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Nintendos neues Spiel macht mich fertig ...

Kein Stress macht mir Stress!

Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung von Animal Crossing habe. Nie eines gespielt, mich nie damit befasst, man muss nicht alles kennen. Aber man muss alles mal ausprobieren. Nur um ein paar Zahlen in den Raum zu werfen, seit seligen N64 und GameCube-Tagen hat sich die Serie stolze 35 Millionen Mal verkauft. Das ist die Richtung von God of War oder Mega Man und zwar alle zusammen genommen. Oder eben so viel, wie Wii Sports Resort, der "gefloppte" zweite Teil, allein verkauft hat. Also ja, erfolgreich, aber noch ein gutes Stück von den ganz großen Nintendo-Erfolgsgeschichten entfernt. Trotzdem, definitiv etwas, das jemand wie ich mal gespielt haben sollte. Sei es nur, um ein wenig mitreden zu können.

Eine Stunde mit Animal Crossing: New Horizons für die Switch später und ich bin komplett verwirrt. Und gestresst. Mehr gestresst als ich gerade bei Nioh 2 bin. Um nicht zu sagen: Kaum ein Spiel hat mich so sehr fertiggemacht wie Animal Crossing. Aber dazu muss ich erst mal allen ähnlich Ahnungslosen erklären, was Animal Crossing eigentlich ist.

Ihr landet mit eurer Figur, die ihr in einem Editor leicht sub-par aber doch recht handelsüblich zusammenklickt auf einer Insel. Diese ist klein, in drei Minuten hat man den Teil, den man zu diesem Zeitpunkt bereisen kann, gesehen. Was man jetzt da tut? Leben, einfach man selbst sein, kleine Tierwesen kennenlernen. Und Dinge craften. Hauptsächlich, damit man andere Dinge craften kann. Das passiert ohne Zeitdruck, ohne Gegner, ohne echten Widerstand welcher Art auch immer. Holz hacken, um Werkzeuge zu bauen, Werkzeuge nutzen, um Dinge zu bauen. Nichts zu episches, kein Königreich oder so. Die eigene Hütte halt. Krams in der eigenen Hütte. Tisch, Stühle, ein Sonnenschirm für draußen.

Danach geht man halt mal fischen. Nicht, weil es der lokalen Wirtschaft hilft oder gar, weil der Charakter verhungern würde. Das wäre eine bekannte Spielmechanik des Widerstandes gegen den Spieler, etwas das man erwarten würde. Nein, meine Fische landen in einem Museum. Das ich sorgenfrei bauen kann, um die ohne Gefahr geernteten Früchte meiner sorgenfreien Existenz zu feiern. Zwischendurch packe ich mal ein paar Sachen, die ich gesammelt habe in das Lager - das übrigens ein neues Feature ist, was Serienveteranen freuen wird. Vorher hattet ihr nur ein kleines Inventar und musstet alles sonst in der Landschaft verteilen.

Inzwischen wurde zu einem späteren Spielstand gesprungen. Endlich hatte ich eine Leiter und konnte den hinteren, leicht erhöhten Teil der Insel besuchen. Was sehr schön die abstrakte, kindliche Welt von Animal Crossing illustriert. Ich baue keine Straßen, keine Wege, nicht mal Treppen. Wie Guybrush Threepwood zieht meine Figur eine Leiter aus der Hosentasche und klettert nach oben. Mittlerweile ist die Insel ganz gut besucht, eine Reihe anderer Figuren ist da, tut eigentlich auch nichts, aber das nach festen Tagesgewohnheiten. Es gibt Läden, in denen ich Dinge kaufen und verkaufen kann. Oder es lassen, schließlich weiß ich immer noch nicht, was ich tun soll. Außer natürlich: Mich entspannen, einfach mal machen oder eben auch nicht.

Kann ich nicht! Ich muss was tun! Ich muss was töten! Und wenn schon nicht das, dann lasst mich was anpflanzen, Wirtschaftskreisläufe ausarbeiten, um das virtuelle wirtschaftliche oder physische Überleben kämpfen! Das, was ich in jedem anderen Spiel tue! Kein Ziel zu haben ist für mich offenbar stressiger als eines, das ich nicht erreichen kann. Animal Crossing beginnt mich fertig zu machen.

Aber es gibt einen Rettungsanker, der jetzt auch weit ausgeprägter sein soll als in vorigen Titeln. Ihr bekommt die Aufgabe irgendwas zu craften, zu platzieren, zu verkaufen, zu fischen und so weiter. All die Dinge, die hier sonst Selbstzweck sind, soll ich für eine willkürliche virtuelle Währung tun, mit der ich dann neue Möglichkeiten zur ungerichteten Zerstreuung freischalte. Das klingt jetzt ... fast wie ein Spiel. ich nehme es.

Aber das ist wohl nicht, was Animal Crossings Fans so sehr lieben. Sie wollen das Sich-fallen-lassen in einer Welt, die ihnen mal nichts abfordert, keine Gefahren, Herausforderungen oder Tode in zigfacher Ausführung bieten, sondern eine heile Welt ganz nach ihren eigenen Entwürfen genießen und verfeinern. Eine virtuelle Form des häuslichen Setzkastentriebes, der Menschen in Läden wie Butlers und ähnliche treibt. Es ist nicht meine Welt, das weiß ich jetzt. Aber das ist am Ende etwas, das man mal ausprobiert haben muss, um zu wissen, wo man steht.

Was jetzt die harten Fans angeht: Ich habe keine Zweifel, dass ihr hier glücklich werdet. Es spielt sich elegant, tut das, was es als Serie offenbar immer tat und verfeinert es dezent. Ausgehend von allem, was ich mir ansah und anlas, wird New Horizons nicht alles umkrempeln, wohl aber die Ärmel adrett und der aktuellen Mode entsprechend geradeziehen, den Hut in einen kecken Winkel zurechtrücken und damit zeitlos charmant wie eh und je auf Nintendos jüngster Plattform einkehren. Das Highlight hier ist dann eh der 4er-Modus an einem Gerät oder zu acht online. Es ist dann ein bunter Chat-Room, den ihr selbst gestaltet. Second Life, made by Nintendo eben. Alles Weitere dann im Test in Kürze (den ich sicher nicht schreiben werde ...)


Entwickler/Publisher: Nintendo Erscheint für: Switch - Geplante Veröffentlichung: 20.3.2020 - Angespielt auf Plattform: Switch

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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