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A Plague Tale: Requiem im Test – Von einem Extrem ins nächste: Selten war ich so hin- und hergerissen

Idylle und Leichenberge.

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Die gute Geschichte wird holprig erzählt, audiovisuell und spielerisch ist das abwechslungsreiche Abenteuer aber erneut die Reise wert.

Puh... schon wieder eine Szene, in der Hugo über den Sinn seines Lebens lamentiert, anstatt wie ein sechsjähriges Kind einfach zu weinen oder sich an seine Schwester zu schmiegen – oder an jemand Anderen, um den aufkommenden Zwiespalt zu verdeutlichen. Natürlich hat er viel durchgemacht; ist von einem magischen Fluch besessen und kann Rattenschwärme so lenken, dass sie Menschen auffressen. Freude macht ihm das nicht! Trotzdem wünschte ich manchmal, A Plague Tale: Requiem würde die Tür im Haus lassen und seine Geschichte mit mehr Bedacht inszenieren.

Auch wenn Amicia fast aus dem Nichts einen Tobsuchtsanfall bekommt und schreiend eine ganze Reihe Wachen tötet, bevor das Ganze kurz darauf schon kein Thema mehr ist – nur, damit sie die gleiche Nummer später noch mal genauso abziehen kann: Zu schnell wechseln Hugo und Amicia zwischen den Extremen. Zwischen dick aufgetragenem Fröhlichsein und krassem Horror kennen sie gefühlt kaum etwas. Mir fehlen lange und vor allem beständige Entwicklungen. Aber das war schon beim Vorgänger so und der war trotzdem ein gutes Spiel. Ob A Plague Tale: Requiem das ebenfalls gelingt?

Weil noch immer ein Fluch auf Hugo liegt, ist sein und Amicias Abenteuer längst nicht beendet.

Teil zwei macht immerhin nur ein paar Monate danach weiter, wo man Amicia und Hugo damals verlassen musste. Und viel hat sich für die beiden seitdem nicht geändert. Noch immer suchen Hugos Mutter, die seinen Fluch selbst vor Amicia lange geheim gehalten hatte, sowie Amicia und ihr neuer Freund Lucas nach einer Heilung, die sie sich unter anderem durch den Umzug in eine neue Stadt erhoffen.

Doch auch dort sind die Ratten längst angekommen. Auch dort begegnen die Kinder (okay, als 16-Jährige gilt Amicia in dieser Zeit schon als vollmündig – soweit man bei Frauen im Mittelalter überhaupt davon reden kann) bald großem Unheil. Die Ratten sind ja nicht einfach da. Sie rotten Dörfer aus und machen Städte zu Waisenhäusern, in denen Leichen die Pflastersteine bedecken. Und sie stehen in Verbindung mit Hugo, weshalb als letzter Strohhalm nur sein Traum von einer Insel bleibt, auf der er geheilt wird. Dass die Reise dort freilich nicht in aller Entspanntheit ausklingt, versteht sich von selbst. Einfache Wachen stehen ihnen ebenso im Weg wie Glaubens-Fanatiker, die sogar vor Menschenopfern nicht zurückschrecken. Einzelheiten werde ich aber nicht vorwegnehmen.

Nur eins sage ich euch zu den Schauplätzen: Sie sehen atemberaubend schön aus! Vom saftigen Grün und den vom Wind umhergeworfenen Baumkronen idyllischer Landstriche bis zu den sandigen Ziegeln mittelalterlicher Fachwerkmauern lädt alles in A Plague Tale zum Verweilen ein. Umso besser, dass man stets ausführlich Zeit dafür hat, die gewaltigen Festungsmauern, beeindruckenden Mosaike, im Sonnenlicht schimmernden Bäche und vieles mehr in Ruhe zu erkunden.

Die Schauplätze sehen bei jedem Wetter klasse aus. Leider sinkt die Bildrate auf PlayStation 5 in manchen Situationen, was sich auch in einer unangenehm unregelmäßigen Bewegung der Kamera bemerkbar macht. PC-Spieler sollten außerdem wissen, dass Requiem auf dem Steam Deck gar nicht erst startet.

Noch mehr gefällt mir, dass Amicia und Hugo diesmal nicht ständig umher reisen, sondern meist länger an einem Schauplatz unterwegs sind, wenn auch oft auf neuen Wegen, zu verschiedenen Tageszeiten und unter anderen Witterungsbedingungen. So lernt man die Orte besser kennen und sie erhalten eine größere Präsenz. Man wird stärker ins Geschehen gezogen, anstatt nur kurz daran vorbeizugehen.

