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Virtua Tennis 3

Hackfressen auf dem Tennis-Court

Unsere Redaktion besteht eigentlich aus lauter Sturköpfen. Gerade wenn es um Wertungen, persönliche Hitlisten oder auch nur die beste Konsole geht, sind die Lager tief gespalten. Da wird gestritten, geflucht und gejammert, dass sich die Balken biegen. Nur in ganz seltenen, lichten Momenten trifft ein Kollege den Nagel auf den Kopf und begeistert schütteln wir uns die Hände.

Genau solch einen raren Augenblick hatte ich beim Test von Virtua Tennis 3. Als ich zum ersten Mal die verwachsene Lindsey Davenport sah, erinnerte ich mich an Fabian's Wochenrückblick vom 19. Januar. Unter dem Titel "Zombie-Tennis", gab es die Nahaufnahme einer Virtua Tennis 3-Spielerin, die statt Zuneigung echte Abscheu hervorrief. Den passenden Uncanny Valley-Effekt klau ich mir mal frech vom Kollegen und verweise dabei auf das versammelte Line-up.

Mal abgesehen von Oblivion und Top Spin 2 kann ich mich an keine Spielfigur erinnern, die gleichzeitig so lebensecht und so abstoßend auf mich wirkte. Im Arcade-Modus muss man diese Wachsfiguren glücklicherweise nur aus der Entfernung betrachten, im Kampagnen-Modus dagegen, werden die bildschirmfüllenden Aliens mit ihren abgehackten Bewegungen und fehlender Lippen-Bewegung so ziemlich jedes Kind zum Weinen bringen.

Altbewährtes Gameplay, schicke Arenen

Und das ist noch einer von den hübscheren Spielern.

Diese Begegnungen der dritten Art sind zwar harter Tobak für den Magen, doch für das eigentliche Spiel natürlich irrelevant. Schließlich wird mit Virtua Tennis 3 eine meisterhafte Sportspiel-Serie fortgesetzt, die gleich zweimal Zeichen setzte. Der erste Teil für Arcade und Dreamcast revolutionierte das Bildschirmtennis und sorgte mit seine gesunden Mischung aus Zugänglichkeit und Anspruch für einen gigantischen Welterfolg. Beim zweiten Teil gab es erstmals einen umfangreichen Karriere-Modus mit Mini-Spielen, der dem größten Konkurrenten Top Spin zum Vorbild diente. Nun soll der dritte Teil dank Next Generation-Grafik die Erfolgsgeschichte fortsetzen.

Rein optisch kann Virtua Tennis 3 - bis auf die zum Teil gruseligen Gesichter -, auf Anhieb gefallen. Vor allem Animationen und Plätze sind wirklich hervorragend gelungen. Auf den ersten Blick wirkt das Geschehen wie eine TV-Übertragung und geht spielerisch flott von der Hand. Mit gerade mal drei verschiedenen Schlägen lassen sich spannende Ballwechsel ausspielen, die selbst Anfänger nicht überfordern. So ist es zum Beispiel nahezu unmöglich, während den Partien den Ball im Aus zu versenken. Nur bei extrem ungewöhnlichen Schlägen, haut Euer Protagonist die Kugel ins Netz oder ins Seiten-Aus. Beim Aufschlag muss man hingegen feiner dosieren, um nicht einen Doppelfehler nach dem anderen zu produzieren. Spezialschläge und zusätzliche Energieleisten sucht man vergebens. Trotzdem verbirgt sich hinter dem einfachen System eine enorme Spieltiefe, die sogar bei Profis zu packenden Ballwechsel führen.

Gruseliger Karriere-Modus mit sinnlosen Design-Entscheidungen

So schön kann Tennis aussehen.

Das eigentliche Gameplay wurde also kaum angefasst. Umso spannender ist, was aus dem Karriere-Modus wurde. Hier lauert die mit Abstand größte Enttäuschung. Mal abgesehen von ein paar schicken Mini-Games, wurde bei der World Tour auf der ganzen Linie gepfuscht. Angefangen bei einem schmalbrüstigen Charakterbildschirm, über einen miesen Schwierigkeitsanstieg unter den Top 200 bis hin zu den gerade mal 20 lizenzierten Stars - eine einzige Katastrophe.

