Alt+F40: Die beste Spielverfilmung - und Gaming in Kriegszeiten
Folge 40: Unerwartete Filmfreuden und wieso gerade nichts beim Alten ist
Wie beginnt man eine Kolumne über Videospiele und andere Nebensächlichkeiten, die einen Anfang-40er und seine Kids so umtreiben, wenn aktuell gleichzeitig rein zufällig auch die Welt brennt? Ich weiß es nicht, ich schätze, wir werden das zusammen herausfinden und auf das Beste hoffen. Spiele sind meiner Meinung nach weiterhin einer der besten Wege, selbst aus dem finstersten Alltag noch auszubrechen (allerdings mit aktuell für mich erheblichen Einschränkungen, wie ihr weiter unten lesen werdet).
Ich persönlich muss sagen, dass trotz des vollen Release-Kalenders ausgerechnet Cyberpunk 2077 wahre Wunder für mich leistet, wenn es um den dringend benötigten Eskapismus geht. Da kommt gerade nicht mal Elden Ring so richtig dazwischen (was allerdings auch daran liegt, dass ich derzeit nicht die Energie habe, immer nur auf die Mütze zu bekommen). Version 1.5 ist jedenfalls ziemlich nah an dem dran, was ich mir im Vorfeld von CD Projekt erhofft hatte. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass ich die Hauptquest offenbar schon fast durchgespielt hatte, habe ich sogar noch ein mal von vorne angefangen, um auch mal die ganzen Geschichtchen entlang des Weges mitzunehmen - das mache ich wirklich selten. Schönes Spiel - in einer Welt, die noch hässlicher ist als die unsere. Das hilft irgendwie jetzt.
Was ist euer Ventil für diesen prekären Moment?
Inhalt
- Letzte Ausgabe verpasst? Hier entlang Folge 39: Mehr als nur schwer - warum Elden Ring und Souls etwas Besonderes sind
Werewolves Within ist die beste Videospielumsetzung, die Hollywood je hervorgebracht hat - und keinen interessiert's
Keine Ahnung, ob viele überhaupt wissen, dass Werewolves Within ein Videospiel ist. Das mag daran liegen, dass Ubisofts Umsetzung des klassischen Werwölfe-Gesellschaftsspiels ein VR-Titel war, und die wegen der schwachen Verbreitung der Hardware notorisch unterspielt sind. Heute, wo Among Us das "Wer ist der Mörder?"-Genre fest im Griff hat, scheint das Lykanthropen-Deduktionspalaver bestenfalls eine blasse Erinnerung. Selbst für mich, der das Teil damals gespielt und für gut befunden hat.
Aber hier haben wir es nun: Es gibt eine Filmumsetzung ausgerechnet hierzu und die... ist tatsächlich ein ganz anständiger kleiner Gruselspaß. Sie sticht durch einen guten Cast mit viel Chemie und Spaß an der Sache hervor, ohne mir jetzt wirklich die Schuhe auszuziehen. Trotzdem habe ich nie einen besseren Film auf Basis eines Spiels gesehen - auch wenn der eine oder andere deutlich näher am Ursprungsmaterial ist als Josh Rubens Werewolves Within. Wichtiger ist für mich aber, dass mir ein Film nicht die Schamesröte ins Gesicht treibt, und da diese schlanke Horrorkomödie immer noch den Grundgedanken von Werewolves Within ordentlich einfängt, kann ich hiermit gleich doppelt gut leben.
Nein, das hier ist eher zum Schmunzeln und auch nicht wirklich gruselig, aber man kann es sich problemlos anschauen und bekommt genau das, was man erwartet hatte. Wenn man weiß, dass es eine Spielverfilmung ist, sogar eine gute Schippe mehr. Ich habe zu keiner Sekunde auch nur einen Anflug von Zähneknirschen über blöde Meta-Witze mit dem echten Spiel im Hintergrund, bequeme Namedrops oder vermeidbare Diskrepanzen zum Ursprungsmaterial verspürt. Und in ein, zwei Wochen habe ich ihn vermutlich wieder vergessen. Nur, dass ich eine ganz gute Zeit hiermit hatte und die Schauspieler sympathisch waren - daran werde ich mich erinnern.
