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Disgaea 5: Complete - Test

Komplett in jeder Hinsicht.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Inhaltlich aufgebohrter Port eines ohnehin üppigen Spiels, der sich auch technisch keine Blöße gibt. Ein idealer Begleiter für den Sommer.

Der größte Pluspunkt dieses liebevoll geschnürten Pakets ist seine bloße Existenz. Neben all den selbstverschuldeten Gründen für Disgaeas Nischendasein hatte die Serie zuletzt kein übermäßig glückliches Händchen bei der Wahl ihrer Systeme. Die zwei Spiele andauernde Vita-Liaison war grundlegend eine prima Sache, nur werden euch das nicht mehr als fünfeinhalb PSV-Besitzer bestätigen können. Das neue Zuhause auf der PS4 war eine bessere Entscheidung, der gewählte Veröffentlichungstermin im Oktober hingegen weniger. Im hochkarätig besetzten Jahresendspurt 2015 wurde der aktuelle fünfte Teil hoffnungslos zerrieben.

Nicht nur vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Aussichten vergleichsweise prächtig. Mit dem Sommerloch vor der Nase und der chronisch unterfütterten Switch im Strandurlaub-Rucksack könnte dieser Mangel-an-Alternativen-Kauf für viele von euch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Die Spiele aus dem Hause Nippon Ichi sind jedenfalls schon mit schlechteren Voraussetzungen an die Startlinie gerollt. Auch diesmal schwingt allerdings ein wenig Understatement mit, wenn sich Disgaea 5 mit einem unscheinbaren "Complete"-Zusatz begnügt, während der pummelige Klempner nebenan die Deluxe-Variante seines Kartflitzers verspricht. In diesem Fall ist der zurückhaltende Zusatz aber weniger ein Beleg für japanische Bescheidenheit als vielmehr eine angemessene Bezeichnung für diese Portierung, die bis auf alle DLC-Häppchen des PS4-Orinals keine neuen Inhalte mitbringt.

Dieser Deal ist trotzdem ein guter, wortwörtlich, denn bis heute knöpft euch Sony 35 Euro für den Season-Pass und fast das Doppelte für das eigentliche Spiel ab. Auf der Switch - sonst nicht gerade für Knallerpreise berüchtigt - gibt es diese Zusatzinhalte obendrauf, verfügbar in Minute eins und auf Wunsch abrufbereit. Von der Handvoll optionaler Szenarien könnt und solltet ihr anfangs die Finger lassen. Die ersten Schritte in diesem aus verschiedenen Netherworlds zusammengesetzten Universum sind ohnehin mühselig genug. Leichter werden sie mit den Bonus-Charakteren: Kampfmaschinen im Level-5-Nichtschwimmerbecken der ersten Stunden und für meinen Geschmack hart an der Grenze zum entwicklerseitig abgenickten Cheating. Tut euch selbst einen Gefallen und lasst sie eine Zeitlang auf der Ersatzbank, um die schier endlosen Einweisungen in Disgaeas Mechaniken nicht als unnütz abzutun, nur weil ihr während der ersten Stunden durch die Gegner pflügt.

Verschrobene Charaktere und ein paar Schmunzler, so viel mehr solltet ihr nicht von der Geschichte erwarten.

Das ändert sich früh genug - beißt lieber die Zähne zusammen, bevor es so weit ist. Nippon Ichi führt euch gemessen an den Möglichkeiten, die ihr Spiel bietet, immer noch einigermaßen behutsam an dessen Feinheiten, vom Rundenstrategie-Einmaleins über fortschrittlichere Techniken bis hin zu "Bitte WAS soll ich tun?!". Dauert nun mal seine Zeit, hier durchzusteigen. Disgaea war nie eine um noch mehr Features verlegene Serie und gemeinsam mit der Zahl im Titel ist immer auch die der integrierten Mechaniken gestiegen. Im Fünfer ist das Revenge-System die vielleicht wichtigste Ergänzung, eine durch eingesteckte Treffer und dergleichen aufgeladene Leiste, die, einmal gefüllt, einen Chibi-Berserker aus dem jeweiligen Charakter macht. Mir haben diese Vendettas mehrmals den Hintern gerettet und ich bin sicher, dass es euch ähnlich geht - wenn ihr sie denn nutzen wollt.

