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Alan Wake's American Nightmare PC - Test

Kein Held kann ohne einen würdigen Gegner zu Hochform auflaufen.

Ein Held ist nur so gut wie sein Widersacher und das ist etwas an dem viele Spiele oder auch Filme kranken. Viel zu oft ist der Böse nur ein großer Papp-Aufsteller, der am Ende dann noch ein paar Knarren mehr bekommt, aber in der Persönlichkeit schwer schwächelt. Dabei wäre in vielen Fällen die Beziehung zwischen Protagonist und Widersacher das spannendste Thema dieser Handlungen, nur dass es oft unter den Tisch fällt. Was sind die Motivationen des Bösen, wie kam er an die Stelle, an der er plötzlich die Welt erobern, das Leben vieler ohne Reue auslöschen oder einfach nur dem Guten so richtig final in den Hintern treten will?

Alan Wake tauchte dafür tief in die eigene Psyche ab und spielte mit verschiedenen Motiven von Selbstzweifeln und Schuld, ohne seinem Widerpart ein Gesicht zu geben. American Nightmare steigt noch tiefer in das Thema ein und es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten, wie es zu der Situation kommt, dass er mitten im tiefsten Westen der USA einem verzerrten Antlitz seiner selbst den Kampf ansagt. Dass es jedoch eine sehr effektive Dramaturgie ist, wird schnell klar. Die beiden Gegenspieler treffen immer wieder aufeinander und ihr als Spieler bekommt ein klares Bild, gegen wen ihr kämpft. Es macht das Finale dann schließlich umso reizvoller - leider nicht den finalen Kampf, der eine der schwächsten Sequenzen von American Nightmare bildet - und, selbst wenn scheinbar für den Moment in der großen Geschichte um Alan Wake nicht so viel gelöst wurde, lässt es euch trotzdem mit dem Gefühl zurück, einen wichtigen Schritt erfolgreich beendet zu haben. Weil ihr eine Beziehung zu dem hattet, was ihr überwältigt habt.

Alan Wake's American Nightmare - Extended Trailer

Keine schlechte Leistung für ein Spiel, das nach vier bis fünf Stunden vorbei ist - den Spaß-Baller-Aracde-Modus nicht mit eingerechnet - und nun auch für den PC erhältlich ist. Die Umsetzung gibt sich unspektakulär, was nicht unerwartet ist. Die Engine scheint mit den weiten Einöden des Mittleren Westens fast ein wenig unterfordert und man merkt schon, dass dies hier mit deutlich weniger Aufwand produziert wurde. Nicht lieblos, aber doch schon etwas weniger detailliert. Inzwischen komme ich mit der Maus-Keyboard-Variante besser zurecht, was die Theorie, dass ich als Pad-Spieler einfach nichts mehr gewohnt bin, unterstützt. Insoweit seid ihr mit allen Eingabe-Varianten gut aufgehoben. Der Preis von etwa 15 Euro mag im Moment etwas hoch erscheinen, verglichen damit, dass auch das deutlich umfangreichere Alan Wake für etwa diesen Preis verkauft wird. Das liegt aber nicht daran, dass American Nightmare zu teuer wäre, sondern dass Alan Wake derzeit sehr günstig ist. Nutzt also einfach die Chance zwei auf ihre ganz eigene Art herausragende Spiele für den Preis von einem zu bekommen. Und sofern ihr durch Alan Wake schon durch seid, wollt ihr wahrscheinlich eh wissen, wie es weitergeht.

Da die Xbox 360- mit der PC-Version von Alan Wake´s American Nightmare weitestgehend identisch ist, lest ihr für weitere Details am besten einfach den Test dieser hier. Die Wertung der PC-Version ist identisch:

Alan Wake's American Nightmare - Test Xbox 360, 24.2.2012

Wenigstens brauche ich meine Lieblingszeile für Alan Wake nicht ändern: Das beste Geheimnis ist das, das nie gelüftet wird...

