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Sid Meier's Railroads!

Besser als jede Modelleisenbahn?

Außerordentlich schnell, fast immer pünktlich, für gewöhnlich sehr zuverlässig, nett anzuschauen - das sind Attribute, mit denen sich jeder gerne schmückt. Aber reden wir nicht zu viel über mich, ich kenne schließlich meine Qualitäten. Sprechen wir lieber von Zügen. Die nämlich verkörpern in der Regel genau das Gegenteil: Sie bummeln durch die Landschaft, bleiben gerne mal liegen, mit ihrem Rot-Weiß gewinnen sie keine Schönheitspreise und von der Pünktlichkeit will ich gar nicht erst anfangen.

Trotzdem mögen wir fast alle Züge, weil sie eine gewisse Faszination ausüben, sich irgendwie gemütlich anfühlen. Vielleicht, weil sie uns an alte, vermeintlich bessere Zeiten erinnern, als „die Welt noch in Ordnung war“. Sid Meier's Railroads!, das neueste Werk des Altmeisters unter den Spieledesignern, erinnert auch an alte Zeiten. Die aber nicht immer besser waren.

Der übliche Ablauf

Konkurrent aufgekauft, Land erobert, nächstes bitte!

Railroads! orientiert sich natürlich an Railroad Tycoon, einem von Meiers ersten richtig großen Hits. Wer das Original oder irgendeinen der zahlreichen Klone in den letzten fünfzehn Jahren angefasst hat, der weiß, wie der Hase läuft: Ihr spielt einen Pionier des Bahnwesens, müsst ein Schienennetz aufbauen, Züge kaufen und Verbindungen planen, Geld verdienen. Da aber aller Anfang bekanntlich schwer ist, beginnt Ihr mit nur einem einzigen Bahnhof und ein paar Peanuts auf dem Konto. Also verlegt Ihr Schienen zur nächsten Stadt, hängt zwei, drei Waggons an eine Lokomotive und los geht's: Die ersten Passagiere und Postsäcke fahren von A nach B.

Mehr Geld als der Personenverkehr spült jedoch der Transport von Gütern in die leeren Kassen - und jetzt wird’s ein bisschen komplizierter. Denn selbstverständlich produziert jede Stadt andere Waren und hat andere Bedürfnisse. Sagen wir mal, es gibt in der Nähe von San Diego eine große Eisenerzmine, aber San Diego will gar kein Eisenerz, sondern Autos. Dann müsst Ihr das Erz erst nach Los Angeles schaffen, wo es in Stahl umgewandelt wird. Von dort aus geht es weiter nach Las Vegas, wo die fleißige Industrie den Stahl zu Autos verarbeitet. Und erst danach kann das einstige Eisenerz gewinnbringend in seinem Herkunftsort verscherbelt werden.

Einfache Handhabung

Nach und nach bekommt Ihr neue und schnellere Züge.

Zum Glück ist Railroads! lange nicht so komplex, wie sich das möglicherweise anhört. Symbole über jeder Stadt zeigen Euch etwa an, was die Menschen wollen und wo Ihr es herbekommt. Die Routenplanung geht leicht von der Hand und mit genügend Geld könnt Ihr lange Wege sogar abkürzen - indem Ihr in San Diego ein Stahlwerk und eine Autofabrik baut, um bei obigem Beispiel zu bleiben. Dann kann die Stadt nämlich direkt etwas mit dem Eisenerz anfangen und Ihr habt Eure Ruhe. Zumindest, wenn da nicht die Mitstreiter wären, die ebenfalls die Landschaft mit Schienen überziehen und Euch Konkurrenz machen.

„Die Landschaft“, das sind fünfzehn verschiedene Szenarien, darunter Nordamerika, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Auf eine Kampagne haben die Entwickler aber verzichtet: Ihr spielt einfach auf einer Karte Eurer Wahl, bestimmt Anzahl der Kontrahenten und Schwierigkeitsgrad nach Belieben. Auf denen gilt es, verschiedene Ziele zu erfüllen, die zum schnellen Aufbau des Unternehmens animieren. Drei Städte innerhalb von zwanzig Jahren miteinander verbinden, eine bestimmte Menge Nahrung ausliefern, alle Konkurrenten übernehmen. Macht Spaß, motiviert, ist aber alles altbekannt.