Wie im Vorgänger ist man dabei mit Amicia unterwegs, die ihren Bruder an der Hand führt, und zwei Arten von Herausforderungen bestehen muss. Zum einen schleicht sie an Wachen vorbei oder tötet sie und zum anderen löst sie kleine Rätsel, um an den Ratten vorbeizukommen, die sich zum Glück nichts ins Licht trauen. Man entzündet daher Fackeln, schiebt Feuerstellen umher, wirft Teer auf den Boden und entzündet es oder ist anderweitig kreativ beim Erschaffen eines Weges. Oft hat man nämlich die Wahl, wie man ein Problem lösen will.

Oft muss man beides zudem kombinieren – meist, um die Wachen auszuschalten. Denn das tut Amicia nach wie vor mit ihrer Steinschleuder oder indem sie feindliche Fackeln mit dem Abschießen eines alchemistischen Gemischs löscht und darauf wartet, dass die Ratten den lichtlosen Braten riechen. Die Zutaten findet sie beim Erkunden der Umgebung. Die Liste der möglichen Rezepte ist dabei gehörig gewachsen.

Amicias Fähigkeiten entwickeln sich übrigens je nach Spielweise. Wer viel schleicht, kann deshalb bald leise laufen und sich schneller in der Hocke bewegen. An Werkbänken verbessert man außerdem ihre Ausrüstung. Allzu großen Einfluss hat beides allerdings nicht.

Damit meine ich die Mischungen selbst und auch die Werkzeuge, mit denen man sie kombinieren muss. Schließlich trägt Amicia jetzt auch eine Armbrust, sodass man sämtliche Mischungen nicht nur mit der Steinschleuder, sondern auch mit der schnelleren Armbrust verwenden sowie in Tontöpfe füllen darf. Welchen Unterschied das macht? Nun, während eine entzündliche Mischung per Steinschleuder einzelne Fackeln oder Feuerstellen entflammt, bliebt sie auf einem Pfeil selbstbrennend in Holz stecken und vertreibt als flächendeckende „Tontopf-Granate“ sämtliche Ratten aus dem Zielgebiet.

Sind Amicia und Hugo mit einem Begleiter unterwegs, kann man dem außerdem Anweisungen erteilen, wobei einige von ihnen über besondere Fähigkeiten verfügen. Ein Soldat kann es etwa im direkten Duell mit Wachen aufnehmen und wird dadurch zu einer mächtigen Waffe. Betäubt Amicia gleichzeitig die heranstürmenden Feinde, könnte man nach und nach sämtliche Gegner ausschalten. Obwohl ich das heimliche Schleichen bevorzuge, hat es sich erstaunlich gut angefühlt, das zu tun, als es mal nötig wurde.

Wenn man das Kommando gibt, greift dieser mächtige Begleiter an. Er steht allerdings nicht das gesamte Abenteuer lang zur Verfügung.

Nun hat diese Vielfalt einen Vorteil und einen Nachteil, denn weil in Requiem auch die Möglichkeiten zum Verstecken erweitert wurden und man Wachen kurz vor dem Entdecktwerden noch ablenken kann, ist die Stealth-Action vielseitiger und damit eine ganze Idee besser geworden. Man kann Gefahrensituationen besser entschärfen oder anderweitig reagieren, bevor es Game Over heißt. Der Nachteil ist jedoch, dass die zahlreichen Optionen tatsächlich zu viel des Guten sind und ich zunächst gar nicht alle im Kopf behalten konnte.

Viele Effekte sind sich nämlich sehr ähnlich, weshalb ich anfangs relativ lange überlegen musste, was ich eigentlich wie erreichen will. Vielen Situationen ging dadurch eine natürliche Dynamik verloren. Und so froh ich darüber bin, dass das Spiel bei der Auswahl einer Aktion nur in Zeitlupe weiterläuft, so sehr fühlt sich das häufige Sondieren mehr nach pausierter Echtzeittaktik als nach Stealth-Action an. Alles in allem hätte ein Fokussieren auf weniger, klar voneinander getrennte Fähigkeiten daher gutgetan.

Erst ein Tontopf mit Teer auf den Boden werfen und im richtigen Moment dann ein bisschen Zündstoff hinterher...

Kämpfen, schleichen, rätseln oder einfach nur genießen: Die Abwechslung mit ihren häufigen Tempowechseln fühlt sich gut an. Sie macht aus dem zweiten A Plague Tale ein großes Abenteuer, für das das französische Asobo Studio diesmal nicht nur von vor allem The Last of Us inspiriert scheint, sondern wohl auch eine dicke Scheibe von Uncharted abschnitt. Immerhin muss Amicia jetzt noch häufiger vor Gefahren davonrennen, bei denen gerne mal ein großer Teil der Kulisse zusammenbricht. Außerdem gibt es Schießbudengeballer an einem Geschütz... Fragt mich nicht, was ich davon halte oder wie ich Fluchtsequenzen finde, bei denen man die Heldin von vorne sieht. Beides ist zum Glück stets schnell vorbei.

