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Gravel - Test

Echter Milestone.

Arcade, wenn man sich nicht traut: Eine emotionslose Steuerung und schwache Technik verwehren Gravel, das Sega-Rally-Erbe anzutreten.

Ach ja, Milestone. Wenn es ein perfektes Beispiel für ein "nah dran"-Studio gibt, dann ist es wohl die Truppe aus Mailand, die 1995 und 1996 zu seligen MS-DOS-Zeiten mit Bleifuss 1 und 2 - beziehungsweise Screamer - einen für ihre Zeit perfekten Ridge-Racer-Klon für die PC-Welt ablieferten. Seitdem? Fast 50 Spiele, fast alles Lizenzarbeiten für WRC, SBK, Corvette, Alfa Romeo und sogar spezifische Rennfahrer und nicht ein echter Hit dabei. Auch kein echter Flop, aber alles immer so zwischen Durchschnitt und ganz gut. Aber nie wieder ein Screamer. Vielleicht sollte das ein Hinweis für sie sein, aber das ist nur das, was ich aus der Historie ableite. Ich habe das Studio gesehen, die Leute getroffen, die scheinen glücklich mit dem zu sein, was sie tun, sie tun es in einer guten Ecke einer wunderschönen Stadt und das seit 20 Jahren. Irgendwas machen sie richtig. Gravel allerdings ist es mal wieder nicht, das ist nur nah dran.

Die weiten, offenen Abschnitte sind die größte Stärke Gravels. (Gravel - Test)

Die Lizenz ist diesmal nicht so offensichtlich, für die Off Road Masters, eine lizenzfreie Action-Show mit durchaus respektablen Fahrern und viel Technik, muss man schon ins spartige Spartenprogramm schalten. Exotische Locations, überzüchtete Off-Road-Fahrzeuge aller Klassen, ein paar in der Szene bekannte Fahrernamen. Punkte sammeln, neue Autos und Meisterschaften freischalten, mehr Offroad fahren. In einer Zeit, in der man sonst erst mal eine Menge Worte über innovative Rennspielstrukturen verlieren muss, fällt Gravel mit seiner Geradlinigkeit schon fast auf. Die Präsentation all dessen ist spartanisch, aber funktional. Strecke auswählen, Auto dazu, los geht es. Gewinnen und von vorne.

Ehrlich gesagt habe ich damit nicht das geringste Problem. Muss nicht alles mit 2.000 Autos und 800 Streckenvarianten vollgestopft sein. Ich war auch mit Sega Rally glücklich und das hatte drei Strecken und nicht viel mehr Autos. Das war auch das Spiel, an das ich beim ersten Rennen sofort denken musste. Bunt bemalte Rallye-Monster, ein sonniger, mit knalligen Farben gesegneter Strand, Palmen und Rockmusik? Das kenne ich, das wird super, auf geht es! Und im Grunde ist es das auch ein wenig. Die Steuerung und das Fahrverhalten sind leider ein wenig zu realistisch, um diese Art von Spaß einzufangen, während sie wieder nicht realistisch genug ist, um die Codemasters-Rallye-Fans abzuholen.

Manchmal möchte es scheinbar wirklich ein Arcade-Spiel sein. Es hat Hubschrauber, Zeppeline, übermotivierte Ansager... fast wie Bleifuss damals. (Gravel - Test)

Man kann schon mal ungestraft einen Powerdrift hinlegen, aber es ist kein zu gewichtiges Spielelement, denn die meiste Zeit wird euch die manchmal durchaus kompetente KI dafür doch in Form von zwei, drei Plätzen zur Kasse bitten. Gravel scheint in Sachen Fahrverhalten nicht zu wissen was es will und hängt so zwischen den Stühlen, was nie ein bequemer Platz ist. Manchmal denkt man, dass man Aracde-Spaß hat, nur um daran erinnert zu werden, dass es das nicht ist, ohne aber in das Sim-Genre getragen zu werden. Es ist einfach seltsam und glücklich wurde ich damit zu keinem Zeitpunkt. Dieser Mittelweg ist möglich, Codemasters hat dies schon öfters gezeigt, aber Milestone muss da noch üben.

