verbündeten gefunden hat. Das Studio um die Erfinder von Mortal Kombat hat seit dem Wechsel zu Warner zu neuer Größe gefunden und liefert konsequent einen Hit nach dem anderen ab, jeder bestrebt und auch erfolgreich darin, den vorigen noch einmal zu toppen. Injustice 2 ist nicht das Spiel, das diese glückliche Reihe beendet.

Es ist natürlich auch nicht das Spiel, das jetzt alles anders macht. Es ist ein Turnier-Prügler, womit zumindest das Kern-Gameplay eine definierte Größe darstellt. Aber während andere sich manchmal etwas schwer dabei tun, sinnvollen Content um dieses Konzept herum zu entwickeln und die simple Schlichtheit des Arcade-Gedankens - in dem bis heute eine Art unverfälschte Schönheit liegen kann - fortzuspinnen, ist dies das Gebiet, auf dem NetherRealms weiter ist als alle anderen Studios.

Willkommen im Multiverse, wo nach wie vor alles möglich ist. Schließlich gibt es unendlich viele Parallelwelten. Aber keine Sorge. Batman hat das im Griff.

Nicht, dass der Kern schlecht wäre. Warum auch. Seit 2011 feilen sie abwechselnd in Mortal Kombat und Injustice an ihrer Engine und die Bewegungen der großen Figuren - diesmal in frischer, wenn auch nicht gerade atemberaubender Unreal-4-Schönheit - hat eine echte Eleganz erreicht. Nicht nur das, es ist beeindruckend, wie sehr die einzelnen Helden und Schurken in ihren Animationen das Wesen ihrer Comic-Vorlagen ausdrücken und das bei voller Kontrolle des Spielers. Die Texturen mögen nicht immer die allerbesten sein, der reine grafische Detailgrad ist sicher nicht die Fahnenspitze des Machbaren, aber diese Figuren sind nicht nur Charaktere, sie haben wirklich Charakter.

Was dann auffällt, vor allem, wenn man grade mal wieder von den schnelleren Japan-Prüglern zurückkommt, ist, wie fast schon gemächlich taktisch sich Injustice spielt. Jeder Tastendruck muss sitzen, selbst auf niederen Schwierigkeitsgraden wird jede Form des Buttonmashings gnadenlos abgestraft und selbst wenn die Specials einfach auszuführen sind, sie in der richtigen Sekunde genau im Takt in den eigenen Flow eines der über 25 Charakter einzubauen, ist eine Kunst, die gemeistert werden will. Und auch eine, die ihr zumindest in ihren Grundzügen meistern müsst, wenn ihr auch nur Kapitel Drei der mehrstündigen Story zumindest auf Mittel bestreiten wollt. Sonst wischt ein alter Bekannter mit euch in der Rolle von Harley Quinn einfach den Boden auf.

Superman vs. Supergirl: Erst hat der Man of Steel die Oberhand...

Das ist wie schon bei Mortal Kombat und beim Vorgänger Fluch und Segen des mal wieder mehrstündigen Story-Modus. Ihr bekommt eine solide Action-Story, in der zunächst Superman gemäß dieser Zeitlinie alle Verbrecher töten möchte, Batman dagegen nicht und so hauen sich ein Weilchen mal die einen, mal die anderen, bis Brainiac angeflogen kommt. Gegen einen gemeinsamen Feind prügelt es sich dann noch viel besser und nein, Injustice 2 gewinnt sicher keine Autoren-Preise. Aber als Prügler-Story war ich meine acht oder zehn Stunden bestens unterhalten. Der angedeutete Nachteil? Mit der Hälfte der Charaktere konnte ich spielerisch aber auch so gar nichts anfangen, würde sie im restlichen Spiel nach ein paar Proberunden nie benutzen, aber hier musste ich sie natürlich bis zu einem gewissen Grad ihren Stärken gemäß spielen. Zumindest war Harley Quinn früh dran, dann hatte ich sie schon mal weg.

