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Far Cry 5: Zwei Stunden in Ubisofts Karikatur von Donald Trumps Amerika

Vertraut und doch so anders.

Ich bin noch nicht sicher, wie politisch Far Cry 5 wirklich werden will. Im Kern vermutlich nicht allzu sehr, auch wenn es direkt zu Beginn meiner Anspielsession einen wildgewordenen Elch als "Judge Moose" im Rahmen einer Nebenmission zum Abschuss freigab. Es zeichnet mit seinem von Kultisten belagerten Hope County, Montana, trotzdem das Bild zutiefst gespaltener USA und wirkt damit topaktuell und brandgefährlich. Der gespielte Ausschnitt war nur wenige Stunden nach dem Start der Geschichte und der fehlgeschlagenen Verhaftung des Sektenführers "The Father" angesiedelt.

Als Deputy-Sheriff beginnt ihr, Hope County auf die harte Tour zu befreien, und bedient euch dabei der vertrauten Far-Cry-Mittel. Schon jetzt zeichnet sich ab: Gewollt oder nicht und so tragisch es ist, die zuletzt trotz drastischer Szenarienwechsel etwas festgefahren wirkende Reihe zieht viel Energie aus der aktuellen Lage in den Staaten, die selten weniger vereinigt wirkten als heute.

An Aktivitäten herrscht in Hope County kein Mangel. Und natürlich sind auch Fallschirmsprünge und der Wingsuit wieder mit dabei.

Sie viel gleich blieb - das hier ist vom ersten Schritt an unverkennbar Far Cry -, so viel hat sich seit Primal geändert. Erstmals wählt ihr selbst das Geschlecht des Spielcharakters. Das bringt gleichzeitig mit sich, dass der Avatar diesmal stummer Protagonist bleibt, den man allenfalls ächzen und stöhnen hört, wenn es hart auf hart kommt. Damit bleibt uns die in der Vergangenheit oft wechselweise langweilige oder schlichtweg unsympathische Charakterzeichnung des Spieler-Alter-Egos erspart. Ebenso sah ich während des Anspielens nicht ganz so abgehobene NPCs und Widersacher. Gut möglich, dass Ubisoft diesmal alles ein bisschen geerdeter angehen möchte. Dann wiederum - die Jagd auf Judge Moose machte mit ihren drogeninduzierten Halluzinationen jetzt nicht zwangsläufig den Eindruck, dass man der einstigen Verschrobenheit komplett abgeschworen hätte.

Nach ein paar Augenblicken im Skill-Tree fällt dagegen auf, dass man Elche, Stinktiere und Bären nun nicht mehr erlegt, um aus ihren Häuten Inventar-erweiternde Täschchen zu häkeln. Allem Anschein nach wird das nun über Skill-Punkte erledigt, die man sich im Verlauf von Missionen oder beim Befreien von Außenposten verdient oder in Shops kauft. Ganz sicher konnte ich mir am Ende meiner actionreichen Session nicht sein. Zwei Stunden sind kurz, wenn ein Spiel so voller Aktivitäten und Systeme steckt. Sicher ist: Far Cry 5 stützt sich weiter auch auf das Outdoor-Survivalist-Feeling der Vorgänger.

Weites Land - und viel Wild, das es auch aufeinander abgesehen hat. Hier passiert viel bekloppter Kram. Einen Stier ein Auto von der Straße rammen zu sehen, das ist nur der Anfang.

Diesmal gibt's sogar ein voll ausgewachsenes Angelspiel. Gewässer finden, nach Fischen Ausschau halten, Köder wählen, Rute auswerfen und rechtzeitig anschlagen, sobald einer beißt. Dann beginnt ein Kampf gegen den wilde Haken schlagenden Wasserbewohner. Zieht die Rute in die Gegenrichtung, holt die Leine ein und beachtet, nicht zu viel Kraft auszuüben, damit die Schnur nicht reißt. Wie viel Tiefe hier drin steckt, ist noch schwer zu beurteilen. Dass man sich aber beim Angeln weiterhin frei bewegen darf, ist ein netter Touch. Wir werden sehen, wie viel Substanz das Minispiel auf den Gräten hat, wenn ich im fertigen Spiel mal etwas anderem als einer Forelle begegne.

Die Beute verkauft man in Läden und wenn die in den eroberten Außenposten versteckten Geldstapel eines andeuten, dann dass harte Dollars tatsächlich deutlich wichtiger sind als im Himalaya oder auf Vaas' Inselarchipel. Thematisch ist das nur passend. Was auch für die zahlreichen Doomsday-Prepper-Verstecke gilt, die teilweise gut versteckt sind. Ohne meinen Koop-Partner wäre mir die eine Bodenluke am Rande eines Feindes-Camps gar nicht aufgefallen, denn auf ihr war ein Anhänger geparkt. Es war ein kurzer "Ob-das-wohl-geht?"-Moment, als ich in den Pick-up-Truck in der Nähe stieg und unter Anleitung meines Mitspielers rückwärts Richtung Anhänger zurücksetzte. Und siehe da, der dockte prompt hinten an meinem Laster an und ließ sich von der Luke ziehen.

Ein bisschen Sorge habe ich, ob die Geschichte dem schwierigen Thema gefährlicher Religiosität gerecht werden kann.