Dann wiederum ist das Thema auch ein dankbares. Werewolves Within war ja an sich schon die (virtuelle) Gesellschaftsspielversion eines "Whodunnit"-Films - und das jetzt wieder zurückzuübersetzen, ist da nicht allzu schwierig. Es ist ein wenig wie mit der legendären Verfilmung von Cluedo ("Alle Mörder sind schon da", mit Tim Curry), der Rahmen ist gewissermaßen definiert. Dennoch: Sam Richardson (Veep, I Think you should leave) kann man immer gucken, Milana Vayntrub (Silicon Valley, This is Us) war für mich eine echte Entdeckung und der immer verlässliche Michael Chernus (Easy, Orange is the New Black) ist auch stets eine Freude.
Niemand wird seiner Familie in der Heimat Briefe darüber schreiben, was für ein Erlebnis dieser Streifen war. Aber vielleicht schreibt er darüber, wie sagenhaft er es fand, zur Abwechslung mal nicht von einem Film über ein Videospiel peinlich berührt oder verärgert gewesen zu sein. Nach allem, was wir in dieser Hinsicht durchmachen mussten, haben wir uns das verdient. Alles zweifelhaftes Lob, na klar, aber so ist es nun mal: Werewolves Within ist die beste Videospielverfilmung. Vielleicht ist das der perfekte Moment, es jetzt auch so langsam sein zu lassen, Videospiele ins Kino zu bringen. Enden wir mit dem Achtungserfolg einer Umsetzung, die es hinbekommen hat, die grundlegenden Regeln des Filmemachens zu befolgen. Danke!
Weitere Notizen - KW 9/22
Bei Alex in der Rotation: Nächste Woche sollte Ghostwire: Tokyo hier aufschlagen, darauf bin ich sehr gespannt und ich werde vorher wohl noch einen Blick in die Visual Novel dazu werfen, die gerade herausgekommen ist. Ansonsten weckt Gran Turismo 7 aktuell viele nostalgische Gefühle an 1997, als wir mit offenem Maul vor der PlayStation saßen. Möglich, dass ich mir das noch vom Herzen schreiben muss. In Sachen Cyberpunk-2077-Comics liegt hier Where's Johnny auf dem Tisch, den ich jetzt endlich mal lesen werde.
Höhepunkt der Woche: Neben der Erkenntnis, dass mehr als eine Million Menschen den guten Geschmack bewiesen haben, das fantastische Sifu zu kaufen, hat mir die Demo zu Kirby and the Forgotten Land viel Spaß gemacht. Das Spiel will gleich zu Beginn von euch wissen, ob ihr es im üblichen Kirby-Selbstläuferschwierigkeitsgrad erleben möchtet, oder den "Wild Mode" versuchen wollt, der - so schätze ich ist der Gedanke - dann das Herausforderungsprofil eines normalen Jump-and-Runs für Kinder auffährt. Alles egal. Kirby hat mir diese Woche wirklich gutgetan. Vielleicht reicht es diesmal für die A-Liga der Nintendo-Spiele? Was ich bisher gespielt habe, fand ich schon ein wenig mehr als nur nett. Starke Farben, schmissige Musik und charismatische Art Direction, insbesondere bei den lustigen Transformationen, verbreiten wirklich gute Laune. Schade, dass es offenbar nicht für 60 fps gereicht hat, aber hier würde ich ein Auge zudrücken.