Das ist aber auch letztlich der Sinn des Story-Modus. Ihr sollt die Figuren kennenlernen, dass Batman aus dem Tutorial zwar als Durchschnittsmix aus Distanzen und Tempo eine Kampfart darstellt, aber eben nicht die einzige. Einige Figuren erfordern mehr Präzision, andere - wie der Gorilla Grodd oder Swamp Thing, zwei meiner Favoriten dieses Spiels - lassen es eher ruhig angehen. Das ist alles nicht ungewöhnlich für das Genre, aber irgendwie erwartet man angesichts der Lizenz, den populären Kämpfern, die außerhalb der etablierten Turnier-Kämpfe ihre Heimat haben, ein zugängliches, lockeres Spiel und wie immer "enttäuscht" NetherRealms hier, indem sie ein taktisches und tiefgreifendes System aus Kontern und Specials unterschiedlicher Grade bastelten und es angesichts der teils sehr verschiedenen Stile der Kämpfer meisterlich ausbalancierten. Einmal mehr kann es also vorkommen, dass nichtsahnende DC-Fans eher unvorbereitet in diesen relativ hartgesottenen Turnier-Fighter wandern und eine etwas steilere Lernkurve vor sich haben.

...aber dank Super-Attacke schickt ihr ihn einmal durch das Sonnensystem, während Supergirl in intergalaktisch vermöbelt.

Nicht, dass sie nicht ein paar "Skills" auf Knopfdruck direkt hervorzaubern könnten. Wenn der Power-Balken vollständig geladen ist - was recht schnell geht -, wird über den Druck der beiden Trigger eine Super-Attacke ausgelöst, die zwar mehr Schönheit und Show bietet, aber auch in direkter Wirkung nicht zu verachten ist. Weit wichtiger und insgesamt auch effektiver im Tagesgeschäft sind aber die zahlreichen Konter-Möglichkeiten und vor allem das richtige Einschätzen der Reichweiten der Angriffe. Red Lantern, Atrocitus oder Grodds Schläge kommen direkt und hart auf kurze Distanzen, sie haben im Gegenzug eine schlechte Abwehr, Quinn legt dagegen einen Fernkampf-Tanz mit Waffen hin, Scarecrow ist ein Alptraum auf mittlere Reichweiten und der Joker kann gefühlt in Sekundenbruchteilen über einen langen Screen hinweg bei einem sein und dann auf kürzeste Distanz mit seinem Messer zerpflücken, obwohl er dann fast schon wieder etwas behäbig wirkt. Ein Teil der Kunst ist hier, erst mal den eigenen Kämpfer zu finden. Und ich bin mir selbst jetzt immer noch nicht sicher, ob ich mich wirklich auf einen Favoriten festlegen soll.

Die gute Nachricht bei meiner Unentschlossenheit bezüglich meines Lieblingskämpfers ist, dass Injustice 2 der Turnier-Schule folgt, in der sich die Specials aller Kämpfer weitestgehend ähneln. Spätestens nach drei oder vier Kämpfern solltet ihr alle Kombinationen aus maximal drei Richtungen und ein oder zwei Köpfen gesehen haben und sie lassen sich schnell verinnerlichen. Das lässt sich weit leichter lernen, als es zum Beispiel bei einem Kämpferwechsel in Street Fighter der Fall ist. Diese recht einheitlichen Moves dann effektiv für Tempo und Reichweite des jeweiligen Helden oder Schurken einzusetzen, ist dann die Kunst, die kaum weniger Tiefgang bietet. Das einzige System, das ich auch nach Stunden noch zutiefst verachtete, nennt sich Clash und zeigt beide Kontrahenten cineastisch im Clinch. Statt aber mit üblichen Attacken und Kontern zu spielen, ist es ein Quick-Time-Event, bei dem der Gewinner echte Vorteile bekommt. Als Angreifer wird ordentlich Schaden ausgeteilt, als Verteidiger bekommt man bis zu 30 Prozent Lebensenergie zurück. Das ist ein ziemlich heftiger Einfluss für die Leistung, vier bunte Knöpfe schnell zu drücken, kommt in mindestens jedem zweiten Kampf vor und widerspricht dem sonst beachtlichen taktischen Ansatz der restlichen Systeme. Aber zumindest sieht es hübsch aus.

Krisen: Nicht mein Favorit. Setzt in Sekundenbruchteilen teile eures Power-Balkens, um siegreich zu sein und Boni zu bekommen. Man kann es mögen, aber ich denke, es stört den Kampfablauf.

