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Vanquish

Testosteron und dicke Knarren

SEGA sollte seinen Deal mit den Platinum Studios verlängern. Selbst wenn MadWorld sicher nicht alles war, was es sein konnte, Infinite Space und noch weit mehr das in vielerlei Hinsicht einzigartige Bayonetta waren Highlights. Und nach ein paar Stunden mit Vanquish wurde sehr deutlich, dass die Erfolgsserie des Studios aus Osaka noch nicht abreißt. Oder zumindest, dass es mich sehr, sehr überraschen würde, sollte sich das Spiel nach dem ersten Akt komplett komplett anders entwickeln.

Diesmal könnte es sogar mit dem finanziellen Erfolg klappen, der der bebrillten Hexe dann doch nicht im eigentlich verdienten Maße vergönnt war. Statt völlig überdrehter Mystik und psychotischen Sexsymbolen setzt man mit den Third-Person-Shooter Vanquish auf Testosteron und dicke Knarren, eine Mischung, die im Westen in der Regel ziemlich sicher beim nicht zu kleinen Zielpublikum landet. Wobei, an einer gesunden Überdrehtheit mangelt es auch diesem Game ganz sicher nicht.

Schließlich gibt es VERRÜCKTE RUSSEN! IM WELTRAUM! Und sie haben nicht nur eine Weltraumstation und ihren experimentellen Energiesammler gekapert, sondern als erste Warnung mal eben San Francisco in einem überraschend gelungenen, cineastischen Startfilmchen zum Kochen gebracht. Platzende Leute und brodelnder Ozean inklusive. New York folgt als nächstes, sofern der extraböse Oberputschist keine komplette und bedingungslose Kapitulation innerhalb von zehn Stunden auf seinem Schreibtisch findet.

Während des Rutschens zu Ballern ist eine bisher von mir jedenfalls nicht gemeisterte Kunst.

Mit solchen Leuten verhandelt man nur direkt, bevorzugt aus der Sicht durch ein Fadenkreuz und am besten aus der Bequemlichkeit eines experimentellen Super-Kampfanzuges heraus. All diese Verhandlungsvorteile bringt Sam Gideon mit, als er die Station mit einer Masse an Space Marines entert und zeigt, wie man im Westen diskutiert: Mit jeder Menge kitschiger Super-Macho-Stereotypen, die stets mit einer Art japanischem Augenzwinkern gereicht werden. Im Prinzip läuft das nicht anders als bei den Muskelpakten der Gears of War und direkt daher scheint auch einer der Begleiter Gideons inspiriert.

Ungefähr zweieinhalb Meter grantiger Veteran stecken in einem überdimensionierten Kampfanzug mit eingebautem Stand-MG. Lächeln ist für Kommunisten und Nachdenken für Sissys. Insoweit hat das alte Eisen namens Colonel Burns nur wenig Liebe für die in der in Japan so beliebten Waffenschmiede DARPA beschäftigte, kurzberockte Elenova – die nette Stimme, die euch mit Hinweisen versorgt – und natürlich euch, das neue Wunderkind DARPAs. Westliche Helden und Schurken in einer westlichen Welt und doch kann und will Vanquish seine Herkunft nicht verleugnen.

Wie ein polygongewordener Luxus-Anime mit Exportbestimmung verbindet Vanquish Eindrücke und Optiken beider Welten. Dieser Eindruck erinnert daran, dass hier jemand mit Erfahrungen in solchen Konstellationen als Director an Vanquish arbeitet. Die meisten dürften Shinji Mikami als Entwicklungsplaner der SNES-Version von Alladin im Hinterkopf haben, einige jedoch erinnern sich vielleicht an diese Zombie-Serie, gestartet auf der PSone. Wie hieß sie noch mal? Richtig, Resident Evil. Der Mann war verantwortlich für so ziemlich jedes wichtige Spiel der Serie bis Teil 4. Und wenn Vanquish irgendetwas mit den Zombies in Raccoon City verbindet, dann ist es das Talent dieses Mannes, ein eigentlich westliches Setting mit japanischem Charme aufzuwerten.

Statt bei der eigenen Figur auf die Statur eines Fenix zu bauen, kommt Gideon schlank und sehr beweglich daher, vor allem dank seines Spezialanzugs mit der eigenwilligen Fertigkeit, raketengestützt auf den Knien herumzurutschen. Springen fiel dafür im Gegenzug flach, auf dem A-Button liegt statt dessen ein Abrollen in alle Richtungen. Deckung sucht man mit X, so wie man auch Kisten öffnet, verwundeten Kameraden hilft und Umgebungsobjekte benutzt. Neue Waffen hebt man jedoch mit der rechten Schultertaste auf, die gleichzeitig als Nachladeknopf dient. Mit dem linken Trigger wird genau gezielt, mit linkem Trigger plus einer Richtung und Abrollen geht es in die zeitlich sehr begrenzte Zeitlupe, in der man dann durch Druck auf den rechten Schulterbutton auch in Sicherheit oder eine bessere Schussposition sliden kann.

Liegt das nur an mir oder denken Japaner immer etwas komplizierter, wenn es um Steuerungen in Videospielen geht? Irgendwie fiel mir das bei Monster Hunter auf, Resident Evil 5 schien nicht immer ganz intuitiv und auch bei Vanquish musste ich mich erst ein wenig Einspielen. Nach ein, zwei Stunden ging zumindest der größte Teil der Moves in die Finger über. Ich will das gar nicht zu sehr kritisieren, jedoch scheinen westliche Studios solcherlei mitunter geschickter zu lösen, ohne groß auf etwas verzichten zu müssen.

Was ebenfalls japanisch daherkommt, ist der Härtegrad und die Rücksetzpunkte. Wer siegen will, der wählt den einfachsten Modus mit zusätzlichen Automatikhilfen oder zumindest Leicht. Hier versengte es mir nur einige Male den Helden in seiner Rüstung. Auf Normal dagegen hatte ich schon gut an dem ersten Boss zu knabbern, der euch bereits nach einer halben Stunde traktiert. Auf Hart habe ich ihn in zehn Versuchen noch nicht packen können und zwar ohne mich beschweren zu können, dass Vanquish unfair wäre. Wie auch Bayonetta braucht ihr in solchen Härte-Höhen eine gesunde Mischung als Lernwilligkeit, perfekter Pad-Beherrschung, dem richtigen Timing und vielleicht manchmal auch ein Quäntchen Glück, damit alles zusammenpasst.