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Regalia: Of Men and Monarchs - Test

Die neue Diskette vom Schulhof

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Rollenspiel mit rundenbasierten Taktik-Kampfsystem, ein bisschen Aufbaustrategie, jeder Menge Zeitdruck und liebevoller Charakterzeichnung.

Ihr erinnert euch sicher (vielleicht? Oder auch nicht?) noch an die Tage, an denen ihr nicht für wenig Geld jeden Tag ein neues Spiel auf Steam oder aus einem der Konsolen-Stores herunterladen konntet. Da gab es zwar nicht so viel Spiel-Nachschub, wenn es aber etwas Neues gab, dann musste man sich in ein Spiel auch richtig reinsteigern. Mir zumindest passierte es so schon mal, dass ich selbst nach vielen Stunden Spielzeit noch neue Features entdeckt habe. Und ebenso erging es mir jetzt wieder bei Regalia: Of Men und Monarchs, einem kleinen Indie-Spiel mit großen Ambitionen. Das Spiel steckt euch dabei in die Haut eines Thronfolgers, der nun das heruntergekommene Königreich seines Vaters wiederaufbauen muss - was umso schwerer ist, weil er neben dem Land und ein paar Gebäuden auch noch einen Haufen Schulden geerbt hat. Auf Geheiß des ehemaligen Schlossherrn, der ihm als Geist erscheint, muss er sein Königreich nun dennoch auf Vordermann bringen - obwohl Weglaufen wohl die leichtere Alternative gewesen wäre.

Ratten, immer wieder große, haarige Ratten mit nacktem Schwanz: der Lieblingsgegner jedes Rollenspielers.

Protagonist Kay ist glücklicherweise nicht alleine. Wie in vielen guten Rollenspiele stehen euch einige Mitstreiter zur Verfügung, mit denen ihr Expeditionen ins Umland unternehmen könnt und auch müsst. Denn die Schuldeneintreiber sind euch auf den Fersen, also braucht es Geld und das so schnell wie möglich. Wenn ihr euch ins Land aufmacht, wählt ihr einen Ort aus, den ihr erkunden wollt - dann schaltet das Spiel in eine Art Diagramm-Modus um. Ihr könnt dann im Multiple-Choice-Stil zwischen verschiedenen Spielsituationen wählen. Bei manchen handelt es sich lediglich um kurze Gespräche mit euren Mitstreitern, manchmal lernt ihr neue Figuren kennen, die ihr mit nach Hause nehmen und später in eure Party integrieren dürft. An anderen Stellen kommt es aber natürlich auch zu Kämpfen. Und die laufen rundenbasiert ab. Ähnlich wie bei Taktik-Spielen wie X-COM bewegt ihr dabei nacheinander eure Figuren über ein Schachbrettmuster. Jede Figur hat unterschiedliche Fähigkeiten und Ziel ist es meistens, die Gegner auszuschalten. Dabei ist es wichtig, einen gewissen Weitblick zu haben, denn einmal verlorene Lebensenergie lässt sich während des Kampfes nicht regenerieren. Allerdings sieht das Spiel eine Schild-Energie vor, die sich durch verschiedene Fähigkeiten aufbauen lässt. Bevor ihr jemanden also gewissermaßen an die Front schickt, solltet ihr ihn ordentlich aufladen. Einige Schlachten haben zudem Zusatz-Herausforderungen, für die es dann auch zusätzliche Belohnungen gibt. Üblicherweise Erfahrungspunkte - und Geld, mit dem ihr dann zu Hause im Laden neue Ausrüstung kaufen dürft.

Dieses hübsche Dorf dürft ihr aufbauen.

Über all dem schwebt allerdings das Damokles-Schwert der Zeit. Zeit ist überhaupt eure wichtigste Ressource im Spiel. Jede eurer Aktionen kostet Zeit und wie ihr euch vielleicht denken könnt, habt ihr nicht unendlich viel davon, soll heißen: Habt ihr an einem Stichtag euer Ziel nicht erreicht, kommt der Fantasy-Inkassoservice in euer Königreich, bricht euch die Knie und macht die Bude dicht. Ein ziemlich gnadenloses Game Over. Deswegen reicht es bei Regalia auch nicht unbedingt, die Fortschritte nur oft zu speichern, ihr solltet sie auch auf viele verschiedene Spielstände verteilen. Es kann vorkommen, dass ihr an Tag zehn eines Kapitels feststellt, dass ihr an Tag drei schon einen Fehler gemacht habt - beispielsweise indem ihr zu viel Zeit mit einem anderen Charakter verbracht habt. Diese Möglichkeit habt ihr in dem kleinen Dorf um euer Schloss herum fast immer und gemeinsame Zeit stärkt nicht nur die Beziehung, sondern führt auch dazu, dass sich die Charakterwerte eurer Figuren verbessern.

