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Medieval 2: Total War

Da möchte man selbst ein Ritter sein

Weltpolitik mit Berater

Sowohl in der Schlacht als auch auf der Strategie-Karte bieten Berater umfangreiche Hilfestellungen.

Mittelalter mit Brettspiel-Flair vermittelt die in einer großen und einer kleinen Variante spielbare Kampagne auf der rundenbasierten Strategie-Karte. Ganz traditionell nach "Risiko"-Manier erweitert Ihr hier nach und nach Euer Einflussgebiet und müsst dabei eine Vielzahl von Schauplätzen im Auge behalten. Anfangs ist es noch leicht, die paar Burgen und Städte zu managen, die ersten Kaufleute und Spione auf die Reise zu schicken oder die Landesgrenzen zu kontrollieren. Angesichts des umfangreichen Entwicklungsbaums ist man zunächst froh, dass man sich von einer netten Beraterin Hinweise holen kann, was als nächstes gebaut werden sollte. Je weiter Ihr Euer Reich ausdehnt, desto schwieriger wird es, wirklich an alles zu denken – wenn man in einen Zweifrontenkrieg verwickelt ist, übersieht man gern mal den unscheinbaren Diplomaten, mit dem man im fernen Stockholm eigentlich vor ein paar Runden Verhandlungen aufnehmen wollte. Nach jeder Runde wird zwar mit allerlei Statistik "abgerechnet", aber Hinweise auf untätige Einheiten oder vernachlässigte Siedlungen erwartet Ihr dabei vergebens. Natürlich dürft Ihr auch Stadt- und Burgverwaltung automatisieren, doch wo bleibt dann noch die Herausforderung? Ganz abgesehen davon, dass jede Siedlung ganz individuelle strategische Anforderungen stellt – sei es nun unter militärischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Undankbare Aufgaben

Showdown: die Spanier werden von zwei Seiten gleichzeitig angegriffen.

Glaubt nicht, dass mit Eurem Expansionsdrang immer alles nach Plan läuft. Typisches Beispiel: Der feindliche Nachbar rückt Euch gefährlich auf die Pelle und bezieht mit seinen Armeen vor mehreren Eurer Siedlungen Stellung. Ihr ahnt das Unheil und rüstet kräftig auf, um Eure Territorien zu verteidigen. Just in dem Moment klopft der Papst bei Euch an, ob Ihr nicht die Güte hättet, eine schlagkräftige Truppe zum Kreuzzug in den Nahen Osten zu verschiffen. Da man es sich mit dem Kirchenfürsten nicht verscherzen sollte, bleibt Euch nichts anderes übrig, als Soldaten aus Euren bedrohten Städten abzuziehen und gen Jerusalem zu schicken. Jetzt sitzt Ihr in der Klemme: der feindliche Nachbar wittert Eure Schwäche und fällt über Eure Siedlungen her. Gleichzeitig machen Stürme und Piraten Euren Kreuzrittern auf See zu schaffen. Da Ihr in Medieval 2 dummerweise nicht direkt in Seeschlachten eingreifen könnt, müsst Ihr Niederlagen hier machtlos hinnehmen – ein Rückzug aus einem ungleichen Kampf ist nämlich auch nicht möglich. Schlimmstenfalls ist ein Großteil Eurer Kreuzzügler verstorben oder desertiert, bevor die Truppe überhaupt das Heilige Land erreicht. Nach einer solchen Erfahrung stellt Ihr Euch vielleicht die Frage, ob man wirklich jede Mission annehmen muss. Klare Antwort: Nein. Großer Aufwand und mickrige Belohnung in Form von ein paar Talern oder Kampfeinheiten stehen oft in keinem Verhältnis zueinander. Auch die finale Herausforderung von Medieval 2, die Eroberung Amerikas im Kampf gegen die schlecht bewaffneten Azteken, lässt Euch möglicherweise ernüchtert zurück. Die Neue Welt bietet spielerisch eigentlich nichts wirklich Neues und wirkt wie ein Anhängsel an ein ansonsten rundes Programm. Sollte der Amerika-Part von Medieval 2 womöglich nur der "Cliffhanger" für ein Add-on sein?

Das Gehirn eines Ritters

In den Massenschlachten zeigt sich das ausgereifte Balancing der Waffengattungen.

