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Die Gilde 2

Mein Leben im Mittelalter

Es gibt Leute, die denken sie haben früher schon mal gelebt. Mag ja sein – wer weiß. Auf mich hat das Mittelalter schon immer eine ganz eigenartige Faszination ausgeübt. Ist das nun ein Zeichen dafür, dass ich mich im 15. Jahrhundert schon mal als Schweinehirt im Dreck gesuhlt oder gar als wohltätiger Patrizier um die Geschicke meiner Heimatstadt verdient gemacht habe? "Die Gilde 2“ ist für mich vielleicht das ideale Programm, testweise die Zeitreise in die Vergangenheit anzutreten. Also schlüpfe ich in die Rolle von Bruce Lilywhite, einem einfachen Mann auf der Suche nach dem Glück.

Ich gestalte mir Bruce in "Die Gilde 2“ nach meinem Gusto – schließlich soll er ein wenig sein wie ich: Sternzeichen, Religion, das angegraute Kopfhaar, der mit den Jahren allmählich gewachsene Bauchansatz. Im Lauf meiner Auseinandersetzung mit "Die Gilde 2“ werde ich dann erfahren: Ich BIN Bruce Lilywhite – er verhält sich wie ich, zaudert manchmal zu lange, ist gelegentlich zu gutmütig. Und wenn er zur Abwechslung mal richtig "böse“ sein will, fällt er damit leicht auf die Schnauze. Trotzdem: Bruce Lilywhite kann manchmal Dinge ausprobieren, die ich im realen Leben nicht machen würde: er besticht seine Mitbürger, fordert sie zum Duell heraus, sabotiert ihre Produktionsbetriebe. Das verleiht dem Spiel einen ganz besonderen Reiz.

Selbstversuch: War ich der Schmied von Newark?

Wir schreiben das Jahr 1400. Bruce Lilywhite kommt in das kleine englische Städtchen Newark. Er möchte endlich sesshaft werden, es ist Zeit, eine Familie zu gründen und beruflich Fuß zu fassen. Doch in welche Richtung soll es gehen? Die Berufswahl fällt noch ziemlich leicht: Die schiefe Bahn als Gauner scheidet von vornherein aus – ich sehe Bruce als ehrliche Haut. Will er stattdessen als Patron die Menschen mit Brot und Wurst versorgen oder ihnen im Gasthaus Humpen schäumenden Bieres kredenzen? Reicht sein Grips für eine Laufbahn als gelehrter Priester oder Alchemist? Nein. Lilywhite soll Handwerker werden. Als Schmied kauft er sich für sein Erspartes eine schäbige kleine Gießerei für den Anfang.

Im Tutorial werden die vier verfügbaren Berufsklassen vorgestellt.

Die erste Hürde fürs Städterleben wäre damit gemeistert. Doch dann stehe ich mit meinem Alter Ego etwas ratlos da. Eigentlich hieß es ja mal, dass"Die Gilde 2“ eine Kampagne enthalten soll, in deren Verlauf es unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen gilt. Statt der Kampagne bietet das Programm nun eine Handvoll Karten, auf denen Bruce völlige Handlungsfreiheit hat. Die groben Ziele, die er verfolgen kann: eine Dynastie gründen und diese zu Macht und Wohlstand führen, alle Kontrahenten auslöschen oder innerhalb eines festen Zeitlimits möglichst viele Gewinnpunkte erhaschen. Aber wie fängt man am besten damit an?

Das mehrstufige Tutorial hilft weiter. Es erklärt nicht nur die ersten Schritte auf der Karriereleiter vom Gemeinen zum Edelmann, sondern führt auch in die Feinheiten der Steuerung ein. Leider haben die Sprechertexte den Charme einer Bedienungsanleitung für einen Waschvollautomaten. Bei den ellenlangen Beschreibungen von Dynastie, Produktionskreislauf und Politik klinkt man sich irgendwann einfach gähnend aus. Also bleibt einem nichts anderes übrig als später selbst den besten Weg herauszufinden, mit Maus und "Gilde 2“ umzugehen.

