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Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1

Ach du lieber Harry...

Egal wie man zum Thema Harry Potter und dem damit untrennbar verbundenen Hype doch stehen mag, über eine Sache sind sich wohl alle einig: Autorin Joanne K. Rowling hat in sieben Büchern eine faszinierende, durch und durch britische Welt geschaffen, die unzählige Möglichkeiten für spannende Abenteuer, dramatische Situationen und neue Spielerlebnisse bietet. Und was macht Electronic Arts jetzt aus dieser herrlich komplexen und reichhaltigen Vorlage? Die generischste Shooter-Schleich-Mischung, die man sich nur vorstellen kann. Toll.

Ja, richtig gelesen. Harry Potter ist jetzt ein Deckungsshooter im Stil von Gears of War. Hätte man mir das vor ein paar Jahren erzählt, ich hätte an einen blöden Scherz gedacht und herzhaft darüber gelacht. Ende November 2010 bleibt mir dieses Lachen dagegen im Halse stecken. Gut, mag man jetzt argumentieren, der Ansatz ist ja eigentlich nicht einmal so dumm – EA entwickelt ein Spiel im Stil der in Deutschland nicht erhältlichen Epic-Serie, verzichtet auf die plakative Gewalt und macht das fertige Werk dank USK12-Freigabe auch jüngeren Spielern zugänglich.

Grafisch ist der neue Harry Potter ja eigentlich ganz hübsch – schade, dass das Gameplay selbst nicht überzeugt.

Aber leider geht die Rechnung nicht auf. Zum einen erweist es sich als denkbar schlechte Idee, das Potter-Universum mit dem Brecheisen in ein so unpassendes Genre-Korsett zu zwängen, und zum anderen ist auch die Umsetzung der ja eigentlich gut erprobten Shooter-Elemente unzureichend.

Mal lauft ihr in der Third-Person-Perspektive durch die Gegend, dann wieder spielt ihr aus der Ego-Sicht. So richtig gut fühlt sich aber keiner der beiden Spielmodi an. Harry steuert sich hakelig und die stetig nachwachsenden Gegner teleportieren sich einfach direkt in die Kampfarenen. Dabei wiederholen sich die Feinde immer und immer wieder, mit zunehmenden Spielverlauf werden auch die Leveldesigns immer langweiliger. Besonders die Stealth-Sequenzen sind gründlich misslungen. Während Harry unter seinem Tarnumhang durch die Level stakst, materialisiert sich ein Gegner einfach gerne mal in unmittelbarer Nähe und rempelt ihn an – sofort ist die Tarnung dahin und wir werdet von zahllosen Widersachern mit magischen Geschossen durchsiebt. Schon vor gut zehn Jahren haben wir das bei Metal Gear Solid auf der PSone besser gesehen.

Nur eines kann man dem Spiel zugutehalten: Technisch macht es einen guten, sauberen Eindruck. Umgebungen und Charaktermodelle sind gelungen und so manche Zwischensequenz lässt die Hoffnung aufkommen, dass es jetzt besser wird. Leider ist die aber trügerisch. Und trotz technischer Kompetenz fehlt es dem neuen Potter auch in Sachen Präsentation einfach an Herz und Charakter.

Seit dem dritten Teil der Reihe dürfen die ekligen Dementoren auf keinen Fall fehlen.

Ach ja, auf der Xbox360 gibt es auch noch ein paar Kinect-Spielereien. Leider sind die genauso halbherzig und grobmaschig ausgefallen wie der Rest des Spiels. Viel Spaß dabei, wenn ihr versucht, mit wenig intuitiven Gesten Zauber auszuführen.

Man meint, dem Spiel regelrecht anzumerken, dass es mit der heißen Nadel gestrickt wurde. Mit mehr Feinschliff hätte der neue Potter viele seiner eklatanteren Fehler vermeiden können. Aber selbst dann wäre das Projekt noch fragwürdig. Ist eine Mischung aus Cover-Shooter und Schleicherei wirklich der beste Weg, eine Lizenz wie Harry Potter umzusetzen? Irgendwie fühlt sich das alles doch sehr gezwungen und aufgesetzt an. Wollt ihr dringend Harry Potter, dann greift zu einem der besseren Vorgänger oder holt euch die LEGO-Variante. Die bietet genau das, was wir hier schmerzlich vermissen: Eine interessante Welt, Abwechslung, rundes, funktionierendes Gameplay und vor allem ein Herz für die Materie.

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 ist für Xbox360, Wii und PS3 im Handel erhältlich.

4 / 10

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In diesem artikel

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii, PC, Nintendo DS

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Thomas Nickel Avatar

Thomas Nickel

Autor

Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

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