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Atelier Totori - The Adventurer of Arland - Test

Bist du Shōjo genug?

Ich kann mich eher selten für solche Systeme begeistern, aber das liegt eher daran, dass sie oft genug oberflächlich bleiben. Hier kann man sich über Stunden hereinarbeiten und es ging so weit, dass ich anfing ein eigenes Notizbuch zu füllen, um festzuhalten, was wie funktioniert. Muss man nicht, aber es hat schon einen Harry-Potter-Touch, es zu versuchen. Snape jedenfalls kann ich jetzt in "Potions 101" den Finger geben.

Auch sehr reizvoll ist es, dass Zeit im Spiel vergeht. Ihr habt für alle Questen eine Deadline, sodass ihr aufpassen müsst, euch nicht zu viel Arbeit aufzuladen und gleichzeitig in den definierten Zeiträumen des Spieljahres weiter zu kommen. Es ist eine konstantes Abwägen, ob man eben doch noch diese Super-Rüstung anpeilen möchte oder sich um andere Sachen kümmern sollte, die sonst liegen bleiben würden. Das, plus eine sehr offene Spielwelt, die euch nur selten in bestimmte Richtungen schubst, sorgt für eine Spielerfahrung, die sich sehr nach einer eigenen, selbst geschaffenen anfühlt. Angesichts der vielen Variablen könnt ihr ziemlich sicher sein, dass niemand dieses Spiel ganz genauso gespielt hat wie ihr.

Das heißt aber nicht, dass sich in die Questen nicht schnell Routine einschleichen würde. So ist das halt mit freien Welten. Fast ein wenig wie in einem MMORPG läuft es eben auf dieses Sammeln und Töten hinaus, das an sich zwar Monotonie beherbergen mag, aber letztlich als Gelegenheit genutzt werden muss, die Taktiken zu optimieren, neue Items zu testen, die Gruppe abzustimmen. Mögt ihr das Feilen an diesen Mechaniken, dann ist das ein großartiges System, das über Stunden und Tage am Stück bei Laune halten kann, sucht ihr dagegen eher den nächsten Brocken und hangelt euch mit dem durch, was ihr habt, dann bleibt nicht viel von der Freude.

Gerade bei diesen Anime-Hardcore-Games aus Japan - Hardcore im rein spielerischen Sinne - gibt sich die Technik ja normalerweise fast schon traditionell unterirdisch, aber Totori legt zumindest bei seinen Figuren die Meßlatte hoch an. Deren Cel-Shading wirkt wie eine hochwertige Zeichentrickserie, was dummerwiese den Effekt hat, dass die Umgebungsgrafik in ihrer ganzen Lieblosigkeit noch mehr hervorsticht. Vielleicht ist es besser, dass sich die Kamera nicht drehen lässt. Das, was hier an Gebäuden und Hintergründen ins Bild gerückt wird, sieht schon dürftig genug aus. Man könnte argumentieren, dass das dieses Manko für das Herz des Spiel irrelevant ist, aber ich sehe das anders. Eine Umgebung , die einen nahtloseren Übergang zu den Figuren geben würde, könnte die Geschichte um viel Herz, Schmerz und Selbstemanzipation und all deren schwerer Süße leichter verkaufen.

Denn das ist es wirklich, woran ich scheitere. Atelier Totori - The Adventures of Arland hat einige sehr elegante Spielmechaniken im Kampf und im Ablauf zu bieten. Die Idee der physisch schwachen Heldin, die geschützt werden muss, im Gegenzug aber für all die wirklich kampfentscheidenden Items und Waffen zuständig ist, überzeugt genauso wie das Management des Zeitkontingents für Spiel und Quest. Dazu kommt noch ein schier endloses Arsenal an Crafting-Feinheiten, die die Bastler unter den Rollenspielern über Wochen nachts wach halten können. Dass die Questen in der Regel inhaltlich mau sind und auch die eigentliche Geschichte viel zu lange braucht, um wenigstens auf halbe Fahrt zu schalten, das sind Dinge, die zwar in jedem Fall echte Größe verhindert hätten, sie sind es aber nicht, die das Spiel für mich persönlich an die Schmerzgrenze trieben.

Dafür sorgte dagegen die einfach zu niedliche Inszenierung; das "Zuviel" von allem. Seien es die vorpubertären Dialog-Ausreißer, die kindlichen Stimmen oder das weit über die Grenze des Üblichen auf den japanischen Anime-Geschmack ausgelegte Charakterdesign. Am Ende läuft es - entgegen aller Behauptungen, dass man Spiele grundsätzlich objektiv werten kann - auf eine reine Geschmacksfrage heraus. Formulieren wir es einfach so: Wenn ihr, im Gegensatz zu mir, den Begriff Shōjo nicht bei Wikipedia heraussuchen müsst, sondern ihn kennt und als positiven Filter bei der Suche nach neuen Animeserien benutzt, dann seid ihr hier richtig.

7 / 10

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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