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Jährliche Fortsetzungen: Der Niedergang der Spielkultur?

Gutes Sequel, böses Sequel

Warum aber klappt das bei Need for Speed nicht, während das FIFA-Team sich Jahr für Jahr verbessern kann? Nun, der größte Unterschied dürfte wohl sein, dass man bei Need for Speed nicht wirklich einem festen Konzept folgt. Das FIFA-Team weiß ganz klar, worauf es sich konzentrieren kann und muss, baut auf Etabliertem auf und verbessert Kernbereiche, bei Need for Speed wechselt(e) man fröhlich hin und her: Mal die Underground-Rennen, dann wieder Verfolgungsjagden mit der Polizei, bevor man mit ProStreet plötzlich auf eine simulationslastigere Steuerung und nicht mehr auf illegalen Rennen auf realen Strecken setzte. Mit Undercover ging es dann ein Jahr später wieder zurück zu diesen illegalen, etwas arcadigeren Rasereien in einer frei befahrbaren Stadt - und das eben alles von einem Entwickler. Bei solch plötzlichen Richtungswechseln bleibt dann nicht viel, worauf man aufbauen kann. Und bei den knallharten Deadlines ging einem dann wohl irgendwann die Zeit aus, um etwas richtig Gutes daraus machen zu können.

Dass man seinen Studios Zeit geben muss, hat man bei Activision offensichtlich schon länger verstanden. Bereits seit Call of Duty 3, das 2006 veröffentlicht und von Treyarch entwickelt wurde, arbeiteten Treyarch und Infinity Ward abwechselnd an der Reihe, pro Titel blieben also rund zwei Jahre Zeit. Lediglich beim jüngsten Vertreter, Modern Warfare 3, brachte man noch Raven Software und Sledgehammer Games mit an Bord, auch aufgrund der zahlreichen Abwanderungen bei Infinity Ward und dem Streit zwischen Publisher Activision und den Ex-IW-Chefs Jason West und Vince Zampella.

Infinity Ward legte den Grundstein für ein milliardenschweres Franchise.

Der Vorteil bei der Call-of-Duty-Reihe ist auch, dass man konstant auf die gleiche Technik setzt, die Jahr für Jahr ein wenig weiterentwickelt wird. Die Entwickler müssen sich also nicht stets in neue Tools und dergleichen einarbeiten, sondern können sofort loslegen und ihre beziehungsweise die Vorstellungen des Teams realisieren. Gleichzeitig ist aber auch speziell die Grafik bei den Hardcore-Shooter-Spielern auf dem PC ein äußerst wichtiger Aspekt, obendrein hat DICE' Battlefield 3 hier in diesem Jahr ordentlich vorgelegt. Die für die Call-of-Duty-Reihe verwendete IW Engine hat ihre Wurzeln indes noch in der alten id Tech 3, die damals in Spielen wie Quake 3 Arena, Medal of Honor: Allied Assault, Star Trek Voyager: Elite Force oder Jedi Knight 2: Jedi Outcast zum Einsatz kam.

Solange man diese Technik weiterhin verwendet, dürften wohl auch die kritischen Stimmen zu der im Vergleich mit einem BF3 leicht angestaubten Grafik nicht verstummen. Dass Activision beziehungsweise seine Entwicklerstudios aber noch in dieser Konsolengeneration zu einem neuen Grafikgrundgerüst wechseln, erscheint eher unwahrscheinlich. Spätestens mit dem Start der neuen Konsolenhardware muss aber definitiv auch eine neue Technik her, nicht zuletzt, weil die Konkurrenz in Form der Frostbite 2 Engine bereits darauf ausgerichtet ist und auf Dauer vermutlich davonziehen würde.

Wieder einen etwas anderen Ansatz verfolgt Ubisoft mit Assassin's Creed. Auch hier ist nur ein Team verantwortlich, das im Jahresrhythmus durchaus umfangreiche Titel raushauen kann, dafür aber auch wirklich massiv besetzt ist - zeitweise mit über 400 Mitarbeitern, die fieberhaft an einem neuen Teil arbeiten. Vorteilhaft ist natürlich auch hier, dass man einerseits schon vorausgeplant hat, wie sich die Story weiterentwickeln wird. Andererseits kann man auf die gleiche Technik zurückgreifen, die seit dem ersten Teil von 2007 zum Einsatz kommt.

