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Amazons Crucible - Der Shooter mit MOBA-Köpfchen.

Ballern ist nicht mal die halbe Miete.

Amazon steigt jetzt ins Spiele-Business ein, was nicht weiter verwundern dürfte. Der Mega-Konzern, der seinen Eigner zum reichsten Menschen der Welt machte, ist schon groß im Serien-Streaming-Business, warum also nicht auch Games? Das erste Prestige-Projekt ist Crucible und mit dem springt man auf den Zug der generell gut laufenden Hero-Shooter auf - so zumindest der erste Anschein. Ihr habt ein buntes Sammelsurium an mehr oder weniger unverkennbaren Individuen, jeder mit Stärken, Schwächen und teils recht spezifischen Rollen und ballert kooperativ im Team auf andere Teams und auch sonst alles, was sich bewegt. PvP im Herzen mit einem guten Schuss PvE, es ist alles kein Weltenumwälzer im Konzept. Das gilt auch dafür, dass es sich um einen "Free to Play"-Titel handelt, der allerdings erst einmal nur auf dem PC anläuft. Nicht, dass Konsolen-Versionen nicht folgen sollen, natürlich sollen sie das.

Wie schlecht kann ein Spiel schon sein, in dem eine schwer bewaffnete Katze auf einen Alien-Monster-Käfer ballert? Na also.

Aber erst mal mehr dazu, um was es geht. Inhaltlich? Was im Weltraum. Essenz soll gesammelt werden, die man auf fernen Planeten findet oder so. Wen interessiert es wirklich, wenn sich das Universum Overwatch-bunt gibt, seine Geschichten ein wenig durch die recht liebevolle Umgebung erzählt und euch sonst mit Details in Ruhe lässt? Die Helden sind eine bunte Mischung, von großen Truckern, über Fischmenschen und ballernde Katzen ist es ein Haufen, den man oberflächlich in den Rollen schnell erfassbar scheint.

Die Landschaft ist technisch jetzt nicht gerade Unreal 4, aber wirkt organisch und einladend.

Dieser "Das kenne ich schon"-Eindruck kann arg täuschen, denn während der erste Blick auf das Spiel deutlich an Shooter erinnert, geht es im bisher wichtigsten Modus darum, drei Punkte auf der sehr großen Map zu erobern. Zwei Teams, vier gegen vier, Herzstück der Schwärme nennt sich das Ganze. So weit, so üblich, aber im Spielgefühl gibt es dabei verdächtig wenig Geballer, sondern viel strategische Koordination im eigenen Vierer-Team, wann man wo sein sollte, was man unterwegs ernten kann, wie man auf diese Weise innerhalb der Runde levelt und so, wenn man dann auf die Anderen trifft, ihnen möglichst überlegen ist. Sprachverständigung scheint hier praktisch Pflicht, ich kann mir kaum eine sinnvolle Koordination auf der riesigen Karte vorstellen, nicht einmal mit den "Guck mal da"-Markern.

Dazu kommt, dass die Team-Zusammenstellung essenziell ist. Ja, jeder kann ballern, aber die Support-Rollen, die Geschwindigkeiten und Fertigkeiten sind so unterschiedlich verteilt und weit gestreut, dass es mehr an ein MOBA als an das übliche Hero-Shooter-Fest erinnert. Wie schnell kommt ein Charakter in einen Kampf und auch wieder heraus? Was kann er dort tun außer draufhalten? Wie baue ich meine Team-Strategie darum herum auf? Ihr müsst hier viele Faktoren berücksichtigen, wenn ihr gegen ein erfahrenes Team bestehen wollt, denn wie gut in Matches mit den Entwicklern zu erkennen war, kann ein solches in sehr kurzer Zeit aus dem PvE heraus im Level aufsteigen und das auch nur etwas verpeiltere Team komplett zerlegen. Wenn dann zwei würdige Gegner in Teams aufeinandertreffen, dann entstehen wirklich spannende Matches, bei denen schon das Zuschauen eine Freude war.

Zu wissen, welche Fertigkeit auf welchem Level was tut, ist die halbe Miete.

Wie in einem MOBA entsteht die Spannung weniger daraus, wer wie gut und schnell schießt, sondern wer den taktischen Vorteil des Augenblicks richtig einschätzt. Ein schneller Rückzug aus einer Zufallsbegegnung mit dem anderen Team kann viel sinnvoller sein, wenn man sich danach um die eigentliche Aufgabe kümmert, statt Energien zu vergeuden. Ein Instinkt, der in einem Shooter nicht so leicht zu unterdrücken ist, aber der hier der Schlüssel zu, Sieg sein kann.

