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Formula One Championship Edition

Mach's nochmal, Schumi!

Manche Menschen machen es sich einfach - sieben Mal Weltmeister werden, dann höflich „Danke!“ sagen und die erfolgreiche Karriere beenden. Ja, lieber Michael Schumacher, ich meine Dich! Hast Du vielleicht eine Sekunde daran gedacht, was das für mich bedeutet? Vermutlich nicht. Denn was mache ich nun, wenn der bunte Formel 1-Zirkus Ende März wieder auf Reisen geht? Es gibt keinen Regengott mehr, dem ich jeden zweiten Sonntag vor dem heimischen Fernseher zujubeln kann, keinen Ausnahme-Rennfahrer, der von Startplatz 20 noch auf's Treppchen fährt. Für mich ist die Formel 1 ohne Dich nicht mehr der Publikumsmagnet wie im letzten Jahr.

Doch Hilfe naht. Sony spielt den Retter in der Not und konserviert mit der Veröffentlichung von Formula One Championship Edition die letztjährige Formel-1 Saison - rechtzeitig zum PS3-Start. Ob sich die gleiche Faszination einstellt wie bei den sonntäglichen Fernsehübertragungen, wird meine ausführliche Probefahrt schon zeigen, für eine interaktive Alternative wäre ich auf jeden Fall sehr dankbar.

Eine Chance für den Newcomer

Das hätte man optisch durchaus besser machen können.

Playstation 3 eingeschaltet, 1080i-Einstellung aktiviert und schon beginnt meine ganz persönliche Saison 2006. Als passiver Formel 1-Vollprofi sind Einzelrennen, Zeitfahren oder eine einzelne Saison natürlich keine Alternative. Die komplette, viel versprechende Rennsport-Karriere vom beschwerlichen Anfang bis zum hoffentlich glorreichen Ende, ist das Einzige was zählt. Dabei ist der Start leichter als gedacht: Über einen eigenen Agenten werden erstmal Bewerbungen an Torro Rosso und Co. verschickt. Während man noch den Gedanken an ein Engagement bei Mercedes oder Ferrari als Zukunftsmusik abtut, flattert auch schon eine elektronische Einladung zu einem Probetraining zur Tür herein. Einige überzeugende Rundenzeiten später beginnt Euer Leben als Rennfahrer für den neuen Arbeitgeber.

Und das bedeutet vor allem Verantwortung zu übernehmen - für Euch und das Set-Up Eures Formel-1-Boliden. Schon beim ersten Schnuppertraining am Donnerstag vor jedem Grand Prix dürft Ihr fleißig am Feintuning herumbasteln. Auch wenn ich persönlich glaube, dass die Neigungen am Frontflügel in der Praxis nur minimalste Auswirkungen auf meinen Torro Rosso haben. Wer will, ändert die Reifenmischung, schraubt am Heckflügel herum oder beschäftigt sich mit der Feinjustierung der Stoßdämpfer. Ist die Abstimmung perfekt, geht es zum alles entscheidenden Abschlusstraining auf die Rennstrecke. Seid Ihr dort gut genug, kämpft Ihr Euch bis in die letzte Session und fahrt unter die ersten zehn vor. Eine ideale Ausgangsposition, um im Rennen gleich vom Start weg angreifen zu können.

Und Abflug!

Viele Flitzer und keiner davon kann wirklich fahren.

Es gibt Spiele die scheinbar ein Problem damit haben, sich zu entscheiden - auch Sonys Formel 1-Renner leidet darunter. Wenn die Ampel auf rot springt und die Original-RTL-Kommentatoren den Start ankündigen, gleicht Formula One Championship Edition einer perfekt inszenierten Fernsehübertragung. Spätestens, wenn Euch die Box in der dritten oder vierten Runde per Funk zum Boxenstopp animiert, bricht das TV-Konzept allerdings auf und wirkt inkonsequent. Hier könnte man noch Gnade vor Recht ergehen lassen, würde das Geschehen auf der Strecke ein einzigartiges Rennspiel-Erlebnis vermitteln. Leider kann sich das Spiel erneut nicht entscheiden - diesmal zwischen realistischer Formel 1-Simulation und einsteigerfreundlicher Arcade-Raserei. Statt dessen liefert Sony einen wenig zufriedenstellenden Mix, der weder Freunde knallharter Simulationen noch Fans von Arcade-Rasereien wie Ridge Racer zufriedenstellen dürfte. Es darf sogar stark bezweifelt werden, dass der liebe Michael in den träge reagierenden F1-Schleudern von Formula One Championship Edition auch nur einen Blumentopf gewonnen hätte.