Der im Erdreich eingelassene Container bot nicht nur ein schönes Bild davon, wie sich ein Apokalypse-Fanboy sein Dasein nach dem Weltuntergang vorstellt, sondern auch eine weitere Leiter, die in eine Garage führte, zu der ich zuvor auf Teufel komm' raus keinen Zugang fand. Die Ausbeute? Klar, stapelweise Dollar. Aber auch einige Magazine, die zu verkaufen sich lohnte, und ein besonders biestig aussehender Allrad-Truck. Es war ein wirklich guter Erkundungsmoment, der Rätseln, umgebungsbasiertes Geschichtenerzählen und Belohnung perfekt vereinte.

Strukturell schaut Far Cry unterdessen in Richtung Ghost Recon Wildlands, ohne allerdings so irrsinnig und geradezu überflüssig groß zu sein, was ich ausdrücklich begrüße. Das Land wirkt auf gute Art überschaubar, voller interessanter, individueller und dabei trotzdem natürlich wirkender Orientierungspunkte. Drei dem Father unterstellte Anführer beherrschen jeweils ihre eigene Region und in jeder einzelnen erledigt ihr Quests, um die redlichen Bürger zum Widerstand anzustacheln. Wie gut euch das gelingt, bemisst ein "Resistance Meter", und ist das voll bis zum Rand, kommt der jeweilige Captain aus seinem Loch gekrochen. Eure Gelegenheit zuzuschlagen. Hoffen wir, dass sich das Entthronen eines dieser Bosse auch spielerisch ein wenig auswirkt und man nicht nur wie in Wildlands eine Art Checkliste abhakt.

Ein Bild, das ich ungern als typischen Screenshot bezeichnen würde, das aber trotzdem gut auf den Punkt bringt, was in Hope County teilweise los ist.

An Assassin's Creed Origins und damit ein weiteres Ubisoft-Spiel erinnerte unterdessen, wie zuverlässig das Spiel in Sichtweite neue interessante Punkte platzierte, die gekonnt vom Weg weglockten, den man eigentlich eingeschlagen hatte. Open-World richtig, richtig gut gemacht. Diesmal sogar ohne die berüchtigten Türme, weil Ubisoft diese Art der Kartenaufklärung nicht mehr organisch genug fand. Stattdessen redet ihr nun mit NPCs, die neben neuen Aufträgen auch immer "Intel" parat haben und dadurch ein paar Kleinigkeiten auf eurer Karte eintragen. Das soll dazu auffordern, sich mehr mit Land und Leuten auseinanderzusetzen. Und natürlich notiert euer Charakter sich auch selbstentdeckte Dinge auf der Map.

Einmal mehr bestach, wie gut die einzelnen und auf den ersten Eindruck sehr individuell gebauten Außenposten gestaltet sind. Es sind wieder richtig kleine Level für sich, die hier regelmäßig über das Land verteilt sind. Es macht wahnsinnig Spaß, gerade im Koop, sich ein besonders schwieriges Camp auszugucken, Gegner zu markieren und dann in Arbeitsteilung einen Spieler die Scharfschützen auf den Dächern killen zu lassen, während man selbst schleichend die Alarmanlage sabotiert, bevor man Granaten und C4 sprechen lässt, um den Widerständlern Einlass in die neue Bude zu verschaffen.

Feuer spielt auch im fünften Far Cry wieder eine große Rolle. An einer Stelle legte ich eine Feuerwand, um meine Verfolger abzuhängen. War das nötig? Schwer zu sagen. War es cool? Worauf ihr einen lassen könnt!

Spielt man alleine, darf man auf die Unterstützung zweier KI-Buddys setzen, denen man mit Steuerkreuz links beziehungsweise rechts kontextabhängige Befehle erteilt. Funktionierte bisher ziemlich gut, mit Ausnahme von zwei Situationen, in denen Neill (so hieß er, glaube ich) einen Berg herunterfiel und sich so schwer verletzte, dass ich ihm aufhelfen musste. Aber trotzdem ein schönes System, zumal die Helfer aufleveln und neue Perks freischalten, die sich auch auf euch auswirken. Ein befreundeter Scharfschütze sorgte nach einem Levelaufstieg etwa dafür, dass ich schwieriger zu entdecken war. Doch nicht nur Distanzkämpfer gibt es. Auch Leute fürs Grobe oder einen Hund, der Feinde für euch markiert, könnt ihr einstellen.

Das alles verpackt in eines der eleganteren Bewegungssysteme und ein beschwingt Actionfilm-artiges Gunplay - diesmal gibt es sogar ein passables Nahkampfsystem mit Blocks und Ausweichschritten. Es ist einfach ein attraktiver Shooter-Spielplatz, der sich blendend anfühlt, fantastisch aussieht und euch eine Menge Werkzeuge gibt, um höchst flexibel auf veränderte Schlachtfeldanforderungen zu reagieren. Ob schleichend, schießend oder wild mit fernzündbarem C4 durch die Gegend rennend - Far Cry macht auch im fünften Anlauf viel wilden Spaß.

Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob das über die komplette Länge so bleibt. Der neue Schauplatz Hope County vermittelt schon mal genau das: Hoffnung. Darauf, dass die Serie einen Ausweg aus der Stagnation findet, die schon lange vor Primal eingesetzt hatte.


Entwickler/Publisher: Ubisoft Montreal/Ubisoft - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: 27. März - Angespielt auf Plattform: PS4 Pro

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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