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Uncharted: The Lost Legacy - Test

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

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Spielerisch mag nur ein wenig Stealth die bekannten Bahnen erweitern, als neues Team haben Chloe und Nadine jedoch beste Chancen.

Ich kann mir einfach keinen Uncharted-Film vorstellen. Oder doch? Eigentlich ist der erste Indiana Jones ziemlich genau The Lost Legacy. Aber wovon auch das "kleine" Spin-off wunderbar lebt, was es eben zu mehr macht als einer netten Non-Stop-Action-Schlacht - die es natürlich auch ist -, das ist die Chemie der Hauptfiguren. Sicher, das Trio Nathan, Sully und Elena ist ziemlich unschlagbar, wenn es um den Actionfilmcharme geht, aber Chloe und Nadine stehen da nicht weit an. Sie brauchen ein wenig, aber man hat sich ja auch mehr oder weniger gerade erste kennengelernt. Sie finden sich und acht bis zehn Stunden später, wenn der obligatorische High-Five gegeben wird, dann haben wir ein valides neues Duo, das auf die gleichen Abenteuer gehen kann, eine gute Chemie gefunden hat und nicht weniger Spaß an all dem Klettern, den Explosionen, Rätseln und Schießereien hat.

Eine Freundschaft, die im Ungewissen beginnt.

Sicher, der Weg dahin ist manchmal holperig. Vor allem Nadine, in Teil 4 noch die super-toughe Söldneranführerin, scheint etwas verloren in der Welt, die zuvor Drake gehörte. Wenn sie irgendwo klettert: "Ist das gefährlich?". Sie schwingt sich über einen - zugegebenermaßen gewaltigen - Abgrund: "Das war das Verrückteste, was ich je tat". Und es ist hier immer Chloe - weibliche Hauptrolle Teil 2, Gastauftritt Teil 3 -, die dann die Coole gibt. Es wäre weniger auffällig, wenn Nadine die Gefechte beherrschen würde, aber das wäre spielerisch schwierig: Ihr sollt ja schließlich die meisten Feinde erledigen, nicht die viel kampferprobtere KI. Und so gibt es bis zur Mitte und auch ein wenig darüber hinaus ein seltsames Ungleichgewicht, das sich erst einpendeln muss. Das tut es dann zum Schluss und alles ist gut. Aber wie gesagt, es war etwas holperig.

Was die eigentliche Handlung angeht: Es ist ein komplexes Geflecht verwobener Fäden, das sich als tiefgreifender Einblick in die Psyche... Ah, Blödsinn, es ist Uncharted. Es gibt eine Legende, einen mystischen Ort, einen Schatz und einen Bösewicht, der den auch haben will. Immer geradeaus, nur nicht anhalten bitte. Und warum auch nicht. Man suchte sich mit der Legende einer verlorenen indischen Hochkultur eine schöne Sage heraus, brachte sie in einen glaubwürdigen Kontext, gibt erstaunlich viel kleine Infohäppchen zu Göttern und Dämonen am Rande mit und bringt das alles visuell umwerfend auf den Screen. Ganz ehrlich, wenn Indy 4 sich diese Geschichte eins zu eins gegriffen und genauso umgesetzt hätte, der Film wäre vielleicht gefeiert worden. Im Gegensatz zu was auch immer es war, was da mit dem Kristallschädel getrieben wurde. Es ist aufregend, es zieht sich im Showdown wie immer ein wenig zu lang, endet dann aber umso befriedigender, wenn der letzte Schlag gelandet ist. Globetrotting fällt diesmal aus, es ist alles eine Nummer kleiner als bei vorherigen Uncharteds, aber als das, was es ist, ist es tadellos in diesem Bereich.

Kleines Spin-off? Kann man ein Spiel irgendwie 'klein' nennen, das solche Ausblicke auf regelmäßiger Basis bietet?

