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Lawbreakers: Cliffy Bs Nächstes macht Spaß, ist aber noch nicht am Ziel

Eindrücke aus der Beta-Arena.

Mumm hat er ja, das muss man ihm lassen. Cliff Bleszinski scheut sich nicht, mit seinem neuen Titel mit dem Kopf zuerst in den Schützengraben des wiedererstarkten Arena-Shooters zu springen. Unreal Tournament ist gerade dabei, aus einer etwas amorphen Free-to-play- und Community-Content-Masse seine finale Form zu schnitzen. Quake Champions steht in den Startlöchern und sieht besser aus, als man je zu hoffen gewagt hätte - und alle zwischen diesen beiden alten Streithähnen unentschiedenen Spieler griff Overwatch schon letztes Jahr mit gewinnendem Charakter ab.

Auch am verwandten Rand des Genres freuen sich Shooter-Enthusiasten über eine geradezu übertriebene Auswahl, ob nun Rainbow Six: Siege für taktischer denkende Naturen oder Titanfall 2 mit seinem exzellenten Multiplayer für Leute mit größerem Bewegungsdrang. Vom allgegenwärtigen Battlegrounds ganz zu schweigen, darauf können sich irgendwie alle einigen, vor allem aber diejenigen, denen der Konflikt nicht grandios genug sein kann. Das Angebot an exzellenten Ballertiteln mit Mehrspieler-Fokus lässt einen sogar manches Mal hadern, woran man sich als Nächstes machen soll. Und da kommt nun das Urgestein Bleszinski mit einem charakterzentrischen Shooter um die Ecke, der in diesen Pulk genau mittenrein grätscht.

So weit die Fantasie. In der Realität geht das alles so schnell, dass man fast dankbar wäre, wenn das Spiel solche Schnappschüsse von selbst festhielte.

Gut, es ist jetzt nicht so, dass man von diesem Mann erwarten würde, sich Dontnod anzuschließen, um den spirituellen Nachfolger von Life is Strange zu machen. Der bleibefeuerte Wettbewerb liegt ihm einfach im Blut. Mir persönlich wäre aber angst und bange, jetzt in ausgerechnet diesen Wassern um Spieler zu fischen. Dann wiederum habe ich allerdings auch nicht das Ego eines Menschen, der mit Unreal Tournament einst maßgeblich mitdefinierte, wie diese Art Spiel heute aussieht. So oder so hat Lawbreakers ein paar frische Ansätze, für die es sich lohnt, einen Blick darauf zu werfen, weshalb ich mir übers Wochenende die offene Beta vor die Brust genommen habe.

Overwatch ist ein Vergleich, der es wohl am besten trifft, auch wenn Lawbreakers eine Idee mehr in Richtung eines gewissen Sci-Fi-Realismus schielt. Blizzards Spiel hat diese gewisse Pixar-artige Animationsfilmschmissigkeit, Lawbreakers geht eher in Richtung Früh-2000er-Ab-18-Comic, wenngleich das Figurendesign durchaus hängen bleibt (was man von der gesichts- und schmucklosen Menüstruktur nicht sagen kann). Spielerisch stützt sich aber auch dieses Spiel mehr auf flinke Fortbewegung und Spezialfähigkeiten als auf schiere Feuerkraft. Es passt daher, dass jeder Charakter nur eine Waffe samt Sekundärfeuermodus besitzt, die durch zwei normale und einen Super-Skill ergänzt werden. Ergo spürt man direkt, welche der acht Charakterklassen man unter den Fingern hat. Neben dem jeder Figur eigenem Tempo und den Beweglichkeitswerten ändern Sprint-, Knieschlitterer, Kurzsstreckenteleport, Jetpack oder wie auf Schienen vorwärts bollernde Dampframme maßgeblich, wie man sich durch die Level bewegt.

Die Charakterdesigns können sich sehen lassen. Vergleichbare Fanfic wie Overwatch werden sie aber wohl nicht provozieren.

Dass dieses Spiel das schnelle Vorankommen auf seinen Maps als zentralen Hook begreift, merkt man auch und vor allem daran, dass die meisten der futuristischen, aber durchaus farbenfrohen Karten sich um Räume und Arenen drehen, in denen die Schwerkraft nur stark reduziert auf die Figuren wirkt. Hier gewinnt das Spiel eine regelmäßig zu breitem Grinsen anregende Dimension in der Vertikalen und verspricht in Kombination mit den individuellen Fähigkeiten viel Potenzial für himmelschreiend heldenhafte Manöver. In diesen "Low-G"-Blasen wird jeglicher Bewegungsschwung ein Stück weit konserviert, das Zusammenspiel mit Jetpack oder Energielasso beispielsweise drängt sich geradezu dafür auf, sich hier richtig auszutoben, bis man die Nuancen komplett verinnerlicht hat.

Und Nuancen gibt es zuhauf: Besonders die beiden Guerillas haben es mir angetan. Als ich gerade von einem Jetpack schrieb, verkaufte ich diesen menschlichen Düsenjäger deutlich unter Wert. Das hier ist echtes, richtiges Fliegen, mit in Kurven rollender Sicht, aber leider viel zu kleinem Tank, der zur Zurückhaltung mahnt. Die Minigun, die mit zunehmender Laufzeit präziser und schneller feuert, die explosiven Schrapnelle und der meteoritenartige Einschlag beim Ultimate des Guerilla sind einfach eine gute und auf diese Spielweise bestens abgestimmte Kombination. Es macht einfach Spaß, sich so über die Karte zu bewegen und fast jede Klasse, selbst der nahkampfbasierte Assassine, hat einen Kniff, bei dem ich dachte "Ja, da ist was dran, in das man sich verbeißen könnte".

