Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Baphomets Fluch: Director's Cut

Comeback mit Klasse

Templer, Verschwörungstheorien und Geheimbünde sind seit Dan Browns Romanen „Illuminati“ und „Sakrileg“ in aller Munde. Aber schon ein paar Jahre bevor sich Browns Held Robert Langdon mit attraktiver weiblicher Begleitung durch Europa rätselte, traten ein blonder Amerikaner namens George Stobbart und eine hübsche Pariser Journalistin namens Nico Collard auf den Plan.

Da die aber nicht in reißerischen Romanen, sondern in einem ausgesprochen cleveren Point & Click-Adventure die Hauptrolle spielten, hat es für Baphomets Fluch leider nie zu einer Millionenauflage und einem Film mit Tom Hanks und Audrey Tautou in den Hauptrollen gereicht. Schade, verdient hätten es die beiden allemal, konnten sie 1996 in ihrem ersten Adventure-Auftritt nicht nur mit damals ungekannt hübscher Zeichentrickgrafik, sondern auch mit einem spannenden Verschwörungsplot, cleveren Puzzles und genau der richtigen Dosis Humor aufwarten.

Das ist jetzt 13 Jahre her, in der Welt der interaktiven Unterhaltung ist das eine lange Zeit. Mehr als zwei Hardware-Generationen sind vergangen, in denen sich spielerisch und erzählerisch viel getan hat. Aber was für Shooter und RPGs gilt, das sieht bei Adventures etwas anders aus. Denn dank einer enorm konservativen Fanbasis schlagen die Uhren im Point & Click-Land immer noch etwas anders. Und während moderne Adventures immer noch oft genug verzweifelt versuchen, an frühere LucasArts-Glanzzeiten anzuknüpfen, erscheint mit dem Directors Cut von Baphomets Fluch jetzt eines der Highlights der goldenen Rätsel-Ära und führt den Großteil der modernen Konkurrenz ordentlich vor, auch wenn nicht jeder Aspekt der Umsetzung geglückt ist.

Die neuen Szenarien sind ausgesprochen hübsch geraten.

Wie der Zusatz Directors Cut bereits verrät, liefern Baphomet-Autor Charles Cecil und seine Firma Revolution Software keine billige 1:1-Umsetzung des PC-Klassikers, sondern unterzogen das Templer-Abenteuer tatsächlich noch einmal einer Frischzellenkur. Neben einer durchdachten WiiMote-Steuerung äußert sich das vor allem in komplett neuen Sequenzen, in denen Ihr anstelle von Hauptfigur George dessen Partnerin Nico steuert. Die bieten ein paar sehr gute Rätsel und nette und vor allem spielerisch sinnvolle WiiMote-Spielereien, ebenso ergänzen sie die Geschichte auch um einige Aspekte, die im Original nur angerissen wurden.

Beginnt das Original noch direkt mit George Stobbart und dem Bombenanschlag auf ein kleines Cafe, spielt Ihr im Directors Cut erst einmal Nicos Verwicklung in einen Mordfall und ihre darauf folgenden Recherchen nach, bis sich ihre und Georges Wege schließlich kreuzen. Doch so gut diese neuen Elemente erzählerisch und auch spielerisch gefallen, in Sachen Präsentation sorgen sie für Probleme. Denn nicht nur der Kenner bemerkt einen starken Schnitt zwischen alten und neuen Szenarien. Vor allem bei den Figuren springen Euch die Unterschiede ins Auge.

In den alten Szenarien laufen klassische 2D-Sprites umher, in den neuen Szenen dagegen Polygonfiguren im Cell-Shading-Look. Auf die Qualität der Zwischensequenzen schwankt: Ist der neue Vorspann stimmungsvoll und ansprechend anzusehen, sind die Sequenzen von 1996 für heutige Verhältnisse ein ganzes Stück zu grobschlächtig gezeichnet und animiert.

Nico untersucht das Mordopfer in Großaufnahme.

