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Battle Princess Madelyn - oder: worauf es wirklich ankommt

Wie Causal Bit Games das letzte Jahr verlebte.

Christopher Obritsch und seine Tochter Madelyn.

Manche Anekdoten schreibt das Leben besser als man selbst es könnte. Die Entstehungsgeschichte von Battle Princess Madelyns ist eine davon. Christopher Obritschs vierjährige Tochter Madelyn war fasziniert von der Super-GrafX-Version von Ghouls 'n Ghosts, die ihr Vater gerne spielte, und zwang ihn förmlich immer wieder, diesen Titel einzulegen, um ihm dabei zuzusehen.

Besonders angetan hatte es ihr der erste Boss, den sie "Green Head" nannte. "Papa, ich will auch gegen Green Head kämpfen", sagte die Kleine irgendwann und meinte damit nicht, dass ihr alter Herr ihr den Controller aushändigen möge. Sie wollte der Ritter sein, der das Monster niederstreckt.

Der Kanadier, zweifacher Vater und als Spieleentwickler bei einem Studio angestellt, machte sich daraufhin an die Arbeit, seine Tochter in einem eigenen Computerspiel in eine Kampfprinzessin zu verwandeln. Und die muss zusammen mit dem Geist ihres Hundes Fritzy ihre Eltern befreien. Komplett entwickelt unter tiefgreifender Aufsicht seiner Tochter versteht sich, die auf der Website des Teams als "Boss of Everything" und "Art Director of Christopher" vermerkt ist.

Der Rest ist Geschichte, oder wird es bald sein: Obritsch startete in Freizeitarbeit mit dem Spiel, suchte sich Verbündete kündigte irgendwann sogar seinen Job, um sich in Vollzeit der Entwicklung zu widmen. Vergangenen März fuhr der Kickstarter zum Spiel auf dem Rücken einer coolen Demo fast die vierfache des geforderten Betrags ein - mehr als 210.000 Dollar. Nun, da sich der für Februar 2018 prognostizierte Release nähert, ist ein guter Zeitpunkt, mal nachzuhören, wie es dem Team von Causal Bit Games im letzten Jahr ergangen ist und wie viel noch zu tun ist.

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Battle Princess Madelyn: Steam Greenlight Trailer.

Also, wie ist das so, wenn der Kickstarter alle Erwartungen sprengt und man sich mit diesem Schwung erneut an die Arbeit macht? Was waren die ersten Schritte? "Nun," erinnert sich Obritsch, "zu der Zeit hatten wir schon eine Weile an dem Spiel gearbeitet. Für das Kern-Team hieß es deshalb business as usual'. Aber es bedeutete, dass wir nicht länger nur eine Zwei-Mann-Show sein würden 'und auch nicht jahrelang daran arbeiten müssten." Ein clever aufgestelltes Budget war der Schlüssel für ein Kickstarter-Projekt, bei dem von Anfang an ein Ende in Sicht war - und das ging auf die Kappe des Causal Bit Chief Financial Officers, Christophers Frau Angelina. "Sobald wir unser neues Budget aufgestellt hatten, kontaktierten wir zusätzliche Programmierer für Umsetzungen auf andere Plattformen und allgemeine Unterstützung."

Zusätzlich waren die Stretch Goals für animierte Intros und Outros erreicht worden, was bedeutete, dass Causal Bit die Entwickler Beard Blade anheuern konnte, um diese Filmchen zu entwerfen. Das Ende des Kickstarters will Obritsch trotzdem nicht als eigentlichen Start der "Full Production" sehen. "Nun, technisch gesehen waren wir schon dabei, genau genommen seit November 2016. Ich hatte in meiner Freizeit an dem Spiel gearbeitet, um eine Menge Prototypen der zentralen Systeme sowie den Look des Spiels zusammen mit Maddi zu entwickeln. Der HTML-Prototyp war sogar schon im Jahr davor komplett, was ich seinerzeit zum fünften Geburtstag der echten Madelyn ankündigte. Mir scheint es, als hätte ich schon sehr lange an diesem Spiel gearbeitet - und ich schätze so ist es wohl auch", so Obritsch.