Etwas zu bekannt vielleicht, denn Railroads! spielt sich fast genauso wie all seine Vorgänger und deren Nachahmer, nimmt sogar einige Verbesserungen des (nicht von Meier entwickelten) Railroad Tycoon 3 zurück: Unfälle, eine brauchbare Undo-Funktion, das Benutzen von Strecken der Konkurrenz. Gerade einmal zwei nennenswerte Neuerungen gibt es: Zum einen die Versteigerung neuer Technologien, die mit fortschreitender Zeit bereit stehen. Zum anderen den Kauf und Verkauf von Aktienpaketen. Interessant ist das vor allem im Multiplayerpart, in dem Ihr ständig aufpassen müsst, nicht plötzlich übernommen zu werden. Aufregendes Um-die-Wette-bieten garantiert.

Wo ist die Spieltiefe?

Die Planung geht leicht von der Hand. Ein bisschen zu leicht sogar.

Davon abgesehen allerdings, haben wir Railroads! so schon dutzendfach in der Vergangenheit gesehen und das ist schade. Insbesondere, weil sich der Spielablauf nach der ersten Viertelstunde auch nicht mehr großartig ändert oder gar Abwechslung bietet. Ihr erweitert Euer Netz, kauft neue Züge, wartet, bis Ihr wieder genug Geld habt, erweitert Euer Netz, kauft neue Züge...

Was fehlt, das ist aber nicht nur die Innovation, sondern auch die Herausforderung, die Spieltiefe. Warum hört die Simulation der wirtschaftlichen Abläufe genau da auf, wo es spannend wird? Ich würde meine Gegner gerne schlagen, indem ich meine Preise besser kalkuliere, immer einen Tick billiger bin als die Konkurrenz. Aber ich kann es nicht. Ich würde gerne ein Monopol zwischen zwei Metropolen aufbauen, die Pendler dann mit Wucherpreisen und schlecht gewarteten Zügen ausbeuten. Aber das Spiel lässt mich nicht. Es ist nicht einmal von Belang, ob ich meine Passagiere oder Güter von Hamburg nach Bremen oder von Hamburg nach Wien fahre. Der Preis ist der Gleiche.

Railroads! kratzt immer nur an der Oberfläche und hört genau dort auf, wo es richtig spannend werden könnte. Es ist mehr ein Sandkasten für alle, die keinen Platz für eine echte Modelleisenbahn haben, denn ein anspruchsvolles Spiel. Und so gesehen ist es auch nicht schlecht; nur nicht das, was man erwarten mag. Was Railroads! aber unabhängig von den Erwartungen fehlt, ist das Gefühl, über hundert Jahre Eisenbahngeschichte „live“ zu erleben. Die sind bei normaler Spielgeschwindigkeit nämlich nach ein, zwei Stunden vorbei, die Zeit vergeht viel zu schnell. Da ergibt es auch wenig Sinn, seinen Zügen einen eigenen Anstrich oder gar Namen zu verpassen - wenn man sie ohnehin nicht über einen längeren Zeitraum begleiten kann.

Dafür kann sich die Grafik durchaus sehen lassen: Die betont das Gemütliche, etwas Betuliche nämlich bestens. Glückliche Kühe steigen in Viehtransporter, dampfende Lokomotiven keuchen über die Wiesen, Städte wachsen mit der Zeit, verändern ihr Aussehen. Die Hardwareanforderungen stehen leider trotzdem in keinem Verhältnis dazu: Auf einem Core 2 Duo 6600, 2GB Ram, mit einer Radeon X1900XT lief es bei vollen Details und in einer Auflösung von 1280x1024 im Schnitt mit 15 Frames pro Sekunde. Und so hoch ist der Detailgrad nun wieder auch nicht.

Die entscheidende Frage ist wahrscheinlich, was Ihr von Sid Meier's Railroads! erwartet. Wollt Ihr eine echte Wirtschaftssimulation, ein wenig gefordert werden, etwas Neues sehen, dann ist das Spiel wahrscheinlich nichts für Euch. Möchtet Ihr hingegen nur in Ruhe ein bisschen bauen, ohne Hektik ein kleines Imperium hochziehen, euren Traum von einer eigenen Eisenbahn zumindest virtuell zu verwirklichen, seid Ihr hier genau richtig. Ein nettes Spiel, das eben ein bisschen zu stark an alte Zeiten erinnert.

Sid Meier's Railroads! ist ab dem 27. Oktober für den PC erhältlich - und billiger als jede Modelleisenbahn.

7 / 10

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Über den Autor

Fabian Walden

Freier Redakteur

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