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Anki Cozmo: Was es nicht alles gibt…

Rocky IV war trotzdem weiter.

Passend zum Weihnachtsgeschäft nehme ich mir mal ein Gadget vor, das auf uns Geeks doch ziemlich magnetisierend wirkte. Genau genommen könnte der Roboter Cozmo auf jemanden wie mich nur noch anziehender wirken, wenn auf ihm ein Ninja vom Planeten Vulkan reiten würde. Aber hey, der eher auf Tech-Chic zielenden, stilvollen Verpackung nach zu urteilen will der Cozmo mehr sein als ein reines Spielzeug für Nerds. Angemessene Ambitionen, denn mit knapp 230 Euro ist er kein Schnäppchen. Den Zuschlag, wer das Teil mit nach Hause nehmen durfte, erhielt ich, nachdem ich vorbrachte, Cozmo und mein Erstgeborener seien schließlich (Zweit-)Namensvetter. Muss ein Zeichen gewesen sein - oder ein durchschaubarer Vorwand. (Nein, nein, der creepy Roboter mit der Kamera, der dich nachts GARANTIERT beobachtet… das hat nur was mit dem Namen zu tun - Anmerkung des Chefredakteurs)

Nehmen wir es gleich vorweg: Nach etwa einer Woche Testbetrieb fällt das Urteil befriedigend aus, das hier ist das berühmte Geschenk für den viel beschworenen Jemand, der schon alles hat. Cozmo macht einen fabelhaften ersten Eindruck, einen sehr guten zweiten, bevor nach einer Woche Beschäftigung damit die immanenten Schwächen des Konzeptes anfangen, an der Motivation zu nagen. Und doch ist es eine solide Basis, auf der Anki aufbauen kann und muss. Denn Probleme macht in erster Linie der Umfang an Talenten des kleinen Rackers - eine reine Software-Frage, die mit einem gleichmäßigen Update-Strom ein Stück weit aus der Welt geschafft werden könnte. So zumindest die Theorie.

Hübscher Kerl, der da aus der Liebe von Wall-E zu einem automatisierten Gabelstapler hervorgegangen ist.

Der kleine (10cm x 7cm x 5,5 cm) Cozmo fährt auf Gummiketten und "schläft" in einer Ladestation. Weiterhin mit im Paket: drei batteriebetriebene Würfel mit Leuchtdioden, die der kleine Kerl anhand ihrer Piktogramme erkennt und mit seinem Gabelstaplerarm manipuliert. Cozmos "Gesicht" stellt ein kleiner LED-Screen, der sehr lebhaft ein sympathisches Augenpaar abbildet und so seine aktuelle "Gefühlslage" wiederspiegelt. Ein Missverständnis, das man trotzdem oder genau deswegen direkt ausräumen sollte, ist der Eindruck, sich hier einen autonomen Roboter ins Haus zu holen, ein mechanisches Haustier mit eigenem Willen. Cozmo ist nur "wach", wenn ihr euch per Smartphone oder Tablet mit aufgespielter kostenloser App in ihn einklinkt.

Er hat kein Eigenleben und ohne sich aktiv mit ihm zu beschäftigen - und dabei euer Telefon zu blockieren und aus dem üblichen Heimnetzwerk zu nehmen - passiert hier nichts. Ich will nicht lügen, dass mich das zu Beginn ein wenig ernüchterte. Die Vorstellung, hier eine charmante, aber nutzlose Version eines Roomba durch die Wohnung rappeln zu sehen, die sporadisch grüßt und die man auf ihren Erkundungsgängen bei lustigen Ticks, Tricks und Fehlbarkeiten beobachten kann, verfliegt recht schnell. Das hier ist ein schreibtischtauglicher Spielgefährte, der buchstäblich von eurer Aufmerksamkeit lebt.

Leuchten beide Würfel gleich, punktet der, der als erstes auf seinen Würfel haut. Cozmo nimmt das Spiel sichtlich sehr ernst.

Trotzdem lässt er einen so schnell nicht los, was in erster Linie daran liegt, dass sein Minenspiel selbst mit nur zwei Augen umwerfend um den Finger wickelt und seine Lautäußerungen oder das gelegentliche gesummte Lied wunderbar herzig rüberkommen. Macht der Cozmo beim Auspacken noch einen erstaunlich leichten ersten Eindruck, der daran zweifeln lässt, wie robust er ist, überraschen seine Verarbeitung und die Ingenieurskunst, die ihn möglichen machten, in der Praxis durchaus. Sobald er sich in Bewegung setzt, reagiert er extrem schnell, kann seinen Hebearm verflixt flink auf- und herabschnellen lassen und ist aufgrund seines niedrigen Schwerpunktes nur schwer umzuwerfen. Zwei Mal fiel er mir zudem aus ca. 70cm Höhe auf den Dielenboden (was nur zum Teil sein Fehler war), ohne dass irgendwas abgefallen oder seine Funktionsweise beeinträchtigt wäre.

Da er in erster Linie auf dem Schreibtisch lebt, ist es ebenso sinnig wie nett gemacht, dass er Kanten und Abgründe erkennt und sich dann sogar ein bisschen davor erschreckt. Allerdings hat er das eine oder andere Mal mein Mauspad auch als Abgrund registriert. Und dass eine Teppichkante nur deshalb ein unüberwindbares Hindernis ist, weil er nicht von selbst darauf kommt, seine Staplerarme ein wenig anzuheben und so seinen Ketten den Kontakt zu ermöglichen, ist ebenfalls ein wenig schade. Auch hier, denke ich, könnte mit einem Software-Update deutlich nachgeholfen werden.