Ähnlich ist es bei der Sprachausgabe. Die oft prominenten Sprecher leisten ganze Arbeit, aber zwischen alten und neuen Samples gibt es qualitativ große Unterschiede. Während die neu aufgenommenen Dialoge sehr sauber und klar klingen, hören sich die alten Gespräche oft etwas arg dumpf an. Natürlich wäre es ein zu großer Aufwand gewesen, sämtliche Gespräche neu aufzunehmen. Aber mit etwas mehr Bearbeitung hätte man sicher etwas mehr aus den alten Aufnahmen machen können. Ein Beinbruch ist das nicht, wenn jedoch die Sample-Qualität innerhalb eines Dialoges wechselt, dann reißt das den Spieler schon ein wenig aus der Stimmung heraus.

Eine rundum stimmige Ergänzung sind dafür die neuen Portraits der Figuren: In den Dialogen werden nun Großaufnahmen der Sprecher eingeblendet, die detaillierten Gesichter aus der Feder von Watchmen-Zeichner Dave Gibbons fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein und verleihen den Figuren weitere Facetten. Und hier punktet Baphomets Fluch wie schon vor 13 Jahren. Helden, Antagonisten und Nebendarsteller sind durchweg interessant und sorgfältig charakterisiert. Die langen Dialoge, die in anderen Spielen sicher ein Anlass zur Kritik wären, sind überzeugend geschrieben und sprühen oft vor Wortwitz, man hört einfach gerne zu.

Genauso überzeugt das Spiel bei den Rätseln. Selbige sind clever, aber immer von einer ansprechenden Logik. Neben klassischen ‚Benutze X mit Y’-Rätseln finden sich auch einige neue Puzzles ein. Da will schon mal eine Geheimschrift entschlüsselt, oder ein Code für eine Türe geknackt werden – auch hier finden die Entwickler die richtige Balance aus Anspruch und Logik, das gefürchtete Pixelhunting wird größtenteils gekonnt vermieden.

Die Figurenportraits links und rechts im Bild sind neu.

Und wenn es einmal gar zu hart wird, dann greift der gestresste Spieler einfach auf die interne Hilfsfunktion zurück. Diese gibt Euch zunächst grobe Tipps, hilft aber auf Wunsch auf ausführlicher und vermeidet so frustiges Feststecken. Und natürlich ist die Hilfsfunktion absolut optional. Und letzten Endes ist es doch so... Die besten Momente in einem Adventure sind immer noch die, wenn sich die Lösung für ein komplexes Puzzle endlich in Eurem Kopf zusammenfügt und plötzlich alles einen Sinn ergibt. Natürlich ohne fremde Hilfe.

Grafisch gibt es im Adventureland heute sicherlich schöneres und moderneres. Aber mit seinen liebenswerten Protagonisten, den exotischen Schauplätzen, den stimmigen Rätseln und dem spannenden Plot gehört Baphomets Fluch auch 13 Jahre nach seinem Erst-Release trotz technischer Inkonsistenzen zu den sympathischsten und spielenswertesten Adventures diesseits des Lucasarts-Stalls.

Solltet Ihr bisher nicht das Vergnügen mit George und Nico gehabt haben, dann ist das Eure Chance zuzugreifen und diese Wissenslücke auf äußerst amüsante Weise zu schließen. Aber auch wenn Ihr Euch bereits auf PC oder PSone durch das Templer-Abenteuer gerätselt habt, dann bietet Euch der Directors Cut genügend Anreiz, ein weiteres Mal George und Nico auf ihrem Abenteuer zu begleiten.

Baphomets Fluch – Directors Cut ist ab sofort für Wii und DS im Handel erhältlich.

8 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Baphomets Fluch – The Director‘s Cut

Nintendo Wii, Nintendo DS

Verwandte Themen
Über den Autor
Thomas Nickel Avatar

Thomas Nickel

Autor

Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.
Kommentare