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Kolumne: Jan Bojaryn über 'Die Killersoap'

Es hört nie auf!

Erst mal zum offenen Fenster gehen, die Arme ausbreiten und tief durchatmen. Frische Luft! Die Sonne scheint. Radio PSR plärrt durch meine kleine Straße. Eine Paketbotin steht mit zwei leeren Wäschekörben vor der Haustür. Ein friedlicher Morgen in der Dresdner Neustadt. Die Menschen draußen sind vergnügt. Nur ich nicht. Warum? Ich bin in der Killerspiel-Debatte gefangen. Abgestandene Kneipenluft hängt im Raum, die Tapeten sind vergilbt.

Uns allen geht es so. Wer sich als Gamer outet, muss mit Skepsis rechnen. Fast so alt wie das Medium sind die Streitgespräche, wer wie und in welcher Form von Videospielen ruiniert und auf die schiefe Bahn gebracht wird. Und so schnell werden wir diese Debatte nicht los. Schließlich hält sie auch schon Jahrzehnte an. Je nach Blickwinkel hat sie ganze Jahrhunderte auf dem Buckel.

Was bisher geschah

Was man sich nicht kaufen kann, strickt man sich eben.

Mortal Kombat,Doom, Carmageddon – zynische Spielideeen und neue grafische Darstellungsqualitäten möglichst brutaler Geschmacklosigkeiten sind ein fester Bestandteil der Videospielekultur. Einig sein dürften sich die meisten, dass solche Titel erst ab einem bestimmten Alter in Spielerhände gehören; welches genau, kann man nicht sicher sagen. Schließlich entwickelt sich jedes Kind anders. Kein Wunder also, dass die geltenden Regulierungssysteme, welche es auch immer waren, durch die Zeiten und Länder kritisiert wurden. In Deutschland vergibt die USK seit 2003 gesetzlich verbindliche Alterskennzeichnungen. Unser System gilt als eines der strengsten der Welt. In liberaleren Ländern macht man sich gern über den aufwändigen deutschen Jugendschutz lustig. Oft kritisiert wird die vermeintliche Zensur, die mit der Indizierung eines Titels erreicht würde.

Vor diesem Hintergrund geht es vielen Gamern auf die Nerven, wenn Menschen von außen kommen und, meist ohne viel zur Materie zu wissen, annehmen, man müsse da was nachregeln. Die Forderung im Vertrag unserer Regierungskoalition ist ein deutliches Beispiel: Killerspiele sollen verboten werden. Gut, dass niemand weiß, was denn genau ein 'Killerspiel' ist.

Jüngster Aufreger: Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachen e.V. ist in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, die USK sei einfach zu lasch. Gutachter der USK haben anderswo die Studie in der Luft zerrissen, samt Gegenrede des KFN und erneutem Gegenangriff der Gutachter. Und weil die KFN-Studie vor allem Ergebnisse präsentiert, die bereits vorher formuliert wurden, muss man neue Argumente in der Debatte lange suchen. Alles ist gesagt, die Meinungen sind abgesteckt und nun braucht es nur noch ab und zu Auslöser, damit mehr und weniger fachkundige Menschen sich öffentlich anschreien können. Haben wir das nötig?

Wege aus der Lesesucht

Auch im 18. Jahrhundert gab es eine schlimme Plage, die besonders junge und leicht beeinflussbare Menschen verdarb: Die Lesesucht. Speziell Frauen verschlangen eifrig Liebesromane. Die Gefahren dieser Lesewut lagen auf der Hand: Übereifriges Lesen ohne genug Zeit zu Verarbeitung und Reflexion schlugen den Leserinnen auf den Kopf. Geistiges Fastfood also, das immer nur das Bedürfnis nach mehr anstachelte.

Die Realitätsflucht und ihre fatalen Folgen hatte man damals also schon erkannt. Leider waren die Möglichkeiten der Statistik damals nicht so gut entwickelt, so dass die tatsächlichen Auswirkungen der Epidemie im Nebel der Geschichte verschwinden. Heute sind Bücher nicht mehr so populär; Gott sei Dank.

Über den Autor

Jan Bojaryn

Contributor

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