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Cross Edge

RPG sucht Zielgruppe

Cross Edge hat nicht das geringste Interesse daran, neue Fans an Bord zu holen oder gestressten Spielern ein paar angenehme Stunden entspannter Unterhaltung nach Feierabend zu bescheren. Cross Edge ist Arbeit. Entwickler Compile Heart hat das Spiel derartig mit komplexen, oder besser gesagt komplizierten Systemen und Spezialregeln vollgestopft, dass zunächst wirklich nur noch Oldschool-Veteranen durchblicken, die weder vor Lernkurven so steil wie die Eiger-Nordwand noch vor dem mühseligen Aneignen all der Spezial- und Sonderregeln zurückschrecken.

Die Oberwelt wird nicht einfach nur durchlaufen, es gilt permanent mit Mays Scan-Fähigkeit nach entführten Seelen zu suchen, um sie zu befreien. Gegenstände werden nicht einfach gekauft, sie werden aufwändig mit gefundenen Rohstoffen synthetisiert. Und manchmal wird es dann auch völlig abstrus: Wenn ihr neue Waffen für teures Geld bei euren eigenen Mitstreitern kaufen müsst, dann wundert ihr euch zurecht.

Und wenn ihr minutenlang in den unglaublich verzweigten Menüs nach einem essenziellen Punkt wie der Speicherfunktion suchen müsst, dann drängt sich unweigerlich das böse Gefühl auf, dass beim Entwicklungsprozess von Cross Edge irgendwann der reine Exzess Einzug gehalten hat. Und nirgendwo wird das deutlicher als in den Kämpfen.

Einen guten Teil des Spiels verbringt ihr damit, auf der Landkarte nach verborgenen Seelen zu suchen.

Warum einfach nur den Angriffsbefehl geben, wenn man auch von Hand Kombinations-Angriffe und Team-Attacken auslösen und kombinieren kann? Warum nur auf Lebensenergie und Magiepunkte-Vorrat achten, wenn man genauso gut vier verschiedene Energieleisten und dazu noch ein paar Aktionspunkte- und Kombo-Anzeiger im Auge behalten kann? Cross Edge sieht bunt und harmlos aus, ist es aber nicht.

Die entscheidende Frage ist nur, wie viel Komplexität einem Kampfsystem gut tut, und wann der Punkt erreicht ist, an dem die Spezialregeln zum Selbstzweck werden. Und wenn ihr mich fragt: Cross Edge hat diesen Punkt überschritten. Die besten und motivierendsten Spiele zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf ein eingängiges, nicht zu kompliziertes Spielprinzip setzen, das im Laufe der Zeit nach und nach seine tatsächliche Tiefe und seinen wahren Anspruch offenbart. Bei Cross Edge scheint dieses Prinzip genau auf den Kopf gestellt worden zu sein.

Es gibt viel, viel zu lernen und die Beherrschung der komplexen Systeme wird gerade im späteren Spielverlauf auch mit ordentlich Pyrotechnik und nützlichen Item-Drops belohnt. Das befriedigende Gefühl, dass sich bei einem guten RPG aber einstellt, wenn ihr die Zusammenhänge im Kampfsystem verstanden habt, bleibt bei Cross Edge aus.

Der Schwierigkeitsgrad von Cross Edge ist hoch, auch kleine Gegnergrüppchen können euch hart zusetzen.

Aber vielleicht will mich Cross Edge ja auch gar nicht so wirklich ansprechen. Vielleicht bin ich gar nicht Teil der engen Zielgruppe, an die dieses seltsame, überfrachtete und irgendwie viel zu komplizierte Spiel sich richtet. Cross Edge ist ein Spiel, in das ihr euch tief, tief hineinfressen müsst. Ein Spiel für lange, dunkle, durchzockte Nächte. Für ein Abtauchen in eine durch und durch seltsame Welt, aber auch für ein Wiedersehen mit alten Bekannten, mit denen ihr früher schon Abenteuer erlebt hat.

Und deswegen kann ich von Cross Edge auch nicht so richtig abraten. Faszinieren euch komplexe Kampfsysteme mit langer Einarbeitungszeit, habt ihr ein Faible für kleine Niedlichsprites und verschlingt ihr die kleinen, unbekannteren Nischentitel wie Ar-Tonelico oder Mana Khemia 2 mit Begeisterung, dann werdet ihr auch mit Cross Edge weitaus mehr Spaß haben als ich. Denn wie gesagt: Cross Edge ist Fanservice, und als solcher eben auch für die eingeschworenen Fans bestimmt. Und Außenstehende müssen das dann auch nicht unbedingt begreifen.

Cross Edge ist in den USA für PS3 im Handel erhältlich und erscheint Ende August in Europa.

6 / 10

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Thomas Nickel Avatar
Thomas Nickel: Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

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