Ich habe die zig verschiedenen Einheiten in Medieval 2 nicht gezählt, aber Creative Assembly hat das Kunststück fertig gebracht, die vielen unterschiedlichen Waffengattungen perfekt gegeneinander auszubalancieren. Die über 20 verschiedenen Fraktionen gehen alle mit individuellen Stärken und Schwächen an den Start. Während Frankreich beispielsweise über eine herausragende schwere Kavallerie verfügt, glänzt der Stadtstaat Mailand durch technologischen Fortschritt und versierte Armbrustschützen. Trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen bleibt das Kräftegleichgewicht zwischen den konkurrierenden Staaten weitgehend gewahrt. Die KI leistet dabei Beachtliches: Dass die Moral stark geschwächter Kampfverbände irgendwann ins Bodenlose sinkt und die Männer die Flucht antreten, um ihr nacktes Leben zu retten, ist mittlerweile nichts Besonderes mehr. Trotzdem erlebte ich auf dem Schlachtfeld immer wieder nette Überraschungen: Einmal dezimierte ich die gegnerische Armee bis auf einen kleinen Haufen Kämpfer, die dann verängstigt vor meinen Soldaten davon liefen. Meine verbliebene Infanterie nahm die Verfolgung auf und wurde … an der Nase herumgeführt. Nach einer Hatz über das weitläufige Feld waren meine Leute schon ziemlich erschöpft, als plötzlich eine neue Horde Gegner aus dem Wald hervor brach und ihnen Saures gab.

Auch auf der Strategie-Karte geht es recht "intelligent" zu: Habt Ihr beispielsweise mal ein Bündnis gebrochen, steigt das Misstrauen gegen Euren Staat und es wird deutlich schwieriger, neue Allianzen zu schmieden. Wollt Ihr ein Bündnis ohne derartige Nachteile beenden, reicht es oft, in der Nähe der Landesgrenze Eures KI-Gegners eine starke Armee zu postieren. Damit könnt Ihr ihn unter Umständen zu einem Offensivschlag provozieren und Ihr wascht beim Bündnisbruch Eure Hände in Unschuld.

Unter dem Harnisch

Was Medieval 2 neben der ungeheuer dichten Mittelalter-Atmosphäre noch auszeichnet, ist seine Vielseitigkeit. Einzelspielerschlachten gegen die KI lassen sich genauso bis ins kleinste Detail individuell konfigurieren wie die Multiplayer-Partien via LAN oder Gamespy für bis zu acht PC-Ritter. Ihr legt nicht nur Art und Zahl der eingesetzten Einheiten selbst fest, sondern bestimmt auch noch deren Erfahrung oder Panzerung. Wetter, Tages- und Jahreszeit könnt Ihr ebenso beeinflussen wie die Art der Siedlung, um die gekämpft werden soll. Wer sich nicht mit so viel Vorarbeit belasten will, wählt für eine "Schnelle Schlacht" einfach aus einer ganzen Reihe vorgefertigter Szenarien. Da das nicht alles nur Makulatur ist, sondern tatsächlich für viel Abwechslung im Gameplay sorgt, bleibt Medieval 2 auf lange Sicht motivierend.

Ohne Brustpanzer geh ich nicht mehr aus dem Haus! Ja, Ihr könnt ruhig lachen: das Spielerlebnis von Medieval 2 ist so intensiv, dass ich in letzter Zeit oft von mittelalterlichen Schlachtfeldern geträumt habe. Man fühlt sich, als ob man mit einer Zeitmaschine 1.000 Jahre in die Vergangenheit gereist wäre – die detaillierten, realistisch animierten Kämpfer, der raue Wind, der über die Burgfriede pfeift, der von archaischer Gregorianik und maurischen Anklängen durchsetzte Soundtrack, das allein schon lässt Euch tief abtauchen in die Welt des Rittertums. Die deutsche Lokalisierung versprüht zwar nur ansatzweise den Charme der englischen Version – und sogar das eine oder andere "vergessene" englische Wort findet sich in den Bildschirmtexten -, ist aber im Großen und Ganzen recht gelungen.

Trotz der tollen Präsentation ist Medieval 2 spielerisch nach Rome: Total War nicht der große Quantensprung, sondern eine evolutionäre Weiterentwicklung. Manchmal hätte ich mir bei den Missionen auf der Strategie-Karte ein wenig mehr Abwechslung (und größere Anreize durch Belohnungen!) gewünscht. Richtig ärgerlich fand ich jedoch nur, dass man auf Seeschlachten praktisch kaum Einfluss nehmen kann. Immerhin hatte Mark Sutherns in unserem Interview nicht zu viel versprochen: Medieval 2" lässt sich trotz der ganzen Grafikpracht auf halbwegs modernen Rechnern mit einer Geforce 7600 bei (fast) allen Details tatsächlich flüssig spielen. Aber jetzt genug der Worte – ich muss heute schließlich noch den aufmüpfigen Franzosen zeigen, wo die Hippe hängt!

9 / 10

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