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Filmkritik: Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten

Abgesoffen

Ein Kinofilm zu einem Disneyland-Fahrgeschäft, auf eine solche Schnapsidee können nur die Amerikaner kommen. Ich kann mir richtig vorstellen, wie ein besoffener Produzent bei einem Stripshow-Besuch samt Piraten-Lady-Outfit seinen Kumpels lachend ein „Seht ihr die Kleine? Solche Piraten würde ich gern mal auf der großen Leindwand sehen" zugeworfen hat. Worauf ein anderer ihm ein „Genau und das Ganze basiert dann auf Disneys Fluch der Karibik" zuprustet. Okay, wahrscheinlich wurde der Fluch der Karibik in einem helldurchleuchteten, politisch korrekten Disney-Office beschlossen, das ändert aber nichts an der Hybris hinter dieser Eingebung. Und das daraus dann am Ende einer der erfolgreichsten Event-Filme der letzten Jahre geworden ist, spricht für den Wahnsinn Hollywoods und die Macht des Disney-Familienkinos.

Doch der Erfolg von Fluch der Karibik kommt nicht ganz ungerechtfertigt. Gleich mehrere Faktoren machten aus dem durchgeknallten Entertainment-Produkt einen Blockbuster – im positiven Sinne des Wortes. Ganz vorne mit dabei: Ein starker Johnny Depp, der sich mit seinem schön tuntig gespielten Jack Sparrow in die Herzen der Kinozuschauer gespielt hat. Dann ein gutes Skript voller erstklassiger Dialoge. Und zu guter Letzt familienfreundliche, spannende Action, die der richtigen Portion Fantasy auch Nerds begeistert. Das Endergebnis war ein Streifen, bei dem man nach zwei Stunden gut gelaunt aus dem Kino kommt und sich freut, ein paar Mal herzhaft gelacht zu haben.

Teil 2 und 3 waren da schon deutlich schwieriger. Besonders dem ersten Nachfolger merkte man seine Brücken-Funktion deutlich an. Mit dickem Cliffhanger und vielen Storylücken ganz klar der bisher schlechteste Piraten-Klamauk. Beim dritten Teil wurde es dagegen zumindest etwas besser. Gerade in puncto Bombast war Am Ende der Welt eine wahre Augenweide. Wie sich die Black Pearl und die Flying Dutchman im Strudel bekämpfen, ist ganz weit oben, da verzeiht man dem Streifen auch seine eher lahme Story.

Nun also der vierte Teil und mit ihm ein gewaltiger Schnitt. Orlando Bloom und Keira Knightley sind draußen. Jack Sparrow alias Johnney Depp ist weiter mit dabei, schwächelt aber und Penelope Cruz gibt den weiblichen Gegenpart. Leider ist die holde Schönheit gleich die erste Enttäuschung. Der guten Frau nimmt man die taffe Piratenbraut einfach nicht ab. Die meiste Zeit wirkt sie blass und farblos. So ähnlich wie zwei andere Pseudo-Hauptdarsteller, ein hübscher Prediger und eine noch hübschere Meerjungfrau. Wie sie heißen, habe ich vergessen. Die Dame war mal Unterwäsche-Model, mehr ist nicht hängengeblieben. Da wünscht man sich glatt Keira Knightley zurück und das sagt ja wohl alles.

Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten - Trailer

Doch Charaktere hin oder her, das größte Problem ist wohl die Inszenierung. Dem neuen Regisseur Rob Marshall gelingt es einfach nicht, dass extrem schwache, dialoglastige Drehbuch in den Griff zu bekommen. Die Geschwätzigkeit nervt einfach, vor allem weil die Witze nicht zünden wollen. Außerdem kommt einem die Jagd nach der Quelle der ewigen Jugend zu bekannt vor. Das Zusammensuchen von Puzzleteilen, die Suche über die Weltmeere bis hin in düstere Dschungelreiche gab es in den letzten Teilen auch. Kleine Triumphe, große Rückschläge und am Ende ein pompöser Showdown. Ja, so funktioniert zum Teil das Genre, doch hier gibt es kaum eigene Ideen, sondern viel wiedergekauten Durchschnittskram.

Zugegeben, es gibt ein paar nette Szenen. Zum Beispiel der Angriff von Meerjungfrauen, die sich mit den Piraten einen sehenswerten Kampf liefern. Die wirklich bombastischen Schlachten der Vorgänger, die oft wahnwitzigen Bilder und Ideen, fehlen aber. Besonders enttäuschend ist der 3D-Effekt. Erstmals mit einer echten 3D-Kamera gedreht, fehlt dem Streifen einfach die Tiefe und die geschickte Hand eines James Cameron für diese Art von Inszenierung. Nicht störend oder wirklich schlecht, aber extrem überflüssig.

So ist Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten ein Disney-Fahrgeschäft ohne echte Höhepunkte. Eine Ein-Mann-Show des vom Drehbuch im Stich gelassenen Johnny Depp, dessen Auftreten im vierten Teil irgendwie nicht mehr lustig, sondern ein wenig albern wirkt. Der vierte Teil schwächelt also genau bei den Elementen, die seine Vorgänger so gut gemacht haben. Witz, Inszenierung, Action und Story sind eine Klasse schlechter. Der 3D-Effekt zu schwach. Und Penelope Cruz enttäuscht auf ganzer Linie. Ein paar gute Szenen reichen einfach nicht aus, um die Serie zu alter Stärke zurückkehren zu lassen. Vielleicht liegt es am Regisseur, vielleicht aber auch an einer gewissen Ermüdung, auf jeden Fall brauche ich in dieser Form ganz sicher keinen fünften Teil. Dann doch lieber nach Disneyland und das Original bestaunen.

Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten startet heute in den Kinos.

Über den Autor

Kristian Metzger

Contributor

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