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Cryostasis

Eiszeit

Den blumigen Versprechungen eines PR-Mannes zufolge, ist Cryostasis „das russische Bioshock“. *Bam*. Er hat es gesagt, jetzt muss das Spiel dem Vergleich auch Stand halten. Fakt ist, dass Cryostasis, genau wie Bioshock, einen Großteil seiner Faszination aus seinem ausgefallenen Szenario zieht. Und sogar die Hintergrundgeschichte, wenn auch holpriger und nicht ganz so geschickt erzählt, macht deutlich, dass Entwickler Action Forms sehr wohl etwas zu erzählen hatte und seine Story-Motive nicht als bloße Rechtfertigungstapete für knallige Action von außen an sein Spiel gekleistert hat.

Deshalb ist dieses osteuropäisch-krude Ego-Abenteuer an den nördlichen Polarkreis durchaus eine Reise wert. Und nur deshalb. Denn der Rest der Mystery-Gruselei ist leider ziemlich repetetiv, unbeholfen, anstrengend zu spielen und so fürchterlich bis gar nicht optimiert, dass es hauptsächlich meinem Quad Core @ 2,4 GHz samt nVidia 8800 GTS mit 512 MB und 4 GB Ram das Fürchten lehrte.

Sicher, es ist kein absolutes Gamer-System. Aber ein Spiel, das auf diesem Rechner auf unteren Mittelklasse-Einstellungen schlechter läuft als das erste Crysis auf „High“ (mit Texturen, Objektdetails und Shadern auf Maximum), und dann noch aussieht wie Quake 4 auf Eis, dem hat irgendjemand einen dicken Knüppel irgendwo in die Speichen des Programmcodes geworfen.

Wie Leo: Das Wasser war schneller.

Als Meteorologe Alexander Nesterov untersucht Ihr einen im ewigen Eis gestrandeten Eisbrecher, die North Wind, nach den Ursachen der Harvarie. Nur dass Ihr das eigentlich gar nicht wisst, denn diese Infos habe ich von der offiziellen Website und nicht etwa aus dem Spiel. Das verliert nämlich kein Wort darüber, was zu tun ist, oder über das Wo und Warum. Es gibt weder Einsatzbesprechungen und klar markierte oder auch nur umschriebene Ziele. Kompass, Karte und Inventar hat Nesterov sowieso zuhause gelassen und so kommt man sich ziemlich alleingelassen vor, was der Atmosphäre zugegebenermaßen durchaus gut tut.

Vorsichtig pirscht man immer einen einzigen Weg entlang durch die verschlungenen Innereien des kälteschlafenden Metallriesen und ist stets auf der Suche nach interaktiven Elementen, die einem den Bauch des ausgestorbenen Ungetüms noch weiter öffnen. Die Stimmung, die dabei erzeugt wird, ist durchaus sehr einnehmend. Gigantische Eisblumen zieren jede Oberfläche und sogar die Umrisse des Sichtfeldes, während die dichten Wolken kondensierenden Atems und das laut hörbare Inhalieren des Charakters die totale Kälte beinahe bis unters eigene Brustbein kriechen lassen.

Die Eiseffekte auf der Inneneinrichtung sind zweifelsohne der Grund für die stolpernde Schluckauf-Nummer, die die Grafikengine auf 95% der PCs aufführt. Warum das so ist, erfährt man, wenn man den ersten Generator gefunden und angeworfen hat. Das Glitzern der Eiskristalle auf den Wänden verglüht, der Grauschleider auf Luken und Stahlträgern wird langsam transparent und schließlich beginnen die daumendicken Eisblumen auf ihrem Weg nach unten feucht zu schimmern. Der ganze Raum scheint zu schmelzen und es ist jedes Mal ein erhebendes Gefühl, wenn man die Eiszeit beendet – und sei es nur in einem kleinen Raum.

Das Gegnerdesign ist wechselhaft originell. Hier eines der besseren Beispiele.

Dieses Wechselspiel aus Kälte und Wärme schlägt sich auch auf das Spieldesign nieder. Anstatt normaler Lebensenergie bildet in Cryostasis Körperwärme die wichtigste Ressource des Spielers. An Schreibtischlampen, Deckenleuchten oder Generatoren wärmt Ihr Eure Hände und haltet Euch damit am Leben. In einigen Bereichen ist es so kalt, dass Ihr zu erfrieren droht. Hier wird die Suche nach der nächsten Glühbirne zum spannenden Spießrutenlauf. Anderen Ortes springen Euch die früheren Bewohner unvermittelt als Eiszombies ins Gesicht und versuchen Eure Restwärme durch Gewalteinwirkung auf den Nullpunkt zu prügeln.

Anfangs seid Ihr kaum bewaffnet und helft Euch zunächst mit rudimentären Werkzeugen. Ein schweres Vorhängeschloss an einer Kette ist – um die Faust gewickelt – Eure erste Waffe. Der Nahkampf damit erinnert in gewisser Weise an einen indizierten SEGA-Schocker, weil man in Kombination mit den Pfeiltasten unterschiedliche Schläge abfeuern kann. Diese interessante Option bieten die folgenden Waffen leider nicht mehr.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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