Der beste Ort, um all das zu üben, ist nicht die Story, die mehr zum Vorfühlen gedacht ist, sondern der Multiverse-Modus, in dem jeder Kampf mit ein paar zufälligen Modifikationen stattfindet. Nett ist zum Beispiel, wenn ihr Green Arrow spielt und Distanz-Angriffe mehr Schaden verursachen, schlecht, wenn ihr in so einer Runde Batman habt. Wenn der Modifikator kommt, bei dem der Screen alle paar Sekunden komplett schwarz wird - was bei mir im ersten Dutzend Runden sage und schreibe dreimal der Fall war und seitdem nie wieder -, dann sinkt der Spaß, wenn Tag-Team-Optionen dazukommen steigt er. Es ist ein wenig ein Glücksspiel, aber eines, das euch den Umgang mit den Kämpfern lehrt, wenn ihr mit ihnen auch unter widrigen Umständen bestehen könnt. Es gibt auch genug Kämpfe im Multiverse, die keine besonderen Konditionen haben, wenn euch so etwas nicht liegt, müsst ihr nicht verzweifeln.

Natürlich gibt es auch jede Menge Multiplayer-Kämpfe. Schnelle, nicht gerankte Matches, Ranking-Kämpfe, Lobbys und alle möglichen Einstellungen, um die Kämpfe so zu gestalten, wie ihr euch das vorstellt, ob nun mit oder ohne Loot-Modifikationen, bestimmten Helden oder bestimmten Regeln. Das funktioniert offensichtlich lokal gegen einen Couch-Mitsitzer, aber auch sehr gut und ohne spürbaren Lag online. Allerdings waren die Server waren zum Zeitpunkt des Tests vor dem Release nicht zu gefüllt, für die direkten Tage nach dem Release muss man sehen, was passiert. Wer sich nicht gleich traut, kann auch erst mal ein Team aus drei Kämpfern zusammenstellen, mit Loot bestücken und dann dann per KI gegen ein anderes Team antreten lassen. Da es hier auch Erfahrungspunkte für gibt und die simulierten Kämpfe sich beschleunigen lassen, ist es eine gute Art, um bestimmte Kämpfer ein wenig aufzuleveln.

Mikrotransaktionen bitte: Wollt ihr eure Loot-Items frei nach eigenem Willen modifizieren, müsst ihr Kristalle einsetzen, die euch das Spiel nur selten gönnt und die ihr sonst kaufen müsst. Es ist nicht dramatisch, ein kleines Feature fehlt euch, aber wie immer: Es gibt Dinge, die sich in Vollpreisspielen besser anfühlen als das.

Die Multiverse-Kämpfe sind dann auch der Ort, wo das Loot-System gefeiert wird. Injustice 2 liebt Loot, so sehr, dass es ein paar Grundsätze aus grauer Turnier-Kämpfer-Vorzeit über Bord wirft. Zum Beispiel, dass wenn zweimal der gleiche Charakter in den Ring steigt, beide immer die gleichen Werte haben. Ihr findet endlos Rüstungs- und Waffenteile, die immer spezifisch für einen Charakter sind und das komplett zufällig. Harte Challenges werfen etwas mehr ab, aber auch wenn ihr einfach nur vor euch hin daddelt, bleibt genug übrig. Angesichts des großen Cast von fast 30 Kämpfern dummerweise jedoch nur selten für die zwei oder drei, die euch am liebsten sind. Vor allem am Anfang scheint nur Zeugs für Helden abzufallen, die ihr partout nicht spielt und dann auch noch zehn Stufen höher sein müssten. Ja, auch die Helden leveln und zwar einzeln und bis Stufe 20. Für eine so große Truppe seid ihr da schone eine gute Weile beschäftigt, selbst wenn das Spiel irgendwann kapiert hat, welche eure bevorzugten Fighter sind und die Droprate für deren Teile zumindest dezent steigt. Ganz dezent. Und dazu kommt: Es dauert lange, bis die guten Sachen kommen. Erst der High-Level-Loot verändert den Look der Helden teilweise so drastisch wie beeindruckend und hat echte Auswirkungen auf ihre Fertigkeiten und Werte.

