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Cargo!

Die Götter müssen verrückt sein

Dass die Russen von Ice-Pick Lodge nicht ganz auf der gleichen Länge wie der Rest arbeiten, wurde nach dem spannenden Erstlingswerk Pathologic klar, als sie 2008 in The Void weit in nonkonformistisches Terrain abdrifteten. Leider war dort zwar alles schräg und schön, nur nicht immer spielerisch auf der Höhe. Das könnte sich in Cargo! ändern. Auch wenn sie mit diesem Spiel endgültig deutlich machen, dass hier irgendwem definitiv ein paar Cent bis zum ganzen Schilling fehlen.

Gott – oder die Götter, etwas unklar im Moment – fand die Welt und vor allem die Menschen darin doof und langweilig. Also beseitigte er diese und drehte die Gravitation auf den Kopf, sodass alles, was mal unten war, jetzt an der Decke des Himmelszeltes klebt. Unten ist aber nicht nichts, sondern Wasser und liebliche Inseln. Irgendwas muss ja für die Brats, den Menschenersatz, da sein. Die Brats sind kleine, nackte Männer. Ja. Richtig gelesen. In diesem Spiel seid ihr von kleinen, nackten Männern umrundet. Flashback. Goldstrand. Bulgarien. 1998. Weiter im Text.

Gott nimmt das Ganze als Teil seiner Ausrede, einen Plan zu haben, wenn er in Wahrheit scheinbar einfach zu heftig mit dem Kopf gegen die Kreation donnerte. Wie auch immer, sein neuer Plan sieht vor, diese Brats zu amüsieren und den Spaß in die Welt zu bringen. Dies soll die Heroine Flox richten. Tough und burschikos, nur leider ohne ein Gehirn könnte das zum Problem werden, aber Gott hatte Einsehen und gab ihr ein mechanisches Gehirn. Warum? Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung...

Man muss mit dem arbeiten, was man hat.

So weit erst mal die etwas verworrene Ausgangslage. Was für ein Spiel könnte man wohl aus einer Welt voller Inseln, mit Zeugs an der Decke, nackten, unter akutem Methusalem-Syndrom leidenden Babys und einer Heldin mit Ersatzgehirn basteln? Eines, in dem man in der Third-Person-Ansicht kleinen, nackten Männern in den Hintern tritt. Ja. Wiederum habt ihr diesen Satz völlig richtig entziffert. Ihr tretet den Brats in den Hintern und die finden das super. Sie haben Spaß dabei und genau das ist die Währung, die ihr braucht, um Dinge von der Decke per wiedergefundener Schwerkraft zurück an den Boden zu holen.

Was von oben nach unten fällt, sucht ihr euch nicht aus, es gibt euch aber neue Möglichkeiten, mehr Brats zu erreichen und sie zu unterhalten. Tanzen lieben sie auch, also hilft eine Boombox. Tanzende, nackte, sehr kleine Männer am Strand. Glaubt mir einfach, das sah im Spiel freakig, aber doch lustig und irgendwie niedlich aus. Nicht creepy, verstörend und Angst einflößend. Im fertigen Spiel soll es noch viele Wege mehr geben, diese kleine Kerle zu unterhalten.

Die wollen doch nur Spaß.

Um aber so weit zu kommen, müsst ihr immer neue Bereiche dieser schrägen Welt erreichen. Manches von dem, was die Schwerkraft wieder freigab, hilft direkt. So fallen ein Eisberg, die Titanic und eine riesige Brücke herunter und diese können auf verschiedenste Weisen erkundet werden. Um alles zu ergründen, müsst ihr jedoch auch Einzelteile und Schrott sammeln, der weit häufiger als solche Monumente herunterpurzelt. Aus diesen baut ihr dann die verschiedensten Fahrzeuge.

Mit "verschiedensten" ist hier wirklich eine Menge Freiheit gemeint. Auf simpel zu handhabenden Blaupausen arrangiert ihr, durchaus vergleichbar mit Banjo & Kazooie: Nuts & Bolts, Gefährte ganz nach eigenem Gusto zusammen. Ein nicht zu komplexes Physikmodell definiert, ob eure Schöpfung in der Lage ist zu fliegen, zu schwimmen oder wenigstens zu fahren. Alles was das fertigbringt, hilft euch neue Brats zu finden, aber es macht auch schon den um euch herum befindlichen Spaß, sich dranzuhängen, sodass immer ein wenig Platz für Passagiere bleiben sollte. Mit genug Spaß gibt es irgendwann dann genug Gravitation und die Stage ist geschafft. Und die eigene Wahrnehmung von Realität einen Schritt zur Seite gegangen, um Platz für diesen akkumulierten Wahnsinn zu schaffen.

Sollte das Eigenbau-U-Boot nicht dicht halten, findet ihr raus, ob die Brats Ertrinken vielleicht auch spaßig finden.

Dabei drehte sich Ice-Pick Lodge beim Design im Vergleich zu The Void für Cargo! um 180 Grad. War ersteres dunkel und finster, prallen hier satte, helle Farbtöne auf die Netzhaut, die Sonne scheint und es gibt im Artdesign keinen Grund für die Brats, Trauer zu tragen. Ein schönes, stimmiges Good-Vibrations-Setting war das Letzte, was ich von diesem Studio erwartete, jedoch bekamen sie genau das hin und sogar jetzt schon, im Pre-Alpha-Stadium, technisch sehr anständig.

Cargo! wird sicher kein Allerweltsspiel, nur hat das ja niemand nach The Void erwartet. Diese Story jedoch, die kleinen, nackten, tanzenden Männer – sorry, dass ich mich wiederhole, ich bin noch nicht drüber weg –, das alles ist so ansteckend wahnsinnig, dass man gar nicht anders kann als schon beim Zuschauen in gute Laune zu verfallen. Man sucht nicht nur den Spaß im Spiel, es scheint auch genau diesen zu verbreiten. Ob es jetzt insgesamt ein in jeder Hinsicht gutes Game wird, will ich noch nicht prophezeien, auch wenn ich nach der Präsentation durchaus hoffnungsvoll bin. Und wenn nicht, dann kann man immer noch den Brats in den Hintern treten. Dabei fühlt man sich auf jeden Fall gut. Und die auch. Win-Win-Situation.

Cargo! wird für den PC erscheinen. Angepeilt ist das erste Quartal 2011.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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