"Es ist Uncharted" ist aber auch ein Satz, der wieder ohne Umschweife für das Gameplay gilt. Ihr habt den bekannten Mix aus Laufen, Gucken, Klettern, Rätseln und Kämpfen, der sich in meist recht übersichtlicher Abfolge wiederholt. Wenn ihr eine Viertelstunde herumgeklettert seid, ein Rätsel hattet und weitergeht, wisst ihr, dass gleich ein paar Feinde irgendwo lauern. Und das Spiel enttäuscht dabei nie. Natürlich ist das auch alles im nicht mal weitesten Sinne linear. Ihr dürft zwischen zwei Säulen zum Hochklettern wählen, aber der Weg führt einheitlich weiter. Selbst in dem offenen Bereich, einem längeren Abschnitt nach den ersten zwei Stunden, ist das Ziel klar und um es zu erreichen, müssen drei Dinge getan werden. In welcher Reihenfolge ihr sie tut, das ist eure Sache. Ob ihr dazwischen noch ein paar optionale Schätze holt, auch. Aber am Ende geht es einen Weg weiter zum Finale. Ich kann nicht sagen, dass ich damit ein Problem habe, wenn diese Serie das macht. Uncharted ist ein Meister des guten Timings, des wirklich unterhaltsamen Small-Talks zwischen seinen Figuren und schlicht und ergreifend einfach tadellos, wenn es darum geht, die Geschichte zu erzählen, die es loswerden möchte. Dafür braucht man keine offene Welt und eigentlich nicht mal den Auslauf, den Lost Legacy bereit ist zu geben.

Der Punkt, der sich wohl am meisten unterscheidet, ist der Kampf. Während das Klettern, Seilschwingen und andere Elemente der Erkundung ziemlich identisch wie in Teil 4 funktionieren - weder besser noch schlechter - und nichts dazukam, setzen Chloe und Nadine viel mehr auf Stealth, als Nathan und Sully, die Haudraufbrüder im Geiste, es jemals taten. Gut so, denn selbst auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad ist ein Feuergefecht viel unvergebender. Ihr könnt Feinde aus der Deckung heraus markieren und habt nun in den meisten Gebieten eine Menge hohes Gras, in dem ihr nicht nur nicht gesehen werdet. Es fällt auch nicht auf, wenn eine wandernde Wache lautlos darin verschwindet. Dieses Element kennt man aus zig anderen Spielen, es funktioniert hier sehr gut, zumal die Bereiche durchaus damit im Hinterkopf entworfen und clever konstruiert wurden.

Ihr habt ein offenes Gebiet, in dem ihr euch aussuchen dürft, wo es zuerst hingehen soll.

Was jedoch auffällt ist, dass die KI manchmal mit sich selbst nicht klarkommt. Während es für euch eine sehr gut abgewogene Herausforderung ist, nicht gesehen zu werden und zuzuschlagen, wenn der Moment passt, scheint Nadine manchmal etwas zu großzügig davonzukommen. Sie tut auch ihren Teil und schaltet hier und da, manchmal auch sehr spektakulär, einen Feind aus. Manchmal tut sie das vollkommen frei im Sichtfeld von ein oder zwei Wachen, die aber keinen Alarm auslösen, weil die KI ja selbst im Stealth-Modus gegen sich kämpft. Es ist ein fast schon drolliger Immersionsbruch, der mich manchmal schmunzeln ließ, als er mich daran erinnerte, dass all das eben kein Actionfilm ist, sondern ein Spiel, dessen Routinen 2017 noch nicht perfekt sein können. Es ist wohl auch ein Kompliment an Uncharted, dass es mich das so oft vergessen lässt.

Auch der Nahkampf unterscheidet sich grundlegend vom großen und kräftigen Nathan, der locker 20 oder mehr Kilo extra auf die Waage bringt - und da er sich mit zwei Fingern an Klippen hochzieht, können wir hier wohl von Muskeln ausgehen. Die fast zierliche, drahtige Chloe stellt sich nicht wie ein Preisboxer vor den Gegner, sondern springt ihn sehr direkt an, nutzt Tritte und lässt die Feinde nicht zum Zuge kommen. Gelingt es diesen jedoch, sie zu packen, braucht ihr wertvolle Sekunden, um euch zu befreien und zu kontern oder zu entkommen. Das Ergebnis ist sehr viel dynamischer, fließender und am Ende einfach spaßiger als das sehr träge Boxen der vorherigen Teile.

Die Bonusfilter haben es wieder in sich und ein Durchgang mit Cel-Shading steht auf jeden Fall noch auf meiner To-do-Liste.