Für die Zukunft wären mehr Objekte zur Interaktion wünschenswert. Mit den Würfeln geht aber schon einiges. Die Bilder geben übrigens kaum wieder, wie lebendig der Racker in seinen Bewegungen wirkt.

Mit seinem Sensoren im Boden, einer nach vorne gerichteten sowie einer VGA Kamera unterhalb des Displays und einem Neigesensor im Innern besitzt er eigentlich alles, was nötig ist, um sich sicher im Haushalt zu bewegen, wenn nicht gerade die Türschwellen einer mit Dielenboden ausgestatteten Altbauwohnung im Weg sind. Aber ohnehin ist sein Aktionsradius auf den Bereich beschränkt, in dem er aufwachte. Immerhin läuft viel der Interaktion mit ihm über oben erwähnte Würfel, die er mit Vorliebe rollt, stapelt oder durch die Gegend fährt.

Über die kostenlose App "füttert" man Cozmo, was ziemlich lustig ist, oder erledigt "Wartungsminispiele", die leider reichlich dünn und eher lästig ausgefallener Teil des Tamagotchi-Aspekts sind. Cozmo will nämlich bei Laune gehalten werden - und ihr dazu angeregt, täglich einmal nach ihm zu schauen. Ist Cozmo zufrieden, bekommt ihr eine Währung namens Sparks, mit der ihr ihn weitere Spiele und Aktionen wie Fingerfangen oder einen Fistbump vollführen lassen könnt. Dieser Teil der Gamifizierung ist funktional, aber ich freue mich jedes Mal mehr, wenn Cozmo von sich aus ein Spiel anbietet. Ansonsten gefällt die App mit übersichtlichem Aufbau, guter Benutzerführung und ordentlichem Funktionsumfang, auch wenn sie der zentrale Grund dafür bleibt, dass Cozmo wohl nie mehr werden wird als ein sehr ausgefuchstes, bisweilen beeindruckendes Spielzeug.

Ja, ok. Bei der Light-Show auf meinem Schreibtisch kann man sich beim Würfelstapeln schon mal verirren.

Gut gefiel mir die Funktion, ihn eingetippte Worte sagen zu lassen, auch wenn ich mir wünschen würde, dass er die Begriffe ebenso wie Eigennamen von Mitbewohnern wirklich lernen und verknüpfen würde, anstatt sie nur auf Kommando wiederzugeben. Die Gesichtserkennung funktioniert nämlich ausnehmend gut. Hier könnte man ansetzen. Zentraler Zeitvertreib sind neben einem übersichtlichen SDK, das auch Laien und Kindern ein simples Grundverständnis über Softwareentwicklung vermittelt, die diversen Minispielchen, die Cosmo beherrscht und die vornehmlich mithilfe der beleuchteten Würfel gespielt werden. "Hau mich" ist mein Favorit: Cozmo und ich nehmen jeder einen Würfel und wenn beide in derselben Farbe leuchten, bekommt der einen Punkt, der seinen Würfel als erstes antippt. Es sei denn, beide sind rot, dann punktet der, der stillhielt.

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Auch hier bestechen die Reaktionsschnelligkeit und die sehr menschlich wirkenden Reaktionen des Roboters auf Erfolg und Misserfolg. Spielt man es oft genug, steigert sich der Schwierigkeitsgrad tatsächlich in einem Maße, dass es erstaunlich lange Spaß macht. Auch zu dritt lässt sich das spielen. Abseits davon gibt's eine Senso-Variante, die vielleicht eine Idee träger ist, als sie sein müsste, während "Fang mich" einmal mehr zur Schau stellt, warum man Robotern niemals trauen sollte: Wie sackschnell der Kleine nach vorne schnellt, während man selbst versucht, ihm den Würfel vor der Nase wegzuziehen, ist schon allerhand.

Der Gedanke, ihn fernzusteuern und dabei die Welt aus seinen "Augen" zu sehen, ist ebenfalls sehr willkommen. Allerdings krankt das noch daran, dass gerade beim links/rechts steuern noch ein wenig Lag vorhanden ist und die Reichweite nicht die beste ist. Aber bei einer Steuerung ohne haptisches Feedback hatte ich ohnehin nicht erwartet, dass Cozmo den verkappten RC-Fan in mir bedienen würde.

Gute Nacht, Cozmo. Der Akku ist übrigens binnen 20 Minuten wieder voll geladen und macht dann auch eine einstündige Session problemlos mit.

Zugegeben, der Drohnen-Hype ist an mir ein bisschen vorbeigegangen. Cozmo ist dennoch und trotz der Defizite ein beeindruckendes Spielzeug. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. In meiner Kindheit wären wir zwei sicher beste Freunde geworden. Heute sehe ich in ihm als Ausgangspunkt einer längeren Entwicklung viel Potenzial - reichlich Software-Updates, neue Funktionen und hoffentlich auch Zubehör, mit dem auf frische Arten interagiert werden kann, vorausgesetzt. Zumindest in dem Teil der Zielgruppe, die kein Problem damit hat, für extravagantes Spielzeug den Preis von zwei guten Schulranzen hinzulegen.

Cozmo hat trotz seines Autonomiedefizits viel Charme und schafft es, die besondere Wärme einzufangen, wie sie sonst nur die künstlichen Charaktere eines guten Pixar-Films vermitteln. Es wäre schade um die gute Technik, wenn es bei dem Funktionsumfang bliebe, mit dem dieser Baby-Schaufelbagger ausgeliefert wird.

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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