Ich stand dem Ganzen, sowohl den Leveln als auch dem Loot, anfangs sehr skeptisch gegenüber, aber inzwischen muss ich sagen, dass ich vielleicht noch nicht restlos überzeugt bin, mich aber doch weitestgehend dafür erwärmen konnte. Unter Turnierregeln und im E-Sport würde nichts davon funktionieren, aber das muss ja auch nicht der Grundgedanke für einen DC-Prügler sein. Der Spaß, die eigenen Lieblinge auszurüsten, zu gucken, ob einem noch nicht so geliebte Kämpfer mit ein paar Modifikationen mehr liegen, und auch hier der sichere Blick des Entwicklers auf das Balancing haben mich auftauen lassen. Eine kurze Eiszeit kehrte nur zurück, als ich auf die Kristalle stieß, von denen ihr so im Spiel alle Jubeljahre mal ein paar bekommt, weit mehr aber, wenn ihr erneut per Mikrotransaktionen die Brieftasche zückt. Pay to win? Nein, so weit geht es zum Glück dann doch nicht, aber die eine oder andere Modifikation wird euch verschlossen bleiben, wenn ihr nicht ein paar Euro extra investiert. Selbst wenn frei erspieltes Loot ähnlich daherkommt und ihr keine echten Nachteile habt, es fühlt sich nie ganz richtig in einem Spiel dieses Genres an.

Manche der Specials sind einfach Gold wert: Der Flash schnappt sich Grodd und rammt ihn per Schnellzeitreise erst in die Sphinx und dann in einen T-Rex, bevor es zurück nach Gorilla City geht.

Ich habe den Wechsel von Unreal 3 zu 4 kurz angerissen und ja, er ist deutlich, aber da wir nun auch schon ein paar Jahre der "neuen" Generationen hinter uns haben, wirkt es mehr wie ein zeitgemäßes Update als ein wirklich beeindruckendes Spiel. Am ehesten reißen es noch eine Reihe der dramatischeren Story-Szenen und die Wechsel der Arena innerhalb eines Kampfes heraus. Mitunter geht es durch zig Gemäuer, die Stratosphäre und auch mal einen Berg, bevor der so Malträtierte wieder zum Liegen kommt und der Kampf fortgesetzt wird. Diese Wechsel zu finden und zu sehen ist weit aufregender als die Super-Specials, die sich zu schnell zu oft wiederholen. Schön sind auch die Animationen im Hintergrund eines Kampfes, die mitunter fast kleine Geschichten erzählen und euch so anfangs ganz gerne mal ablenken. Das und ihr habt immer ein paar Objekte, wie zum Beispiel ein ausgestopftes Riesenkrokodil, das ihr dem anderen um die Ohren hauen könnt. Was nicht so richtig überzeugt, und das leider auch im Story-Modus, ist die deutsche Synchro. Alles nett, alles okay, aber das schön theatralische des Originals geht dieser Version leider etwas ab. Aber das macht der donnernde Soundtrack zumindest teilweise wieder wett, es bleibt also noch genug Pathos übrig, wenn Superman mal wieder eine moralische Krise verarbeiten muss.

Injustice 2 ist zum einen eine konsequente Fortsetzung alter Stärken, auf denen es geschickt aufbaut. Das Träge in den Bewegungen der Kämpfer im ersten Teil wich einem komplexen Wechselsystem aus Reichweiten und Geschwindigkeiten. Die Grafik bekam den Stupser, den sie brauchte, und die Story wirkt etwas geschliffener und verzweigt sich gelegentlich sogar weit genug, um auch hier von solidem Wiederspielwert sprechen zu können. All das ist das Material, aus dem gute Fortsetzungen gemacht werden und Injustice 2 enttäuscht hier in keiner Weise. Mit seinem Mut zu Loot und Level geht es aber einen Schritt weiter und das sogar - kleine Mikrotransaktions-Bürden mal ausgenommen - ohne zu stolpern. Wie gesagt, ich war zunächst sehr skeptisch und ein wenig bin ich es wohl immer noch, aber seine Lieblingshelden neu auszustaffieren und ihre Stärken und Schwächen besser den eigenen Vorstellungen entsprechend auszutarieren, ist in diesem Genre, diesem Umfang und dieser Konsequenz wirklich mutig. Das Ergebnis widerspricht der reinen Lehre, aber es überzeugt in Sachen Abwechslung und Langzeitspaß für alle außerhalb der ältesten Turnier-Fighter-Schule. Und selbst die sollten trotzdem und auf jeden Fall einen Blick riskieren.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Injustice 2

PS4, Xbox One, PC

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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