Was ein wenig lustlos daherkommt, sind die Rätsel. Wiederum, Uncharted 4 ging in die Vollen, dachte sich unglaubliche Piratenrätsel aus, die nicht so clever wie manches aus The Witness waren, aber sehr atmosphärisch eingebunden. Hier gibt es zwar einen netten "Der bußfertige Mann kniet"-Moment, aber das meiste sind eher schlichte Dreh- und Schiebe-Puzzelchen. Teilweise visuell sehr nett dargestellt, aber trotzdem fühlt es sich an, als hätte man am Ende eines langen Entwicklertages einfach nicht die zündende Idee gehabt und das Ganze schnell noch mit ein paar Bildchen zum Drehen abgefertigt. Als Abwechslung im Spielverlauf definitiv willkommen, aber sicher nichts für die Uncharted-Geschichtsbücher.

Ist der Abspann durchgelaufen, hattet ihr ein Spielerlebnis, das man einmal in das recht Licht rücken sollte. Ihr werdet wahrscheinlich sagen "Ja, das war ein nettes kleines Spin-off für Uncharted. Nicht ganz die Hauptreihe, bisschen kurz, aber war gut". Wenn dieses Spiel nicht Uncharted hieße, von einem anderen Studio käme und ansonsten genau dieses Spielerlebnis auf diesem Level bieten würde... The Lost Legacy würde feiernd auf Händen getragen werden. Aber so ist das halt mit Erwartungen und wer so vorlegt, wie Naughty Dog das immer wieder tat, muss halt damit leben, dass des einen Meisterwerk des anderen nettes Spin-off ist. Das übrigens grafisch weitestgehend auf einem Nenner mit Teil 4 liegt. Also eines der schönsten Spiele ist, die ihr aktuell sehen werdet. Ich würde sogar sagen, dass die Panoramablicke nun noch beeindruckender sind. Definitiv wieder ein Spiel, das völlig zu recht mit einem umfangreichen Fotomodus gesegnet wurde.

Das neue Duo. Bereit für alles, was Uncharted uns als Nächstes zu bieten hat.

Aber ja, habt ihr diese acht bis zehn Stunden erlebt, ist noch nicht Schluss. Erst einmal habt ihr den vollständigen Multiplayer-Modus aus Teil vier mit dabei, das heißt eine ganze Reihe Modi, Maps und Charakterskins in einem der unterhaltsamsten Multiplayer eines Spiels, das eigentlich keinen gebraucht hätte. Dazu kommt der Survial-Koop-Modus als weiteres Dreingabe-Goodie - relativ, ihr braucht natürlich Goldstatus - oder ihr versucht das Hauptspiel noch mal mit Modifikatoren. Wie Teil vier habt ihr nicht nur fünf Schwierigkeitsgrade, es gibt auch witzige kleine Cheats wie eine veränderte Schwerkraft oder unendlich Munition. Fast ein Dutzend Grafikfilter warten darauf, zumindest mal ausprobiert zu werden - Cel-Shading sieht fantastisch aus, 8-Bit und Regenbogen sind auf jeden Fall einen Blick wert - und ein paar Skins und anderer Krams runden das Paket ab.

Was wir hier haben, könnte der berühmte Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Chloe und Nadine haben den Kennenlernteil hinter sich gebracht, sie hatten ihre Konfrontation, aber der zweite Akt verlief wie erwartet. Und so stehen sie nun bereit, das Zepter zu übernehmen, nachdem sich Nathan in den wohlverdienten Ruhestand zurückzog. Die Chemie zwischen ihnen passt, sie haben genug trockenen Witz und ihre Feuertaufe mit Bravour gemeistert. Sicher, sie hatten es etwas einfacher, denn vor allem spielerisch hat der Titan der Nathan-Quadrologie eine breite Schneise gebahnt, der man leicht folgen kann. Details im Kampf und etwas mehr Stealth machen da sicher kein neues Spiel draus. Aber das war auch nicht nötig. Als das überlebensgroße Abenteuer an mystischen Orten mit Figuren, denen man gerne durch Dick und Dünn folgt, kann es derzeit kaum ein Konkurrent selbst mit diesem "kleinen" Uncharted aufnehmen. Wenn also das Zepter nun wirklich an Chloe und Nadine übergeben wurde, habe ich nur eine Frage: Welchen Schatz holen wir uns als Nächstes?

Entwickler/Publisher: Naughty Dog / Sony - Erscheint für: PlayStation 4 - Preis: ca. 40 Euro (Download)- Erscheint: 23.8.17 - Getestete Version: PS4 - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Nein

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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