Insbesondere beim jüngsten Teil, Assassin's Creed: Revelations, mehrten sich allerdings auch die kritischen Stimmen, da es zwar einerseits gewohnt gute Qualität bietet, sich aber irgendwie auch ein wenig auf den Lorbeeren der Vorgänger ausruht. Als Kenner der Serie hat man die auch die spezielleren Spielmechaniken längst verinnerlicht, es fehlte etwas Frische bei Ezios letztem Abenteuer. Hier kann man gespannt sein, wie sich der bereits für dieses Jahr bestätigte nächste Teil der Reihe schlagen wird. Es ist allerdings sehr gut denkbar, dass Ubisoft die Altersschwäche Ezios bereits während der Entwicklung von Revelations - vielleicht sogar schon davor - erkannte und im Geheimen schon länger an einer Überarbeitung des Konzeptes arbeitet.

Einen besseren Start für ein neues Franchise kann man sich wohl kaum wünschen.

Es sind jedenfalls große Marken, die meist jährlich ausgeschöpft werden, was aber auch niemanden verwundern dürfte. Je größer das Interesse an einem Franchise, desto mehr will ein Publisher dieses Interesse natürlich auch befriedigen. Und möglichst viele Titel zu veröffentlichen, liegt da nun mal irgendwie auf der Hand. Man muss es eben einfach nur richtig machen. Aber gibt es denn dieses eine Patentrezept? Ich würde sagen: Nein. Was bei dem einen Franchise funktioniert, klappt beim nächsten möglicherweise gar nicht. Ein warnendes Beispiel dafür ist etwa das angesprochene Need for Speed, bei FIFA ist man hingegen auf einem sehr guten Weg und verbessert sich kontinuierlich von Jahr zu Jahr.

Und Call of Duty kann man so viel kritisieren wie man möchte, aber Activision hat es durchaus verstanden, für einen guten Rhythmus zu sorgen, durch den die Spiele rund zwei Jahre Entwicklungszeit bekommen. Dass das im Grunde ausreicht, zeigen ja immer wieder die neuen Rekorde in puncto Verkaufszahlen. Warum also etwas ändern, wenn es doch wunderbar funktioniert? Niemand von uns, der in einer solchen Position wäre, würde das tun. Wünschenswert wäre jedoch, wenn man einen Teil des verdienten Geldes vielleicht mal hier und da in einen etwas riskanteren Titel steckt, der nicht gleich Call-of-Duty-Ausmaße annimmt. Zum Beispiel Spiele wie Ravens unterschätztes Singularity.

Jährliche Fortsetzungen sind also nicht unbedingt das personifizierte Böse, als das sie gerne dargestellt werden. Sie sind eher ein Weg für die Hersteller, die massiven Entwicklungs- und Marketingbudgets, die die Etablierung eines neuen Triple-A-Titels nun mal verschlingen, im zweiten oder dritten Anlauf wieder einzufahren. Zudem gibt ihnen der Erfolg Recht: Hier wird einfach eine zweifellos vorhandene Nachfrage bedient. Denn letztendlich liegt es ja immer noch an den Spielern, die mit ihrer Brieftasche wählen, sich diese Sequels immer wieder kaufen. Beiden Seiten kann man ihr Verhalten nicht verübeln. Selbst der größte Spielkultur-Gourmet will eben ab und an auch mal zu McDonalds, hier weiß er weltweit im Voraus, was er bekommt. Sie sind der kleinste gemeinsame Nenner, etwas, auf das sich die meisten Leute einigen können. Wem das nicht schmeckt, der findet da draußen noch genügend andere Leckerbissen - egal ob größere Produktionen oder Indie-Titel -, da ist garantiert für jeden etwas dabei.

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

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