Oder habt ihr etwa mit den ganz großen Enthüllungen in Alan Wake's American Nightmare gerechnet? Diese Randepisode ist aber trotzdem von vielerlei Standpunkten aus gesehen interessant. Erst einmal scheint es wirklich direkt an das Ende der bisherigen Saga anzuschließen. Eines der ersten Dinge, die ihr seht, sobald ihr in Arizona ankommt, ist die Hütte aus Bright Falls, die in einem See in der Wüste versinkt. Ja, das passiert, ja, das macht Sinn. Irgendwie.

Bereits in der Episode The Writer begann die sonst allgemein übliche Verbindung von Zeit, Raum und Kohärenz deutlich strapaziert zu werden, hier strandet ihr innerhalb der Rahmengeschichte einer Night-Springs-Episode - angelehnt an Twilight Zone, monoton-dramatisierender Sprecher inklusive - ganz woanders. Funktioniert Wake so? Erstaunlicherweise sogar recht gut. Es ist ein Wechsel von Twin Peaks zu einem Crossover aus 70s-Horror-Exploitation und 50s-Junk-Cinema, gemischt mit einer ganz eigenen Form der Zeitreise-Erzählung. Der Charakter, seine generelle Motivation und viele Bestandteile wie die verteilten Seiten der Geschichte, die noch kommt, oder die ominöse "Dunkelheit" als Gegner blieben erhalten.

Die Stimmung und die Methode der Storyline haben sich gewandelt und innerhalb von American Nightmare wird euch dieser sehr spannend und intelligent aufgebaute Weg innerhalb von etwa vier bis fünf Stunden zu einem Ende führen. Ihr werdet einem überraschenden Antagonisten gegenübertreten, der sich netterweise sogar ein paar Mal blicken lässt. Über Fernseher seht ihr seine Gräueltaten und es ist ein mehr als bekanntes Gesicht. Vieles bleibt offen, aber der Charakter Alan Wakes und seine Welt und Wahrnehmung werden auf spannende Weise neu infrage gestellt. Mit anderen Worten: Remedy und Sam Lake holen aus der Spielzeit und dem in sich geschlossenen Rahmen eine ganze Menge heraus.

Apropos geschlossener Rahmen. Nur weil ihr mitten in der Wüste steht, heißt das nicht, dass diese automatisch endlos wäre. In Alan Wake habt ihr weite Wälder durchstriffen - wenn auch recht linear -, hier sind es insgesamt drei grundlegende Areale. Die Reisen dazwischen, die Tag-Nacht-Wechsel gibt es nicht mehr, was ein wenig Stimmung kostet, aber dem geringeren Budget geschuldet sein dürfte. Überhaupt sind es diese fehlenden Momente, in denen man merkt, dass das hier XBLA ist. Für das hingegen, was geboten wird, müsste sich kein Vollpreis-Spiel schämen. Aufwendiger Sound, schöne Setpieces, viele Details, gelungene Animationen und natürlich die herrlichen Lichteffekte, alles ist da. Oh ja, es liegt Schönheit in einer Leuchtrakete, die durch einen Mob von Gegnern rauscht, die diese staubige Wüstenstraße heimsuchen, entlang der skelettieren Karosserien ausgebrannter Cadillacs.

Die Stimmung eines kleinen Stückchens Americana in einer dunklen Nacht wird so gut vermittelt, dass ein Showdown in einem alten Autokino einfach nur angemessen scheint und die Dunkelheit und ihre Schergen enttäuschen nicht. Die Kampfmechaniken blieben gleich. Ihr habt nie zu viel Munition bei euch, lediglich zwei Waffen und ein paar Extras wie Magnesiumfackeln und besagte Leuchtraketen. Mit Licht brennt ihr die Dunkelheit aus einem Feind. Dazu leuchtet ihr ihn erst mit der Taschenlampe an, dann beginnt ihr zu schießen. Haltet ihr euch nicht an diese Reihenfolge, verschwendet ihr Muni an Unbesiegbare.

