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El Shaddai: Ascension of the Metatron

Die Pforten der Wahrnehmung

Ich gebe jetzt einfach mal einen Tipp ab: Für die meisten von euch dürfte die Spieleplanung für den Rest des Jahres mehr oder weniger ähnlich aussehen. Je nach Hardwareausstattung werdet ihr im September entweder in Resistance 3 oder in Gears of War 3 Monster perforieren. Im Oktober wird dann bei Battlefield 3 durchgeladen und der November steht dann ganz im Zeichen von Uncharted 3 und dem neuen Modern Warfare. Auch 3. Und wenn die dann durch sind, dann lässt man das Jahr hübsch mit Skyrim ausklingen - wenn's schon im Kino nicht mehr mit dem weihnachtlichen Fantasy-Schinken klappt, auf die Spieleindustrie ist da allemal Verlass.

Daran ist auch nichts auszusetzen, immerhin sind das alles durch die Bank weg hochwertige, aufwendig produzierte Titel, bei denen es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn sie nicht so gut werden, wie allgemein erwartet wird. Trotzdem, da fehlt mir etwas. Die Würze. Das Außergewöhnliche. Das Spiel, das für die nötige Abwechslung sorgt, das überrascht und das nicht in den erprobten Bahnen erfolgreicher Action- und Fantasy-Blockbuster läuft. Um den üppigen Spieleherbst daher aufzupeppen und mit dem nötigen Kick zu versehen, empfehle ich euch einen Titel, der all das bietet, was die großen AAA-Titel vermissen lassen. Schon alleine, weil beim Gedanken daran die zuständigen Marketing-Abteilungen und Produkt-Manager Angstzustände bekommen würden. Ich empfehle euch El Shaddai: Ascension of the Metatron.

Um sich dem zu nähern, machen wir einen kurzen Ausflug in die Literatur. Es waren Aldous Huxley, Autor von hervorragenden Werken wie Die Insel oder dem grandiosen, heute aber leider etwas mit dem Mief von Schullektüre behafteten Brave New World, sowie der Psychiater Humphrey Osmond, die in den späten 1950er Jahren den Begriff "psychedelisch" prägten.

Enoch läuft durch manch ein ätherisch anmutendes Szenario.

Dabei ging es um die von beiden über alle Maßen geschätzte Wirkung von unter kontrollierten Umständen eingenommenen halluzinogenen Drogen. Nun, auf dieses heute eher negativ konnotierte Feld wollen wir uns hier gar nicht erst begeben, doch eines lässt sich hier mit Fug und Recht behaupten: Wenn ein Spiel jemals zurecht mit dem Adjektiv "psychedelisch" in Verbindung gebracht wurde, dann El Shaddai.

Was hier von Ignition Entertainment entwickelt und von Konami vertrieben wird, ist nicht mehr und nicht weniger als ein virtueller Trip in eine Welt, die jegliche Vorstellungskraft sprengt. Bereits Tetsuya Mizuguchis herausragende Synästhesie-Experimente Rez und Child of Eden gingen stark in diese Richtung, aber El Shaddai geht noch viel weiter als die beiden Musik-Actionspiele. Anstatt auf das relativ einfache Aufschalt-Abschieß-Prinzip der Mizuguchi-Titel zu setzen, ist El Shaddai unterm Strich ein klassisches Third-Person-Actionspiel. Ihr lauft herum, meistert ein paar Sprungpassagen und verhaut immer wieder größere und kleinere Gegner, wie es die Kollegen Dante und Kratos auch tun.

Doch im Gegensatz zu denen ist El Shaddai absolut unberechenbar. Hier wisst ihr nie, woran ihr seid. Ihr lauft durch wabernde Farbmuster und durch opulente High-Tech-Städte. Ihr rennt und springt an gewaltigen Mosaik-Fenstern vorbei. Farben zerfließen, Bäume wiegen sich im Wind und lösen sich nach oben hin auf. Ihr durchquert weiß-minimalistische Szenarien und wundert euch über archaisch anmutende Idole.

In dieser 2D-Sequenz wird der grafische Einfluss von Okami-Künstler Takeyasu Sawaki besonders deutlich.

Anschließend geht es Hunderte von Metern über einer Stadt über glänzend schwarze Stege balancierend weiter, im Hintergrund ein explodierendes Feuerwerk, dazu in immer wieder die in jubelnde Hymnen mündende Musik. Diese Beschreibungen werden dem, was da auf dem Bildschirm passiert, kaum gerecht. El Shaddai muss man erlebt haben.

Ich schreibe hier auch bewusst erlebt, nicht gespielt. Die eigentliche Spielbarkeit von El Shaddai ist gut und stabil, aber sie ist hier nicht der alleinige Fokus. Die Mischung aus Sprungpassagen in der zweiten und dritten Dimension und Kämpfen, die sich leicht an Actionspiele wie Devil May Cry oder Bayonetta anlehnen, funktioniert. Sie bringen Spaß und geben euch beim Durchqueren der faszinierenden Welt von El Shaddai auch genügend zu tun, selbst wenn sie durch die eher überschaubare Manövervielfalt und die vereinfachte Steuerung im Vergleich zu den genannten Titeln eher simpel ausfallen.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

El Shaddai: Ascension of the Metatron

Android, PS3, Xbox 360, PC

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Über den Autor
Thomas Nickel Avatar

Thomas Nickel

Autor

Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.
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