Genauso muss die Engine von Gravel noch mal überarbeitet werden. Ich spiele das auf einer Xbox One X und diese Konsole lässt diverse Forzas besser als alles auf diesem Rennplaneten aussehen. An der Hardware liegt es also nicht, dass manche Gravel-Strecken zwischen 18 und 27 Frames schwanken und eine schnelle 90-Grad-Kurve schon mal aus zählbaren Frames besteht. Es hilft nicht, dass ausgerechnet die erste Strecke, die wunderschöne Tropen-Insel, davon am heftigsten geplagt wird, aber lasst euch davon nicht komplett abschrecken, es wird oft besser und nie schlimmer als das. Was immer noch nicht gut ist, aber immerhin. Sonst ist der Look hübsch. Sicher, die Automodelle scheinen aus der letzten Generation rüber gerettet, aber die Farben sind satt, die Streckenmerkmale eindeutig und abwechslungsreich genug und manche Strecke könnte mit großen, offenen Flächen, halb versteckten Abkürzungen und weiten Kurven mit viel Platz zum Driften und Schubsen fast als Aracde-tauglich durchgehen. Das Einzige, was diesen Eindruck stört, sind oft verteilte, einzelne Bäume, die einen gern komplett ausbremsen, aber für solche Momente gibt es eine Rückspulfunktion.

Die Effekte sehen durchaus gut aus, aber selbst mit ihnen und ein paar Gegnern auf der Piste gibt es keinen Grund, dass die Konsole so in die Knie geht. (Gravel - Test)

Der Arcade-Charme setzt sich auch bei den Fahrzeugen fort, bei denen Stil klar über Realitätsbezug geht, wenn tonnenschwere Super-Offroads von Ford mit hochgezüchteten, kleinen Rallye-Monstern willkürlich konkurrieren und sich eher lose durch die Dinge wie Beschleunigung, Spitzengeschwindigkeit und Driftverhalten unterscheiden, das aber auf eine Weise, wie ein Aracde-Automat das tun würde. Wie gesagt, wenn das Fahrverhalten nicht so emotionslos zwischen den Punkten der Racing-Karte herumhängen würde, wäre Gravel ein echter Action-Arcade-Hit-Anwärter.

Auf der Multiplayer-Seite wird deutlich, dass nicht viele Leute ihren Spaß an Gravel haben oder dass sie dabei exklusiv unter sich bleiben möchten. Ihr könnt eine private Lobby für Freunde einrichten, da ich aber keine Gravel-spielenden Freunde habe, fiel dieses aus. Wenn eure Freunde auch Gravel-Verweigerer sind, dann wird es schwierig und das nicht nur auf der Xbox, auf der ich kein einziges Spiel fand. Auf der PS4 gab es zwar ein paar Runden, aber nie eine, die voll besetzt gewesen wäre. Einmal spielte ich mit nur einem einzigen Menschen gegen die KI, einmal waren wir immer hin zu viert. Auch Angesichts der Tatsache, dass es über einzelnen Rennen hinaus praktische keinen nennenswerten Multiplayer-Content gibt, muss ich wohl sagen, dass hier mehr geht. Wenn Multiplayer euer Rennfokus ist, dann ist Gravel nicht euer Spiel.

Kommt schon, Milestone, folgt dem Ruf des Arcade-Racings, ihr habt es in euch! (Außerdem ist Codemasters viel besser in dem, was ihr gerade tut) (Gravel - Test)

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Milestone hätte sich mit Gravel komplett auf ihre Bleifuss-Mitt-90er-Tage besinnen und mit Gravel voll die Arcade-Richtung einschlagen sollen. Es ist in allem, sei es der magere Aufbau, der Grad an Realismus oder der bunte, etwas billige Look, weit näher an diesem Genre dran als an allem, was eine echte Simulation ausmacht. Aber leider ist es halt wirklich billig und noch dazu mit seinen niedrigen Frameraten auf der Konsole schwer unterperformant. Es fühlt sich einfach in der Steuerung auf dem halben Weg stehengeblieben an. Würde sich Gravel wie Sega Rally 2007 steuern, dann wäre es ein besseres Spiel. Mehr solide, präzise Action im Stickverhalten und den Drifts und Gravel 2 könnte genau das werden, was der Spielelandschaft seit Jahren fehlt. Aber so ist dieses erste Gravel eben ein echtes Milestone-Spiel. Nah dran.


Entwickler/Publisher: Milestone / Bandai Namco - Erscheint für:PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 60 Euro (Konsole), ca. 50 Euro (PC) - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PS4, Xbox One X - Sprache: deutsch, englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein (mit DLCs ist zu rechnen)

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Gravel

PS4, Xbox One, PC

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Über den Autor
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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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