Neben der Zeit kommt zusätzliche Herausforderung dadurch ins Spiel, dass ihr nicht überall speichern könnt. Das geht beispielsweise bei euren Diagramm-Expeditionen nur dann, wenn ihr auf ein Lager trefft und das geschieht nicht gerade häufig, was wiederum hin und wieder ein bisschen ärgerlich sein kann. Ebenfalls ärgerlich: Die Kamera während der Kämpfe. Die lässt sich nämlich nicht drehen und nicht kippen, was dazu geführt hat, dass ich häufiger mal nicht an den Platz gelaufen bin, zu dem ich eigentlich wollte. Das Spiel schafft hier zwar Abhilfe, indem es mich zumindest im mittleren Schwierigkeitsgrad meinen letzten Zug zurücknehmen lässt - das fühlt sich aber dann doch eher an wie ein halbgarer Workaround und nicht wirklich wie eine Lösung für dieses Problem. Und weil das Ziel eurer Arbeit ja eigentlich der Wiederaufbau eines Königreichs ist, müsst ihr zwischendurch auch genau das machen. Bestimmte Rohstoffe vorausgesetzt, die ihr wiederum aus der Wildnis mitbringt, könnt ihr so etwa einem Schmied oder einem Händler ein neues Zuhause gehen. Der lässt sich dann vor Ort nieder und ihr könnt künftig nicht nur mit ihm plauschen, sondern auch nützliche Gegenstände einkaufen.

Zwischen den Einsätzen im Umland gibt's mehr oder weniger sinnvolle Gespräche mit euren Mitstreitern.

Sehr gelungen ist übrigens die Art, mit der die Entwickler den Figuren Leben eingehaucht haben. Es handelt sich dabei keineswegs um einfache Abziehbilder typischer Rollenspiel-Klassen, stattdessen hat jede einen eigenen Charakter, wird etwa leicht eifersüchtig oder ist besonders draufgängerisch. Das ist nicht nur nett, es führt in Zusammenhang mit dem Erlernen der verschiedenen Kampffähigkeiten auch dazu, dass ihr wirklich das Gefühl habt, eine Figur im Laufe des Spiels immer besser kennenzulernen. Die Dialoge wurden dabei recht humorvoll gestaltet, ohne dabei allzu aufgesetzt zu wirken. Ich möchte allerdings hinzufügen, dass die englische Sprachausgabe deutlich besser ist als die deutschen Texte, die zumindest aktuell teilweise schon ein bisschen wirken, als kämen sie aus dem Google-Übersetzer.

Ich muss ja zugeben, dass ich so meine Schwierigkeiten hatte, mich in Regalia einzufinden. Das mag einerseits am etwas schleppenden Auftakt liegen, hängt andererseits aber damit zusammen, dass ich mich von den vielen Tabellen, Werten, Diagrammen und Möglichkeiten, die mir das Spiel bot, einigermaßen erschlagen gefühlt habe. Neulingen sei an dieser Stelle geraten: Schert euch um den ganzen Kram einfach nicht, spielt drauflos. Regalia ist so ein bisschen wie ein Spiel, das ihr auf dutzendfach beschmierten Disketten auf dem Schulhof bekommen habt. Ihr habt erst mal keine Ahnung wie alles funktioniert, lernt es aber mit der Zeit automatisch. Während ihr dann spielt, platzt Knoten für Knoten - direkt im Spiel befindet sich außerdem ein recht umfangreiches Nachschlagewerk, über das ihr euch bestimmte Funktionen auch erklären lassen könnt, wenn ihr es denn unbedingt wollt.

Diese Baum-Gegner sind aus der Entfernung harmlos, können im Nahkampf aber ziemlich tödlich wirken.

Lohnt sich Regalia also? Ich sage ja. Sehr sogar. Für etwas mehr als 20 Euro bekommt ihr ein Spiel, mit dem ihr gut und gerne 30 bis 40 Stunden beschäftigt sein werdet, vielleicht noch viel mehr. Ein klassisch angehauchtes Rollenspiel, das verschiedene Genres dreist zusammenmischt, befriedigende Taktik-Rundenkämpfe zu bieten hat und nett inszeniert ist. Grafik und Sound wirken manchmal ein wenig minimalistisch, unterstreichen die Atmosphäre aber gut. Die teils etwas schwierige Kampf-Ansicht mangels dreh- und kippbarer Kamera verzeihe ich den Entwicklern da gerne. Denn Regalia hat vor allem Herz, dieses am rechten Fleck und spielt seinen Charme immer wieder gekonnt genug aus, um seine kleineren Schwächen leicht vergessen zu machen.

Entwickler/Publisher: Pixelated Milk/Klabater - Erscheint für: PC, PS4 - Preis: 22,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutscher Text, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

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