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Divinity 2: Ego Draconis

Alles im Loot

Später stolpert das Spiel allerdings ein bisschen über seine Ambitionen. Etwa am Ende des ersten Drittels erlangt man die Fähigkeit, sich in einen Drachen zu verwandeln und die Welt fliegend zu durchqueren. Das Problem allerdings ist, dass es nicht wirklich „funktioniert“. Sobald ihr die Q-Taste drückt, um die Gestalt zu wechseln, wird aus Divinity 2 ein anderes, schwächeres Spiel. Nicht nur verschwindet ein großer Teil bewegter Landschaftsdetails beim LODding, auch Gegner und NPCs sind weit und breit nicht mehr zu sehen. Sie hören einfach auf zu existieren. Es ist, als würde man über eine leergefegte, detailarme Miniatur von Rivellon fliegen.

Außerdem steckt darin ein riesiger Bruch in der Logik: Ihr könnt euch meine Enttäuschung vorstellen, als ich zum ersten Mal - dem Tode nah - aus einem übermächtigen Gegnerpulk flüchtete, um sie als Neu-Drache aus der Luft mit meinem Feueratem zu rösten. Nur um festzustellen, dass normale Gegner zu Boden vollkommen unantastbar für meine Alternativgestalt aus der Welt ausgeblendet werden. Was euch in dieser Form bleibt, sind simple Luftgefechte gegen fliegende Festungen und Kreaturen, die leider in den ersten Stunden als Riesenechse nicht wirklich viel zu bieten haben.

Es sieht aus, als wäre sich Larian nicht ganz im Klaren darüber gewesen, wie zu verhindern sei, dass der User in Drachengestalt zusammen mit den Gegnern auch die Spielbalance grillt. Aber das wäre mit etwas mehr Entwicklungszeit sicher auch deutlich eleganter gegangen. Als Mittel, um schnell von A nach B zu gelangen, sind die ledrigen Schwingen aber mehr als nur willkommen.

Hat nicht viel zu lachen: Dem Drachen verstellen durchsichtige Barrieren den Weg

Die Drachenphase des Spiels rettet vor allem euer Drachenturm, der als Basis für eure Abenteuer und als Hauptlagerraum für das stattliche Loot dient. Hier arbeiten auch euer hauseigener Schmied, Ausbilder, Nekromant und Alchimist daran, dass aus dem einsamen Abenteurer ein mächtiger Selbstversorger wird. Sogar drei verschiedene Diener dürft ihr gegen Geld mit Rüstungen und Waffen ausstatten und sie gezielt auf die Pirsch nach bestimmten fehlenden Rohstoffen für Veredelungen oder Tränke schicken, damit ihr euch nicht mehr selbst die Finger schmutzig machen müsst. Der Turm ist nach locker 20 Spielstunden noch einmal ein echter Anreiz, den Feldzug gegen Damian zu einem guten Ende zu führen.

Trotzdem fehlt der Feinschliff. Die Musik und sogar die deutschen Sprecher, die alle Dialoge gekonnt vertonen, sind auf hohem Niveau (mit Ausnahme des Oberbösewichtes), Abstürze waren extrem selten und auch andere Spielstopper sind mir während des Tests nicht untergekommen. Rein optisch ist das auf der Gamebryo-Engine (u.a. Oblivion) basierende Spiel aber keinen Deut besser als Bethesdas betagte vierte Elder-Scrolls-Episode. Aufgrund einiger Unsauberkeiten, wie an Hügelkanten schwebendem Gras, teilweise schwachen Texturen, kantiger Gebilde und niedrigen Details in der Ferne, würde ich es sogar noch deutlich darunter ansiedeln.

Dass viele bewegte Elemente, wie Flussoberflächen oder umfallende Objekte, dazu auf meinem Rechner auch nach der Installation des Release-Kandidaten des ersten Patches noch leicht ruckeln, während die Welt ringsum mit 60 Bildern pro Sekunde über den TFT flimmert, unterstreicht nur, dass hier ein paar Monate zusätzlicher Entwicklungszeit gut getan hätten.

In dieser Zeit hätte Larian auch gut noch an Balance, Bedienkomfort und KI arbeiten können. Ich denke da zum Beispiel an die kurzen Unterbrechungen der Sichtlinie, die sogar in kleinen Räumen oft ausreichen, damit die Feinde jedes Interesse am Helden verlieren. Andernorts lassen wiederum gemeine Spitzen im Schwierigkeitsgrad einige Kämpfe in harte Quicksave-Orgien ausarten und Fernkämpfer würden sich wegen der vielfältigen Gegnerklassen eine manuelle Zielaufschaltung wünschen, um etwa Heiler oder Beschwörer der Gegner gezielter ausschalten zu können.

Ähnlichkeiten mit anderen Fantasy-Epen sind rein zufällig.

Dass Quests und Namen von Ortschaften auf der Karte nur unzureichend markiert sind und darüber hinaus keine Richtungspfeile existieren, ist auch nicht unbedingt ein schwerer Fehler, aber auch nicht eben komfortabel. Wirklich verblüfft bin ich allerdings nur darüber, dass man seine gefundenen Items zwar zur Verwahrung in den Drachenturm schicken kann, die Zutaten für Tränke, untertänige Untote oder Rüstungen aber nicht direkt dem entsprechenden Fachmann zur Verfügung stehen (ihr müsst die Dinge im Drachenturm aus einer Kiste holen und sie dann zu Schmied und Co tragen). Das sind Kleinigkeiten, die das Spiel nicht kaputt machen, aber ein gutes Spiel daran hindern, mehr zu sein.

Die durchaus umfangreiche Kritik ändert aber nichts daran, dass Divinity 2 ein komplexes, humorvolles und unterhaltsames Action-Rollenspiel ohne viel Leerlauf geworden ist. Es ist zwar (noch) nicht ganz fertig, kann aber allein von seiner Großzügigkeit und der guten Charakterentwicklung schon ganz gut leben. Wie Larian den Spieler mit neuen Items, Bonus-Erfahrungspunkten oder schlicht und einfach neuen Einsichten quer durch Rivellon ködert, ist schon beachtlich und genügt auch gehobenen Ansprüchen.

Auch wenn mein „[Selten] Schartiges Wertungsbreitschwert der Gerechtigkeit des Nerds“ unterhalb einer Eurogamer-Acht einschlägt, sollten Fans von Drakensang bis Gothic also zumindest einen Blick riskieren. Denn, hey - jetzt können wir es doch eigentlich auch zugeben:

Es ist wirklich ein „Deutsch thang“. Und wir stehen auf sowas.

Divinity 2: Ego Draconis ist ab sofort für PC im Handel erhältlich. Die Xbox-360-Version erscheint Anfang September.

7 / 10

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In diesem artikel

Divinity 2: Ego Draconis

Xbox 360, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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