Lawbreakers gibt sich sportlicher als die meisten anderen Spiele dieser Art.

Dass ein dermaßen auf individuelle Talente ausgelegtes Spiel nicht als Deathmatch-Vehikel taugt, ist klar, was einige gegen den Strich bürsten dürfte. Der Match-Fluss selbst ist dementsprechend je nach Modus auf spezielle Ziele zugeschnitten. Das Halten von bis zu drei Kontrollpunkten im Revierkampf zum Beispiel. Das klingt sehr gewöhnlich, grenzt sich in Lawbreakers aber insofern vom Rest dieser Gattung Modi ab, als dass Punkte nicht zurückerobert werden können. Sind A, B und C blau oder rot eingefärbt, bekommen die entsprechenden Teams für jeden Kontrollpunkt einen Zähler aufs Konto. Nach ein paar Sekunden werden die Punkte wieder freigeschaltet und der nächste Durchgang beginnt nahtlos von vorne - bis ein Team 16 Punkte erreicht hat.

Die anderen drei Modi drehen sich um das Erobern eines Spielgeräts, etwa eines Balles in der Kartenmitte, der ins gegnerische Tor getragen werden muss ("Blitzball"), eines Transmitters, der im eigenen Lager deponiert und dann beschützt werden will ("Uplink") oder einer Batterie, die es ebenfalls in der Homebase zu laden gilt ("Hochspannung"). Das ergibt insofern Sinn, als dass das Hin und Her den Bewegungsdrang der Spielfiguren gut komplementiert. In der Praxis fehlte es aber den Waffen noch an Mannstoppwirkung, sodass ich es schwierig fand, jemanden davon abzuhalten, mit dem Objekt der Begierde abzudackeln. Zudem: Sowohl im Revierkampf als auch in Uplink und Hochspannung drehen sich gute Teile einer Runde darum, sich in einem Bereich aufzuhalten und ihn zu halten, was wiederum dem durchaus zugkräftigen Drang, sich mit Tempo durch die Areale zu bewegen - und vor allem vorwärts -, ein bisschen gegenläufig war.

Technisch läuft es schon jetzt sehr rund, wenngleich natürlich nicht in der 8K-Glorie, mit der sich diese gestellten Screens hier präsentieren.

Doch das ist erst mal nur das Gefühl nach einem Wochenende. Ich bin sicher, mit besserer Karten- und Charakterkenntnis und vor allem nicht mit zufällig zusammengewürfelten Spielern, sondern Freunden, mit denen man die Rollenverteilung abspricht, kann hier ein spannendes Tauziehen entstehen. Gut genug fühlen sich die Figuren und Fähigkeiten auf jeden Fall an. Aktuell herrschte noch ein wenig Chaos. Das muss kein Beinbruch sein, bedeutet nur, dass das Spiel nicht durchweg und vor allem nicht sofort einen komplett überzeugenden ersten Eindruck macht. Handelte es sich hier um ein Free-to-Play-Spiel, bei dem der erste Augenaufschlag der wichtigste ist, will man die hoffentlich irgendwann mal zahlende Kundschaft nicht direkt wieder verlieren, wäre das ein größeres Problem.

Weitere Notizen vom Wochenende: An der Lesbarkeit der HUD-Anzeigen und dem Feedback dessen, was gerade passiert, muss Boss Key Productions noch ein wenig arbeiten, denn aktuell wirkt es wechselweise überladen und dann wiederum nicht hilfreich genug, etwa wenn man zuerst nicht begreift, dass man einen heruntergefallenen Blitzball nicht direkt wieder aufheben kann, weil er durch einen schwer erkennbaren Energieschild geschützt ist. Solche Dinge könnte man definitiv klarer vermitteln - und wenn sie schon dabei sind, könnten sie einige von den Artists, die die interessant aussehenden Charaktere entworfen haben, vielleicht noch auf die Menüs ansetzen. Die sind zwar funktional, aber man ist schon froh, wenn man endlich aus ihnen raus ist.

Cover image for YouTube videoLawBreakers | Rise or Fall
Lawbreakers - Trailer

Betas wie diese sind immer erhellend. Fakt ist, für eine kleine Neugründung von einem Studio macht Lawbreakers einen aufwendigen, gutaussehenden und handwerklich sehr soliden Eindruck. Bleszinskis Name zieht eben - in diesem Fall offenbar fähige Entwickler an. Wäre Overwatch nicht gewesen, sprächen wir hier sogar von einem sehr frischen Ansatz. Und selbst so, wie sich die Konkurrenzsituation nun gerade darstellt, punktet Lawbreakers mit einem guten Tempo in alle Richtungen, pfiffigen Gravitationsspielereien und einer schönen Prise Cliffy-Pfeffer, die es ein Stück weit alleine dastehen lassen. Nur - und auch das zeigen Probephasen wie diese - ein bisschen Zeit braucht das Spiel noch, um sein volles Potenzial zu entfalten. Gut, dass Zeit im Genre sich fortwährend von innen heraus weiterentwickelnder Service-Spiele wie diesem kein allzu knappes Luxusgut ist.


Entwickler/Publisher: Boss Key Productions/Nexon - Erscheint für: PS4, PC - Geplante Veröffentlichung: 8. August - Angespielt auf Plattform: PC

In diesem artikel

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PS4, PC

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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