Auch die recht zahlreichen farbenfrohen Schauplätze geben der Geschichte einen etwas anderen Anstrich als ihn der Vorgänger trug und haben mich an ähnlich exotische Kulissen in Uncharted erinnert. Nur dass hier immer wieder der Abstieg ins tiefste Dunkel folgt – im übertragenen Sinn, wenn Amicia und Hugo, dessen Ratten man jetzt in Egoperspektive lenkt, Menschen töten müssen, sowie im buchstäblichen, wenn man knietief durch stinkendes Wasser watet, an Leichen und anderen Widerlichkeiten vorbei.

Menschliche Abgründe, die Qual des ständigen Kämpfens, der Schrecken einer schier unaufhaltsamen Gefahr: Das alles steht ständig im Mittelpunkt – und wird aber jedes Mal komplett vertagt, weil die nächste Szene so beruhigend schön ist. Asobo nutzt die erwähnte Abwechslung nicht geschickt genug. Dieses ständige Hin und Her, anstatt sich langsam zu verändern und in einem Höhepunkt zu gipfeln, zieht sich leider durchs gesamte Spiel. Aus dramaturgischer Sicht pendelt Requiem so ziellos zwischen den Extremen, dass ich emotional überhaupt nicht folgen kann.

Fluchtsequenz vor einstürztenden Aufbauten: Requiem verschießt sein Pulver schon früh.

Deshalb der Hinweis auf die eingangs erwähnten Dialoge und Charakterzeichnungen. Es reicht doch nicht, Motive wie die Schuld am Töten oder wachsende (!) Verzweiflung durch mehrmaliges Eskalieren kurz anzureißen. Auch sollten Freundschaften langsam entstehen, damit sie wirkungsvoll zerbrechen können. Und dem Band der Geschwister fehlen Zwischentöne, die es im Vorgänger sogar noch gab.

Am deutlichsten wird es dann bei der schwierigen Beziehung von Amicia zu ihrer Mutter, denn damit diese Spannung später auf gelungene Art aufgelöst werden kann, muss sie zuvor auch spürbar sein. Tatsächlich sieht die Mutter aber in ohnehin nur wenigen Szenen gefühlt tatenlos zu, anstatt als aktive Person Teil des Geschehens zu sein. Dabei müsste sie das der Geschichte zufolge unbedingt sein.

Und wenn die Erzählung schließlich zu einem ihrer stärksten Momente ansetzt, da verpufft der beinahe – weil er kaum aufgebaut wurde und weil es nicht zuletzt einer dieser Höhepunkte ist, von denen man ähnliche zu diesem Zeitpunkt längst gesehen hat.

Solche Szenen sind leider rar. Die Beziehung zu Amicias Mutter kommt zu kurz.

A Plague Tale: Requiem – Fazit

Ich habe lange überlegt, ob dieses Spiel ein empfehlenswertes ist oder nicht. Das Gute: A Plague Tale bleibt ein ambitioniertes und über weite Strecken gelungenes Spiel mit eindrucksvollen Schauplätzen und interessanter Stealth-Action. Es reißt spielerisch keine Bäume aus, ist aber anspruchsvoll und jetzt auch abwechslungsreich genug, um mich auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad auf angenehme Art zu fesseln. Es will allerdings ein bisschen zu viel und überlädt einen daher mit taktischen Optionen. Es verschießt sein Pulver außerdem so früh, dass spätere Höhepunkte kaum als solche wirken. Das gilt besonders für die Dramaturgie, die zwischen pathetischen Extremen schwankt, ohne sie so zu entwickeln, dass man emotional folgen kann. Aber sei’s drum: Unterm Strich bleiben mir Amicia und Hugo trotz allem als sympathische Figuren eines Abenteuers in Erinnerung, das ich gerne erlebt habe. Und das ich deshalb durchaus empfehlen will.

Pro und Contras

Pro:

  • Spielerisch und erzählerisch abwechslungsreiches Abenteuer
  • Verschiedene Möglichkeiten zum Lösen von Rätsel- und Stealth-Action-Situationen
  • Teils umwerfend schöne Kulissen
  • Relativ beständige, sich verändernde Schauplätze verleihen den Umgebungen starke Präsenz
  • Automatische Checkpunkte auch inmitten längerer Schleichsequenzen

Contras:

  • Sehr plakative, oft überstürzte Dialoge beziehungsweise Abfolge von Ereignissen
  • Einige nicht klar definierte Herausforderungen und Trial-and-Error-Situationen
  • Unübersichtlich viele Möglichkeiten Waffen mit Alchemie zu kombinieren und auszulösen
  • Mitunter stotternde Bildrate und Kamerabewegung auf Konsole

Entwickler: Asobo Studio - Publisher: Focus Entertainment - Plattformen: PC, PlayStation 5, Xbox Series - Release: 18.10.2022 - Genre: Action-Adventure - Preis (UVP): ca. 50€ (PC), ca. 60€ (Konsolen)

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