Geisterhund Fritzy begleitet Madelyn auf Schritt und Tritt.

"Daven [Bigelow, Programmierer] begann im Februar 2016, ebenfalls in seiner Freizeit, mit dem Umschreiben der Engine in C# und Unity. Aber ich würde sagen, dass wir die Unity-Version über den Sommer und Herbst 2016 hinweg dazu brachten, sich spielerisch dem Prototypen anzunähern." Das war ein alles andere als triviales Unterfangen, denn zu der Zeit steckte Obritsch in seinem alten Job noch in der entscheidenden Phase eines Projekts. "Der Crunch ging zwischen zehn und 16 Stunden täglich, wenn ich mich recht erinnere. Wenn ich danach nach Hause kam, brauchte ich auch erstmal eine Pause."

Es half, dass die komplette Vision für Battle Princess Madelyn, einen knallharten Action-Plattformer mit großen Leveln und bildschirmfüllenden Gegnern, schon ordentlich festgezurrt war, als das Team mit breiter Brust aus dem Kickstarter hervorging. "Die zentralen Mechanismen waren mehr oder weniger an Ort und Stelle, ebenso ein paar Stages des Story-Modus. Das konnte man in der Pre-Alpha auf Steam ja schon sehen", so der Kanadier. Hauptsächlich fehlte es naturgemäß an Feintuning, das im letzten Jahr erfolgte. "Wir haben uns um 90 Prozent der Zipperlein gekümmert, die die Leute an der Engine hatten. Die Kollisionsprobleme, wenn man von oben nach unten schoss zum Beispiel. Auch die Verzögerung zwischen den Spielereingaben und der Reaktion der Figur ist nun komplett eliminiert. Das ist etwas, worauf Hardcore-Spieler großes Augenmerk legen."

Das Art Design erinnert nicht umsonst stark an Capcoms knallharte Klassiker.

Im Grunde ist es aber noch das gleiche Spiel, das mit der Steam-Demo und im Kickstarter-Pitch mit seiner wahnsinnig liebevollen Optik und den warmherzigen Referenzen an Ghosts 'n Goblins so viele Unterstützer für sich gewann. "Das Spiel ist natürlich größer geworden, wenn es um die Story geht. Und wir haben eine der zentralen Mechaniken geändert, die noch nicht in der Demo war", erinnert sich Obritsch. "Die Art, wie die Waffen funktionieren, hat sich ebenfalls ein wenig geändert. Dennoch ist der einzige große Unterschied für Leute, die sich seinerzeit die Demo angesehen haben, dass wir die Karte gestrichen haben. Stattdessen nutzt man im Story-Modus einen magischen Portalstein, mit dem man sich zwischen einzelnen Punkten hin und her teleportiert."

Weiterhin seien nun einige Bereiche miteinander verbunden. Obritsch zieht Vergleiche zu einem Open-World-Spiel, wenn man sich zwischen ihnen bewegt. Allerdings betreffe dies nicht den Arcade-Modus, der nach wie vor nach Art eines echten Retro-Titels abläuft.

In jedem Fall tut es gut, zu sehen, wenn ein Projekt mit Herz in dermaßen sicheren Händen scheint. "Wir nähern uns der Ziellinie. Die Engine wird gerade finalisiert und wir richten es so ein, dass die verbleibenden Teile des Spiels einfach zu integrieren und testen sind. Letzte Designs für die verbliebenen beiden Stages des Spiels werden ebenfalls gerade angefertigt", lässt Obritsch hinter die Kulissen der letzten Entwicklungsphase blicken. "Die zentrale Geschichte ist fertig geschrieben und auch die abschließende Filmsequenz ist so gut wie fertig! Für 75 Prozent des Spiels sind alle Assets sind entweder fertig oder nah dran. Der Soundtrack ist ebenfalls so gut wie komplett - nur ein paar Lieder fehlen noch, während ich diese Zeilen schreibe. Zu diesem Zeitpunkt fehlt nur noch einem Stage ein Tile-Set, während ein anderer nur noch in Form gezogen werden muss."

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Ein Einblick in einen neuen Stage.