Disgaea bietet einen unüberschaubaren Wust an Features, Inhalten, Möglichkeiten, erschlägt euch aber nie damit. Sicher, die bloße Konfrontation mit dieser Masse ist Schock genug, doch kaum habt ihr diesen verwunden, folgt die Erleichterung: Nahezu nichts davon ist Pflicht. Ihr habt Bock, einen Schokoriegel in der Item-World zum mächtigsten Gegenstand im ganzen Universum aufzuleveln? Bitte, meinen Segen habt ihr. Die mickrige Klassenauswahl anderer Spiele reicht euch nicht? Viel Spaß mit den vier Dutzend auf diesem Modul. Alles kann, nichts muss: Die Bis-zum-Abspann-und-nicht-weiter-Fraktion unter euch kann sich nach 40 Stunden anderen Dingen zuwenden, alle anderen behalten die Speicherkarte für das Doppelte, Drei- oder Fünffache im Switch-Modulschacht. Zeit, die im Handumdrehen für das Aufleveln von Skills, Erledigen von Nebenmissionen oder das Erreichen von Maximallevel 9.999 draufgeht - pro Charakter, versteht sich. Diese Freizügigkeit zieht sich bis in den hintersten Winkel der Kämpfe, kaum minder verlegen um Abzweigungen und Abwägungen und all das. Auch hier ein Überangebot an beeinflussbaren Variablen - in Waffen transformierbare Monster, beeinflussbare Bodenplatten mit verschiedenen Boni bzw. Mali, Teamangriffe und so weiter -, das aber lediglich das ist: ein Angebot.

Vierstelliger Schaden? Eindeutig ein Bild aus dem frühen Spielverlauf. Das dreht alles noch gehörig auf.

Erst, wenn ihr all diese Möglichkeiten als freundliche Vorschläge begreift und euch aus der Grabbelkiste voller Versatzstücke ein eigenes Abenteuer zusammenzimmert, habt ihr den Reiz dieser Spiele verinnerlicht. In seinen besten Momenten (soll heißen: fast permanent) dekonstruiert Disgaea 5 sein Genre mit einem genüsslichen Grinsen. Die Inspiration durch Kollegen wie Final Fantasy Tactics oder die prägende Fire-Emblem-Reihe gehört gewissermaßen zum Konzept, hat Nippon Ichi überhaupt erst zur eigenen Interpretation veranlasst. Anstatt die Vorlagen aber Stein um Stein nachzubauen, variieren die Japaner deren Anordnung und lassen euch ein entscheidendes Wörtchen bei der finalen Zusammensetzung mitreden.

Zwischen all diesen Abzweigungen kann man allerdings auch eine falsche Einfahrt nehmen, sich verfahren und schließlich im Nirgendwo landen. Das hier gebotene Maß an Freiheit ist nicht jedermanns Sache. Wer durchchoreographierte Achterbahnfahrten bevorzugt, löst sein Ticket lieber an einem anderen Schalter. Daher ist der Vergleich zu anderen Spielen des Genres weitaus weniger naheliegend, als man vermuten könnte. Disgaea ist nicht besser oder schlechter als etwa ein Fire Emblem, es ist einfach anders. Und es gibt mehr als genug Gründe, beiden eine Chance zu geben.

Eine bessere Gelegenheit als diesen Switch-Einstand gab es dafür selten. Als eher ästhetisch denn technisch beeindruckende Angelegenheit ging der Systemwechsel auf die leistungsschwächere Nintendo-Konsole ohne jedwede Blessuren über die Bühne: Die Complete-Version macht wie alle knalligen, farbintensiven Spiele eine großartige Figur auf dem 720p-Bildschirm der portablen Daddelkiste und sieht auch in 1080p auf eurem Fernseher nicht schlechter aus. In beiden Fällen ist die Switch ihrer Aufgabe gewachsen: Ohne Murren oder Stottern schaufelt sie selbst die überdrehtesten Spezialangriffe auf den Bildschirm eurer Wahl.

Die Karten sind keine minutiös arrangierten Schlachtfelder wie andernorts, sondern eher Spielwiesen für eure Kreativität.

Dass Disgaea 5 Complete dem Hauptspiel bis auf die gesammelten Download-Inhalte nichts Neues hinzufügt, ist eher ein Qualitätsmerkmal als ein Nachteil. Zu behaupten, am Original gäbe es nichts zu verbessern, wäre zwar etwas zu viel des Guten. Dennoch ist Teil 5 in seiner Gesamtheit der bislang ausgewogenste, komplexeste und damit rundeste Eintrag - keine schlechte Leistung beim hohen Niveau der Reihe. Auf der Switch gibt es all diese Vorzüge nun auch ohne irgendwelche Abstriche gegenüber der PS4-Version für unterwegs. Nie gab es bessere Argumente, dieser Reihe endlich eine Chance zu geben.


Entwickler/Publisher: Nippon Ichi Software; NIS America - Erscheint für: Switch - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Englisch (Text); Englisch, Japanisch (Sprachausgabe) - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Disgaea 5

PS4

Disgaea 5 Complete

Nintendo Switch

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Gregor Thomanek Avatar

Gregor Thomanek

Freier Redakteur

Trinkt gern Kaffee und liebt Videospiele, im Idealfall beides auf einmal. Ist für alles zu haben, was aus Japan kommt. Hat nie Herr der Ringe gesehen und findet, das sollte auch so bleiben. Gründet irgendwann einen Ryan-Gosling-Fanclub. Hat seine Katze "Yoshi" genannt, bereut nichts. Konsolenkind.

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