Trotz der verzögerten Steuerung lassen sich die automobilen Leichtgewichte ganz ordentlich um den Circuit zirkeln, sofern Ihr respektvollen Abstand zu den absolut teuflischen Curbs haltet. Mal rast Ihr munter und problemlos über sie hinweg, ein anderes Mal ist ein unerwarteter Abflug die bittere Konsequenz. Ich bin bis zum Ende meiner Karriere nicht ganz dahinter gekommen, welche physikalischen Gesetze hier Anwendung finden, aber vielleicht erschließt sich das nur Formel-Experten oder graduierten Physikern. Und wo wir schon dabei sind, sollten mir diese auch noch eben erklären, woran es liegt, dass mein Formel 1-Fahrzeug bei Vollgas auf gerader Strecke plötzlich ausbricht. Wer keinen Wert auf wild gewordene Fliehkräfte oder unzuverlässige Bodenhaftungen legt, schaltet die umfangreiche Palette diverser Fahrhilfen hinzu und kämpft dank vereinfachter Lenkung, automatischer Bremse und eingeblendeter Ideallinie nur noch gegen die eigene Müdigkeit. Dafür spielt es sich jetzt angenehm einfach!

Jetzt fahr doch!

In der Replay-Funktion wird's noch deutlicher: Die können wirklich alle nicht fahren.

Obendrein habe ich keine Ahnung, wo der Rest der virtuellen Formel 1-Belegschaft seinen Führerschein gemacht hat. Von optimalen Anbremspunkten sind Montoya, Raikkönen und Co. ganz weit entfernt. Die gesamte Konkurrenz wirft vor den Kurven dermaßen früh den Anker von Bord, dass ich selbst mit meinem, im direkten Vergleich untermotorisierten Torro Rosso sofort im Heck des Kollegen hänge. Und das liegt nicht an meiner Unfähigkeit, das Bremspedal zu finden. Hier hätte Sony die KI vielleicht noch mal in die Fahrschule schicken sollen, um für mehr Balance zu sorgen. So ein Schubser am Heck des Vordermannes wäre nicht weiter tragisch, gäbe es da nicht ein gnadenloses Schadensmodell. Schon bei der kleinsten Berührung verliert mein fragiler Flitzer Vorderräder oder Schnauze wie ein Weberknecht Beine.

Wer jetzt glaubt, er könne in diesem Fall einfach geschmeidig in die Boxengasse gleiten, sich das Visier polieren lassen und sofort mit neuer Nase wieder auf die Piste düsen, der irrt gewaltig. Als Formel 1-Fahrer muss man natürlich auch Minispiele perfekt beherrschen. Beim Austausch der Frontflügel, Wechsel der Reifen und sogar zum Tanken, müssen zur rechten Zeit die entsprechenden Buttons gedrückt werden. Wer flink mit den Fingern ist, spart so entscheidende Sekunden und nutzt den Boxenstopp zum Überholmanöver. Schließlich wollt Ihr als Erster die schwarz-weiß karierte Flagge sehen, um dem Traum von der Weltmeisterschaft ein Stückchen näher zu kommen.

Ein weiterer nicht ganz unerheblicher Negativ-Faktor macht sich bei der optischen Gestaltung bemerkbar. Irgendwie scheint Sony hier nur überwiegend den Flitzern ein ansehnliches Antlitz verpasst zu haben. Während die rote Lackierung des Torro Rosso leuchtet und funkelt und sich sogar etwaige Objekte auf der Oberfläche spiegeln, wirkt das Drumherum - von den Rennstrecken über die Zuschauer bis hin zu diversen Markierungen - teilweise etwas schwammig. Und dass die Flitzer die Devise „über die Fahrbahn schweben, statt an ihr zu kleben“ wählen, macht die Sache nicht unbedingt besser.

Und jetzt? Was soll ich denn jetzt bitte machen? Nicht nur Michael Schumacher stürzt mich mit seinem Karriere-Ende in eine Misere, auch Sony verhagelt mir den Saisonstart. Die Formel 1 ist nicht mehr das, was sie mal war und Sonys mäßiger Racer ist auch nicht sonderlich dazu geeignet in Erinnerungen zu schwelgen. Kann man sich da vielleicht irgendwo beschweren? Wenn nicht bei Sony direkt, dann vielleicht bei Bernie Ecclestone vielleicht? Der ist doch sonst auch immer für alles verantwortlich. Vielleicht kann man ihm im nächsten Jahr einfach das Kommando über die Formel 1-Umsetzung geben. Nicht dass er in der Vergangenheit immer die richtigen Entscheidungen gefällt hätte, aber im Unterschied zu Sony trifft er überhaupt Entscheidungen und genau das ist es, was Formula One Championship Edition in diesem Jahr einen großen Schritt weitergebracht hätte.

Dabei wäre doch nur Feintuning notwendig gewesen und Sony hätte Formel 1-Fans in aller Welt glücklich gemacht. Denn im Grunde ist alles drin, was sich ein Rennsport-Fan wünscht: Alle Originalstrecken, die Originalteams, selbst die Original-RTL-Sprecher wurden verpflichtet und dann scheitert der Formel 1-Renner am Gameplay. Etwas mehr „I“ bei der gegnerischen KI und eine Generalüberholung der Steuerung hätten vermutlich für ein kleines Wunder gesorgt. Dann noch etwas an der Präsentation gefeilt, den Boxenfunk und das Minispiel rausgeworfen und schon wäre die spielbare TV-Übertragung Wirklichkeit geworden. Vielleicht wird diese Vision im nächsten Jahr in die Realität umgesetzt - die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Die Formel 1-Saison 2006 erscheint pünktlich zum PS3-Start am 23. März.

5 / 10

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Über den Autor

Tobias Lampe

Contributor

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