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Avalon Code

Elementar

Schließt die Augen und stellt es Euch bildlich vor: Ihr liegt in der Sonne auf der grünen Wiese, ein laues Lüftchen zieht entlang und so mir nichts, dir nichts taucht aus heiterem Himmel ein Feuerfee auf. Als wäre das nicht genug, erklärt sie Euch, dass der Tag des jüngsten Gerichts gekommen ist, diese Welt wird enden und eine neue beginnen. Immer noch nicht genug Neuigkeiten, Ihr seid auch noch der Auserwählte, dem das Buch der Prophezeiung anvertraut wird. Mit diesem lässt sich alles aufzeichnen, was von dieser Welt in die nächste soll und Ihr bestimmt, wie sie aussehen wird. Mit anderen Worten, alles geht den Bach runter und Ihr entscheidet die Flussrichtung.

Was wäre Eure Reaktion auf diese Offenbarung?

Die hier gesuchte Antwort heißt ganz japanisch freundlich, unbedarft lächeln und nicken. Nur nicht auffallen, bloß keine Fragen stellen und einfach mitziehen. Innerhalb von fünf Minuten dreht sich die Welt für diese Figur bis zum Anschlag und sie verzieht keine Miene. Und mit dieser Figur soll man sich identifizieren? Zumindest dürft Ihr an Schlüsselstellen Fragen, die den Fortgang der Story leicht beeinflussen, beantworten und zumindest so ein wenig Profil erlangen. Weit mehr davon bringt Eure ständige Begleiterin, die Feuerfee Kempo, mit. Gutlaunig reizbar scheint Ihr Ziel darin zu bestehen, möglichst viel abzufackeln. Gut, dass noch drei weitere, etwas ausgeglichenere, Elementargeister im Lauf der Reise zu Euch stoßen.

Entzieht dem Steingolem den Stein und schon hat es sich was mit der Steinhaut.

Das Ziel des Spiels ist in erster Linie die Reise selbst, schließlich seid Ihr der Chronist der vergehenden Welt. Ihr braucht dafür keine Waffen, Gegenstände oder Begleiter, und Ihr bekommt auch keine. Sobald Ihr etwas findet, ein neues Schwert oder ein heilkräftiges Brot, „lest“ Ihr es in das Buch ein. Anschließend dürft Ihr jederzeit den Gegenstand aus dieser Wundertüte ziehen. Die Fähigkeiten gehen jedoch weit darüber hinaus. Es liest jedes Wesen aus, sei es Freund oder Feind, und verzeichnet sie, so dass Ihr jederzeit Zugriff auf ihre Elementarkräfte habt. Diese reduzieren sich nicht auf die übliche Handvoll, sondern umfassen auch Eigenschaften wie Stärke, Krankheit, Freiheit und noch weit abstraktere Werte.

Das alles könnt Ihr beinahe nach Belieben justieren. Innerhalb der Story nennt es sich „die Realität verändern“, praktisch verschiebt Ihr auf einem neun Felder großen Raster die als Bausteine dargestellten Eigenschaften hin und her. Einem einfachen Schwert weist Ihr beispielsweise Silber und Schatten zu, was es in ein Silberschattenschwert verwandelt. Dieses gewinnt an Effektivität gegen die meisten Kreaturen, außer natürlich es sind selbst Schattenwesen. Hier habt Ihr jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder Ihr entfernt die Eigenschaft aus dem Schwert oder Ihr erwischt das Monster in einem günstigen Moment und zieht ihm per Buch den Schatten aus seiner Element-Matrix. Diese Aktion lohnt sich und sollte wohl bedacht sein, da sie ab jetzt auf alle Monster dieser Gattung zutreffen wird. Das Buch hat wirklich MACHT.