Mittelpunkt (?!) der Woche: Unser Kleiner hat endgültig die "Terrible-two"-Phase eingeläutet. Bisschen früh, er wird erst Ende dieses Monats zwei, aber er hat mal Fünfe gerade sein lassen. Wutausbrüche darüber, dass man vor dem Zu-Bett-gehen in den Schlafanzug schlüpfen muss, sind an der Tagesordnung. Ebenso wie kurzerhand getroffene Entscheidungen, die zwei Kilometer Nachhauseweg von der Kita doch zu Fuß zurückzulegen. Hauptsächlich natürlich, indem man herumsteht, den Kopf in den Nacken legt, und versucht, die Luft zu sehen. Alles unter dem geflissentlich ignorierten und zunehmend verzweifelnden Flehen derer, die nach Hause wollen, weil sie Hunger haben, aufs Klo müssen oder Hörspiele hören möchten (einer von uns Dreien sogar alles auf einmal). Mittendrin Papa, der sich aussuchen muss, welches von beiden Kindern jetzt den Nervenzusammenbruch bekommen darf, weil es entweder auf den anderen warten muss oder gegen seinen Willen auf den Kindersitz fixiert wird wie ein tollwütiger Honigdachs. Mittwoch hab' ich halb-und-halb gemacht. Eine Lösung, mit der niemand zufrieden war und die aktuell das höchste der Gefühle zu sein scheint. Yay! Gleichzeitig ist dieser Punkt in der Kindesentwicklung wahnsinnig spannend, weil man merkt, was alles in den Köpfen der kleinen Biester passiert - und wie sie nach und nach zu einer eigenen kleinen Person werden. Wenn die Quälgeister im Bett sind, fällt einem ein halbes Dutzend Dinge ein, die den Tag über dann doch ganz cool waren.
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Tiefpunkt der Woche: Die ganze Woche eigentlich. Ich schrieb ja letzten Freitag noch, dass Videospiele in einer unsicheren Weltlage für mich heilsam wirken. Eine Woche später aber gebe ich zu, dass das Tagesgeschehen wohl doch mehr aufs Gemüt drückt als ich dachte. Was in der Ukraine passiert, erschüttert mich nicht nur bis ins Mark, es schwappt mittlerweile auch auf meinen bevorzugten Bewältigungsmechanismus, die Games. Sicher, das sind "Probleme", über die sie in der Ukraine (und in den russischen Kreisen, die ehrlich von der Entwicklung schockiert sind) momentan nur lachen können. Ich hoffe also, es ist nicht zu pietätlos, über ein Luxusproblem wie dieses hier zu sprechen.
Es mag absurd erscheinen, aber von Total War Warhammer 3 über Diplomacy is not an Option bis hin zu Escape from Tarkov gibt es dieser Tage reihenweise "Unberührbare" für mich, weil sie entweder thematisch oder gestalterisch wie ein Anker in die Realität auf mich wirken. Den merke ich sogar kurz, wenn ich Songs of Conquest starte (Titel!) und ich fürchte, auch Triangle Strategy hat mehr als genug Eroberungsfantasien und Ressourcenstreitigkeiten zu bieten, die ich in dieser Zeit vielleicht erst mal nicht gerne nachspielen möchte.
Außerdem habe ich wieder Phantom Brigade angefangen, weil sich Brace Yourself Games' prächtiges Mecha-Taktikspiel wunderbar entwickelt und ich eigentlich etwas dazu schreiben wollte. Als im Kreuzfeuer der Riesenroboter das erste Wohngebäude seine Südwestecke lassen musste, kamen aber direkt die Nachrichtenbilder von durch Raketen getroffene Plattenbauten in Kiew hoch. Klar, ich bin auch eher von der sensiblen Sorte, aber ich frage mich in diesen Zeiten schon, warum Kriegerisches, der Wille zu Eroberung und Dominanz anderer unser Spielverhalten so bestimmt? Nun denn, Elden Ring, Gran Turismo 7, Cyberpunk 2077 und Sifu sind ja auch noch da - und Ghostwire: Tokyo steht schon in den Startlöchern. Die sollten als emotionale Abstandhalter erst mal reichen.
Wie haltet ihr es mit Gaming in Kriegszeiten?