Richtig intuitiv ist das nicht: wann klickt man links, wann rechts, wann doppelt? Wie funktioniert der komische Schieberegler beim Kaufen und Verkaufen von Waren? Warum lassen sich manche Aktionen überall ausführen, während man bei anderen erst umständlich ein bestimmtes Haus betreten muss? Manchmal klappt das System auch erst auf den zweiten Klick, wenn beispielsweise eine Person über die Gebäude-Icons am rechten Bildschirmrand an einen bestimmten Ort geschickt werden soll. Mit der Zeit lernt man dann die "Short Cuts“ schätzen, die Dynastie- und Politikmenü zumindest für den Umgang mit anderen Leuten bieten: hier lässt sich ohne große Umwege direkt in der Personenliste nach Herzenslust beleidigen, bestechen, umgarnen, küssen, beschenken, bedrohen …

Der Einstieg: Unendliche Möglichkeiten

Die Angestellten richtig zur Sau machen – Bruce findet mit der Zeit Gefallen daran.

Erst mal soll sich Bruce nun um seine Gießerei kümmern, sein Geschäft in Gang bringen. Zunächst schickt er jeden Transportkarren einzeln zum Markt, lässt die nötigen Rohstoffe aufladen und verkauft im Gegenzug seine ersten Produkte. "Ziemlich mühsam, das Ganze“, denken Lilywhite und ich einmütig. "Wenn ich jetzt noch gleichzeitig eine Frau zum Heiraten finden und mich um ein politisches Amt kümmern soll, wird das vielleicht ein bisschen viel.“ Managerkrankheit. Doch es gibt Abhilfe: die Produktion in der Gießerei lässt sich flexibel automatisieren, Karren und Arbeiter verrichten selbstständig ihren Dienst. Bruce muss seinen Untergebenen nur ab und zu mal kräftig Feuer unterm Hintern machen. Er selber kassiert für solche Aktionen noch Erfahrungspunkte, mit denen er dann seine eigenen Fähigkeiten ausbauen kann. Warum also nicht öfter mal das Arschloch spielen? Mit steigendem Reichtum und zunehmender Erfahrung kann Bruce weitere Arbeiter einstellen, seinen Betrieb nicht nur mit diversen Einbruchssicherungen aufwerten, sondern auch zur Gold- oder Waffenschmiede ausbauen.

Bruce auf Brautschau

Die kleine Rosalie muss erst heranwachsen, bis sie zum Familienvermögen beitragen darf.

Ohne Familie ist der gesellschaftliche Aufstieg in Newark nicht zu bewerkstelligen. Kaum im Städtchen angekommen, jage ich mit Bruce deshalb schon hinter jedem Rock her, um eine Braut für ihn zu finden. Mein Protagonist wirft mit Komplimenten nur so um sich und verteilt Geschenke, die er sich mit seinem bescheidenen Mitteln leisten kann. Das Baggern ist mit jeder Menge nerviger Lauferei verbunden. "Wo zum Teufel treibt sich die Angebetete jetzt wieder auf der Karte herum?!“ Doch schon bald stellt man fest, dass es auch einfacher geht: Ein Rechtsklick in die bereits erwähnte Personenliste des Dynastiemenüs reicht, und Bruce macht sich von alleine auf die Socken zur Geliebten. Damit kann man leben.

Nach der Heirat mit einer drallen Patrizierin geht es dann am Feierabend mit schöner Regelmäßigkeit zur Sache: "Edna, ich muss etwas mit Dir besprechen. Würdest Du mir dazu bitte ins Schlafzimmer folgen?“ Der Vorhang wird zugezogen, wir ahnen, was dahinter vor sich geht – und irgendwann erblickt Rosalie Lilywhite das Licht der Welt. Was dabei nicht nur Bruce, sondern auch mich völlig in den Wahnsinn treibt: Warum zum Teufel muss ich 16 lange Jahre warten, bis ich Rosalie in meine Dynastie aufnehmen und für die Familie schuften lassen kann? OK, Kinderarbeit … aber fürs flüssigere Gameplay hätte man hier ja mal ein Auge zudrücken können.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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