Selbst die bei Top Spin lieb gewonnenen Elemente, wie Sponsorenverträge und realistische Turnier, fallen bei Virtua Tennis 3 flach. Im Prinzip löst Ihr nur ein Minispiel nach dem anderen, um Euer digitales Ebenbild zu trainieren, und nehmt alle paar Spiel-Wochen an einem Turnier teil. Leider gibt es im Trainingsmodus kaum Anreize taktisch zu agieren, weil die Einzelstunden kein Geld, sondern nur Ausdauer kosten. Diese kann man kostenlos zu Hause auffrischen. Nur, wenn man sich extrem blöd anstellt, und trotz fehlender Ausdauer trainiert, bekommt man als Quittung eine Verletzung verpasst.

Die Wahl des Stirnbands und T-Shirts machen die Nr. 1 - Roger Federer - zur Lachnummer.

Wirklich nervig ist der unausgewogene Schwierigkeitsgrad. Bis Platz 200 putzt man jeden Kontrahenten ohne Gegenwehr vom Platz, während man darüber kein Land mehr sieht. Nur mit viel Geduld gelingt es unter die Top 100 vorzustoßen – gerade für Anfänger ein harter und steiniger Weg. Erschwerend kommt hinzu, dass Sega eben nur 20 verschiedene Sportler lizenzierte. Wenn man nun also die Frauen-Tour nachspielt, bleiben für Dutzende Matches gerade mal 10 weibliche Kontrahentinen übrig, die einen vom Anfang bis zum Ende hindurch begleiten. Für die Atmosphäre ist so es eine Katastophe, wenn man die Nummer 2 im realen Tennis - Maria Scharapova - zu Null wegputzt, nur um beim dritten Aufeinandertreffen von ihr ungespitzt in den Boden gerammt zu werden. Im Vergleich zur hervorragenden Top Spin-Karriere ein echtes Desaster.

Immerhin gibt es bei den Mini-Spielen ein paar nette Neuerungen. Ob Tennis-Bowling, Eisstockschiessen oder Bingo, Sega setzt voll auf Abwechslung und dreht später richtig auf. Spätestens wenn man für eine bessere Beinarbeit riesigen Tennis-Bällen ausweicht und Früchte einsammelt, fällt der harte Tennis-Alltag von Euch ab. Auch der Arcade-Modus kann gefallen und bietet neben viel Abwechslung jede Menge fordernde Ballwechsel. Doch wirklich spaßig ist nur das Online-System der Xbox 360-Fassung. Während man auf der Playstation 3 nur gemeinsam vor einem Bildschirm hockt, haben die externen Entwickler von Sumo Digital Segas Xbox 360-Umsetzung ins Netz geholt. Ganz wie bei Top Spin kann man so gegen Spieler aus der ganzen Welt antreten und so den langweiligen Karriere-Modus hinter sich lassen. Mittels Ranglisten und Statistiken ist wochenlanges Austoben vorprogrammiert und man wird nicht wie bei Top Spin von Übercracks gleich in Grund und Boden gespielt.

Nach dem Komplett-Ausfall von Sonic gelingt es Sega auch bei Virtua Tennis 3 nicht, an die Glanz-Zeiten anzuknüpfen. Während sich die eigentliche Spielmechanik gewohnt intuitiv ins Bilde rückt, entpuppt sich der Karriere-Modus als Null-Nummer. Die knappe 8, die unter diesem Test steht, gilt allein für den gelungenen Online-Modus. Wer nicht online geht und keine Virtua Tennis-3-Partner besitzt, kann mal locker gleich zwei Punkte abziehen. So genial also die Arcade-Entwickler von Sega das Gameplay auch hinbekommen, so lustlos befassen sie sich mit dem Single-Player. Vielleicht sollte ihnen mal jemand erklären, dass man für sein Geld auch allein Spaß haben möchte und das nicht jeder Einzelspieler-Modus als pures Training für die Mehrspielerpartien herhalten muss. Doch genug gejammert, ich muss dringend zurück an meine Xbox und noch ein paar Online-Partien gewinnen. So kann ich wunderbar den Ärger über den Karriere-Modus abbauen.

Virtua Tennis 3 erschien am 23. März für den Xbox 360, Playstation 3 und PC.

8 / 10

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In diesem artikel

Virtua Tennis 3

PS3, Xbox 360, PSP, PC

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Über den Autor

Kristian Metzger

Contributor

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