Alan Wake's American Nightmare - Teaser

Die Notwendigkeit, erst ein wenig Vorarbeit bei jedem Feind leisten zu müssen, sorgt für durchaus spannende Gefechte. Sie sind relativ schnell und in einem Mob den Überblick zu behalten, auszuweichen und abwechselnd zu leuchten und zu feuern erfordert Konzentration. Einen der Kritikpunkte, dass die Gegner in Alan Wake ein wenig zu monoton und uniform waren, nahm man sich zu herzen. Eines der neuen Monster teilt sich erst ein paar Mal bei Lichtbeschuss, bevor ihr es final ausschalten könnt, der Vogelschwarm formt sich nun am Boden zu einem Feind, gegen den ihr etwas eleganter antreten könnt. Und der Monster-Hillbilly mit der Kettensäge ist in diesem Szenario ja schon fast verpflichtend. Nur einen echten Bosskampf gibt es wieder mal nicht. Aber in diesem Falle, bei dieser Nemesis hier, habe ich das auch begrüßt.

Seid ihr mit der Story durch, warten zehn Arcade-Level auf euch. Jeder davon bildet ein kleines Szenario wie den Friedhof, die Geisterstadt oder der Trailer Park. Das Ziel ist simpel: Bleibt für eine bestimmte Zeit am Leben und haltet euch mit begrenzten Ressourcen die Monster vom Leib. Erlebt ihr den Sonnenaufgang, werden die Punkte gezählt und ihr könnt versuchen, das nächste Mal mit besseren Kill-Chains den Zähler höher zu bekommen. Simpel, aber dank des guten Kampfsystems ein unterhaltsamer Zeitvertreib für ein paar Extra-Stündchen.

Überhaupt könnt ihr ein Weilchen auf Sammeljagd gehen, wenn das euer Ding ist. Über 50 Manuskriptseiten sind verteilt, die allein ein Achievement wert sind. Sie schalten wieder neue Waffen frei, aber das für den Alan-Wake-Fan interessanteste sind sicher die Videos und Radiosendungen. Besonders Letztere sind mehr als nur ein kleines Kopfnicken an das erste Spiel. Und hier stellt sich dann auch die Frage, ob man American Nightmare spielen sollte, wenn man Alan Wake nicht kennt? Die einfache Antwort wäre: Ja, kein Problem, euch entgehen dann halt all die Anspielungen und ihr versteht nur die Hälfte, aber sonst kann man cool ballern. Mit anderen Worten: Ihr solltet vorher Alan Wake gespielt haben. Neues von Barry, von den Old Gods of Asgard, der Sinn und die Bedeutung einzelner Ecken und Kanten des Charakters, es wäre schade, wenn euch diese Stärken von American Nightmare entgehen würden.

Alan Wake's American Nightmare - Launch-Trailer

Das solltet ihr auch bei der Wertung beachten. Diese Einbindung der Elemente der bisherigen Handlungsverlaufs, das (möglicherweise) direkte Anknüpfen an das Ende von Alan Wake, das hier ist eine Fortsetzung, bei der man den Anfang nicht verpasst haben sollte. Habt ihr den Ausflug in die Berge nicht mitgemacht, dann werdet ihr mit dem Kampfsystem, der inneren Story und auch dem Arcade-Modus immer noch eine Menge Spaß haben. Und sehr oft das Gefühl, dass da gerade was an euch vorbeiging.

Als Folge-Episode betrachtet, überrascht Alan Wake's American Nightmare mit einem neuen, frischen Grusel-Feeling in unvertrauter Umgebung und mit einem erzählerischen Ansatz, der die eigentliche Geschichte zwar mehr streift, aber viel Material und Tiefe aus ihr zieht und auch ein wenig zurückgibt. Wollt ihr also wissen, was zur Hölle in Alan Wake eigentlich los ist, dann habt ihr hier ein neues ausgesprochen unterhaltsames Puzzlestück zu einem immer noch sehr großen und unscharfen Bild. Gut, dass die Chancen auf Alan Wake 2 gestiegen sind.

8 / 10

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In diesem artikel

Alan Wake's American Nightmare

Xbox 360, PC

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Über den Autor
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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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