Anno 2070

Lässt man Ideologie und Szenario selbst mal außen vor, dann muss man dem neuen Anno eine Sache bereits jetzt fest konstatieren: Das Spiel sieht einfach unverschämt gut aus. Das beginnt bei der wieder einmal wunderschönen Darstellung des Wassers, zieht sich über die herrlichen Designs der Gebäude und endet noch lange nicht bei liebevollen (oder auch bissigen) kleinen Details wie wuselnden Arbeitern am Hafen, herumtapsenden Bären im Wald und der Schweinefarm, die per Hydraulik die grunzenden Borstentiere ins Schlachthaus schiebt, aus dem dann sauber verpackte Schnitzel-Kisten rollen. Überall gibt es etwas zu sehen, überall ist etwas zu entdecken. Und auch ohne die Mittelalter-Romantik der Vorgänger sieht das alles noch sehr Anno-mäßig aus.

Produzent Schmitz erläutert: „Wir haben uns die verschiedensten Anno-Szenarien überlegt - von Anno Steinzeit bis Anno Star Trek - und haben deren Vor- und Nachteile abgewogen. Wir hatten eine ganze Menge verschiedener Konzepte auf dem Tisch. Das vorherrschende Motto war aber stets „Anno bleibt Anno". Wir wollen, dass erfahrene Anno-Spieler sich in der neuen Episode komplett wiederfinden. Wir hatten beispielsweise mal die Idee, die Inseln aus dem Spiel zu nehmen und stattdessen eine große Landfläche zu bieten, die der Spieler dann zukleistern kann. Aber das hätte uns einige der wichtigsten Spielmechaniken von Anno gekostet – da wäre dann der Handel stark eingeschränkt gewesen, ebenso wie der beschränkte Platz auf den Inseln, der effizient genutzt werden will."

„Daher haben wir davon dann abgesehen, es war uns wichtiger, die grundlegende Mechanik in die nahe Zukunft zu übertragen", fährt Schmitz fort. „Wir wollen ein Spiel, das sich durch und durch anfühlt wie ein Anno, das aber nicht mehr durch das Mittelalter-Setting beschränkt ist und einfach mal etwas Frisches bietet."

Das scheint Related Designs auf den ersten Blick absolut geglückt zu sein. Nach anfänglicher Skepsis beim Anblick grau-brauner Industrieanlagen wuchs die Begeisterung für das Gezeigte mehr und mehr. Aber da ist ja noch die Sache mit dem Bezug zur Realität – die scheint das neue Anno 2070 in den letzten Wochen und Monaten tatsächlich fast schon eingeholt zu haben. Während Related Designs fleißig an einem konstruktiv-optimistischen Aufbauspiel um die Dichotomie „Nachhaltigkeit oder kurzfristiger Nutzen" tüftelte, ereignete sich in Japan die Katastrophe in Fukushima und in Baden-Württemberg stellen die Grünen jetzt erstmals den Ministerpräsidenten.

Dazu erklärt Produzent Chris Schmitz: „Natürlich sind die Ereignisse in Fukushima auch für uns sehr tragisch und wir sind auch persönlich sehr betroffen... einer unserer Marketing-Manager hat dort sogar Verwandte. Wir sind aber sehr überrascht, wie schnell die Realität die Fiktion jetzt eingeholt hat. Das hätten wir so natürlich nicht erwartet. Aber wir wollen aus diesen Ereignissen keine Vorteile ziehen. Anno 2070 wird nicht als das „offizielle Spiel zur Katastrophe" vermarktet werden, aber wir haben mit der Atomkraft und all ihren Risiken doch die entsprechenden Elemente im Spiel drin."

Auf unsere Nachfrage, ob die tragischen Ereignisse das Spiel in irgendeiner Weise beeinflussen erfahren wir: „Natürlich wird man dann nicht die Ereignisse von Fukushima nachspielen, aber der Spieler wird wohl bei der Entscheidung über Nachhaltigkeit etwas genauer nachdenken. An den Spielmechaniken werden die aktuellen Ereignisse allerdings nichts ändern. Genau wie es bei früheren Episoden der Reihe um eine wie wir sagen „wahrgenommene" Vergangenheit geht, so geht es bei Anno 2070 um eine wahrgenommene Zukunft. Natürlich ist die Handhabung eines Atomkraftwerks in der Realität weit, weit komplexer als bei uns im Spiel dargestellt. Bei uns geht es ja nicht um Micromanagement."

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Der Release des neuen Anno wird bisher grob für „diesen Winter" angegeben, Zielplattform ist natürlich zunächst einmal der PC. Doch tatsächlich schließt Chris Schmitz eine Konsolen-Umsetzung nicht komplett aus: „Mit der Performance von Anno – Entdecke eine neue Welt auf der Wii waren wir sehr zufrieden, auf Metacritic ist das Spiel bis heute einer der am besten bewertetsten Titel, die Ubisoft jemals veröffentlicht hat. Momentan entsteht Anno 2070 natürlich erst einmal für den PC, aber eine Konsolen-Umsetzung, das ist für uns doch durchaus im Rahmen des Denkbaren." Na also, da dürfen dann doch auch die Konsoleros noch hoffen.

Ich gebe offen zu: Das, was ich bisher von Anno 2070 gesehen habe, konnte mich wirklich begeistern – Stil, Inszenierung und Design sind fantastisch und dem Mut der Entwickler, sich so weit von den mittelalterlichen Szenarien zu entfernen, die Anno ja einst so groß machten, gebührt absolutes Lob. Allerdings können wir soweit nur über die Szenarien, das Setting und die Darstellung schreiben, bisher konnte ich weder selbst Hand an das Spiel anlegen noch das neue Interface begutachten, das hält Related Designs momentan noch streng unter Verschluss. Ich hoffe, möglichst bald selbst die Zukunft erleben und mitgestalten zu können.

Spätestens zur diesjährigen gamescom gibt es dann hoffentlich mehr zu sehen, damit wir euch auch etwas über Steuerung, Balance und Menüs berichten können. Bis dahin schließe ich einfach mit dieser Erkenntnis: Auch wenn Anno 2070 zunächst mit seinem überraschenden Setting und dem modernen Design überrascht und Mittelalter-Fans vielleicht sogar etwas vor den Kopf stößt, so hat sich die Reihe doch ihre „Seele" bewahrt und schreitet mutig in die Zukunft – ich bin gespannt, was die noch so bringt!