Wenn es dann zur Sache geht, dann habt ihr oft ein weit verstreutes Match, in denen Charaktere mit Aufklärungsfertigkeiten eine wichtige Rolle spielen und in denen sich "ideale" Partner immer neu suchen. Habt ihr den Axt-schwingenden Nahkämpfer Drakahl, dann seid ihr weniger beweglich, aber wehe ihr entdeckt einen Gegner, der sich lieber um das Capturen des Zielpunktes kümmert. Tosca sieht nicht nur aus wie eine Katze, sie ist auch fast so schnell und beweglich. Der kleine Roboter flüchtet zwar gerne, aber dabei versprüht er grünen Nebel, der Gegnern die Sicht raubt und so anderen in eurem Team ein ideales Angriffsfenster bietet. All das lässt sich am besten koordiniert nutzen und so habt ihr hier erstaunlich viel Tiefe. Vielleicht sogar zu viel.

Der richtige Spawn-Punkt zur richtigen Zeit kann das Match entscheiden. Natürlich ist es noch besser gar nicht erst zusterben.

Wie bei den MOBAs, von denen sich Crucible inspirieren ließ, gibt es eine relativ steile Lernkurve bei Crucible. Ihr müsst nicht nur ballern können, sondern auch wissen, welche Fertigkeiten ihr ab welchem Level freischaltet, um sie dann sinnvoll mit dem Rest des Teams im Hinterkopf einzusetzen. Um den Frustfaktor für Einsteiger zu senken und natürlich ein wenig Abwechslung in der Hinterhand zu haben, gibt es noch ein ziemlich banales, nach Kill-Punkten abgerechnetes Team-Deathmatch mit Capture-the-Flag-Elementen und einen weit spaßiger wirkenden Battle-Royale-Modus - Alphajäger -, in dem acht Zweier-Teams auf die Jagd gehen. Die taktische Tiefe scheint hier deutlich reduzierter, aber es wird ganz interessant sein zu sehen, ob es Duo-Kombos an Helden gibt, deren Fertigkeiten sich so gut ergänzen, dass sie ein ideales Gespann ergeben. Bisher aber scheint den Amazon Game Studios die Balance so gut gelungen, dass diese Killer-Kombo noch nicht gefunden wurde.

Der Vergleich, den Crucible sicher nicht hören möchte, ist der mit Paragon. Falls ihr euch in der schnelllebigen Zeit nicht dran erinnert, das war ein zunächst gut gestarteter, aber nach nur wenigen Jahren gestorbener Versuch, MOBAs sehr direkt in 3D umzusetzen. Und ja, auch wenn Crucible ein wenig daran erinnert, wirkt der Aufbau der riesigen Map organischer. Die Lanes sind nicht so offensichtlich, ihr habt mehr Spielräume und Beweglichkeit. Gleichzeitig sind die Fertigkeiten zwar kriegsentscheidend, aber es wird auch schon noch ganz ordentlich geballert. Das aktuelle Valorant geht sicher mehr in die Shooter-Richtung, aber virtuelle Waffenschwinger fühlen sich in Crucible deshalb nicht gleich vernachlässigt. Es wirkt alles, vor allem im Haupt-Modus, sehr rund und durchdacht.

Und ja, bei aller Taktik: Es wird immer noch sehr ordentlich geballert!

Da Crucible "Free to Play" ist, legt einfach los - Crucible wird heute heute um 21 Uhr auf Steam freigeschaltet. Kostet ja nichts. Außer natürlich ihr wollt euch mit der Kreditkarte im Shop austoben, aber ich hatte erst einmal nicht den Eindruck, dass das wirklich nötig wäre, wenn man auf individuelle Looks verzichten kann. Vor allem aber lasst es langsam angehen, spielt ein wenig Alphajäger mit einem Freund, lernt die Fertigkeiten kennen und seid nicht gefrustet, wenn ihr im Herzstück der Schwärme von einem besseren Team zerpflückt werdet. Es geht über den üblichen Hero-Shooter hinaus, wenn man anfängt, Taktiken der Gegner systematisch zu zerlegen und kleine Schlachtpläne zum Kontern bereithält. Shootern mit MOBA-Köpfchen beschreibt Crucible vielleicht ganz gut. Und ja, mit jedem Match, mit dem man mehr ins Spiel findet, steigt der Spaß und so ist Crucible etwas, an dem man guten Gewissens eine ganze Weile hängenbleiben kann.

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Crucible

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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