Das System lässt Euch alle Freiheiten und dürfte in dieser Konsequenz ziemlich einmalig sein, nur lässt es Euch auch häufig genug im Regen stehen. Der Einbau eines besseren Edelmetalls in eine Waffe lässt sich im Effekt vage abschätzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach macht Ihr anschließend mehr Schaden. Was aber Hund, Reichtum oder Freiheit wohl mit der Klinge anstellen könnten, bleibt selbst nach einigen Versuchen oft genug im Dunkel. Ihr habt immer ein wenig den Verdacht, dass es einen weit besseren Weg gäbe, der Horde beizukommen, nur habt Ihr keine Ahnung, was die richtige Kombi sein könnte. Geduld, Fleiß und Kreativität sind gefordert. Und das Interface macht es Euch nicht gerade leichter.

Ihr habt nur vier freie Slots für Elemente und seid so zum ständigen Hin- und Herschieben gezwungen. Das funktioniert glücklicherweise halbwegs, schließlich gibt Euch das Buch Zugriff auf alle Figuren und Monster, die Ihr gescannt habt und damit auch ihre Slots. Nur wäre einen simple Liste der verfügbaren Elemente zum direkten Zuordnen weit sinnvoller und nervenschonender. Auf dem aktuellen Weg schiebt Ihr permanent irgendwas irgendwem zu, nur um ein wenig Platz im Register zu bekommen.

Passend zum Weltuntergang basteln wir uns ein Flammenschwert.

Auch sonst hält sich die Nutzerfreundlichkeit des Weltendeschmökers in Grenzen. Alles, von den Optionen über die Elemente bis zu Waffen und Items, findet Ihr im Index, über den Ihr einen halbwegs zügigen Überblick zu den einzelnen Gruppen habt. Dort aber blättert beziehungsweise klickt Ihr immer noch eine Weile hin und her. Der Kampf selbst erfordert beide Hände. Die Figur lenkt Ihr mit dem Steuerkreuz und die Waffen – zweihändiger Kampf ist möglich – liegen auf Y und X. Ständige Anpassungen der Elemente und das Auslesen immer neuer Dinge lassen Euch aber praktisch ständig zum Stylus greifen, was eine eher unhandliche Kombi ergibt.

Die Prügeleien laufen simpel und spaßig genug ab und ein paar Specials lockern den Ablauf auf. Der absolute Favorit dürfte der Judgement Link sein, mit dem Ihr Monster in die obere Stratosphäre befördert, wo sie sich dann in „Magische Energie“ für Euch auflösen. Niemand hat gesagt, dass alles beim Ende der Welt Sinn machen müsste. So prügelt Ihr Euch durch einen weitestgehend spaßig-spannenden, wenn auch linearen Ablauf, der kleinere Erkundungspassagen in Dörfern geschickt mit Dungeons abwechselt.

Die Höhlen und Waldwege teilen sich in einzelne Räume auf, in denen Ihr getimte Aufgaben bestehen müsst, um weiterzukommen und Punkte für das Buch zu erheischen. Auf diese Weise erweitert sich übliche Durchspazieren und Gemetzel um den Reiz, besonders gute Zeiten hinzulegen und mehr Erfahrungspunkte einzuheimsen.

Avalon Code bietet ein paar wirklich spannende Ansätze und das Maß an Freiheit beim Customizing, das Euch die völlig freie Elementverteilung auf buchstäblich alles in der Welt gibt, dürfte in diesem Grad einmalig sein. Immer neue Konstellationen ergeben sich, während Ihr Inventar, Bewohner und Monster der Welt stets neu für optimalen Effekt ausstattet. Gepaart mit der durchaus soliden Handlung mangelt es dem kleinen Rollenspiel lediglich an einem brauchbaren Interface, das die Verwaltung all der schönen Möglichkeiten nicht ganz so zur Belastung werden lässt und mitunter zur Weißglut treiben kann. Geht Ihr jedoch mit Geduld und Fleiß an Avalon Code heran, lassen sich hier Spaß und wirklich neue, ungeahnte Freiheiten finden.

Avalon Code kommt aus Japan, schaffte es jetzt in die USA und mit ein wenig Glück landet es auch irgendwann noch bei uns. Wann? Wer weiß...

7 / 10

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