"Ich mache wie immer das Artwork, zeichne die Bosse (diese Woche sind zwei fertig geworden), gebe den NPCs für die Kickstarter-Backer-Belohnungen den letzten Schliff. Dann mache ich mit dem letzten Tile-Set weiter", erklärt er. "Alle Spiele-Assets sollten Anfang Januar vollständig und alles an Ort und Stelle sein. Dann geht's hauptsächlich an die Politur und das Testing. Einige Last-Minute-Tweaks sollen sicherstellen, dass das Spiel reibungslos durch den Zertifizierungsprozess der Konsolenhersteller kommt. "Ich habe keinen genauen Termin, weil man nie wissen kann, ob nicht doch noch was in die Produktion grätscht. Aber wir planen immer noch, Battle Princess Madelyn im ersten Quartal 2018 zu veröffentlichen!" Auf die Frage, wie der Kickstarter-Erfolg das Leben der Obritschs verändert hat, entgegnet der Creative Director dieses Familienunternehmens gelassen. "Abgesehen davon, dass wir durchweg mit dem Spiel beschäftigt sind, was auch unabhängig vom Kickstarter der Fall gewesen wäre, hat sich eigentlich nicht viel geändert. Natürlich wurde dadurch das Spiel besser, weil wir mit den zusätzlichen Geldmitteln ein paar Extra-Hände anstellen konnten, die uns halfen. Als klar war, dass der Kickstarter sein Ziel erreichen würde hatte meinen Job bereits verlassen und in Vollzeit an dem Spiel gearbeitet. Doch das zusätzliche Geld bedeutete, dass ich ein paar unglaubliche Talente anheuern und die ursprüngliche Version von Maddis Spiel zum Leben erwecken konnte."

Detailgrad und Effekte vereinen gekonnt Klassik und Moderne.

Auch wenn er es wohl immer wieder so machen würde, sah sich das Team durch diese Form der Finanzierung einigen Herausforderungen gegenüber. "Natürlich bedeutete das auch mehr Druck und Beurteilungen der Entwicklung von außen. Das hier musste perfekt werden! Außerdem hat das auch ein paar Komplikationen erzeugt, und sogar etwas die Entwicklung gebremst, weil wir zeitweise mit komplexeren Backer-Dingen beschäftigt waren, anstatt das Spiel zu entwickeln", so Obritsch.

Alles in allem lief rückblickend aber alles bestens, was Obritsch der guten Planung zuschreibt. "Ich glaube, es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Geld aus Kickstartern von den Entwicklern sinnlos verballert wird. Wir waren extrem vorsichtig, worauf wir unsere Finanzen verwenden sollten. Wir hatten das Budget für das Spiel aufgestellt, als ich noch meine alte Anstellung hatte. Wir butterten vor dem Kickstarter unser eigenes Geld hinein und für den Fall, das der fehlgeschlagen wäre, hatten wir einen Back-up-Plan. Als wir ein größeres Budget für das Spiel einfuhren, konnten wir es zu unserem Vollzeitprojekt machen. Deshalb wurde es größer und wir engagierten zusätzliche helfende Hände und implementierten neue Features."

Battle Princess Madelyn soll noch im ersten Quartal 2018 erscheinen.

Bei so viel organisatorischer Umsicht könnte man als Betrachter fast vergessen, an was für einem persönlichen Ort diese Reise für die Obritsch-Familie ihren Anfang nahm. "Schwer zu glauben, dass Maddi erst vier war, als uns die Idee zu diesem Spiel kam. Jetzt ist sie schon sieben! Ich war traurig, als ich hörte, dass sie sich kaum daran erinnert, wie das mit dem Spiel losging. Ich habe sie gefragt, ob sie noch weiß, dass sie Grünkopf bekämpfen wollte, aber daran kann sie sich genau so wenig entsinnen, wie an die Kinder, die sie zu der Zeit gehänselt hatten, was für mich einer der Gründe war, dieses Spiel für sie zu machen. Immerhin hat es sie zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens davon abgelenkt! Hauptsache sie erinnert sich daran, dass sie zusammen mit mir dieses Spiel gemalt und entworfen haben. Das ist alles, worauf es ankommt."

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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