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Neverwinter - Vorschau

Na gut. Die Grafik ist besser, das Kampfsystem dynamischer. Aber kann ich mit ein paar Klicks spannende Abenteuer für meine Freunde erschaffen?

Neverwinter Nights war vor ziemlich genau zehn Jahren ein echtes Juwel für Pen-and-Paper-Fans. BioWare legte dem Rollenspiel damals einen Editor bei, mit dem man eigene Dungeons in der Aurora Engine basteln konnte. Richtig spannend wurde die Angelegenheit aber, wenn ich einen Dungeon-Master-Client benutzte. Damit konnte man seine Freunde höchstpersönlich durch eigene Abenteuer scheuchen. Nebenbei schlüpfte man in die Rollen der NPCs und warf seinen Kumpels Monster in den Weg. Noch heute erfreuen sich Neverwinter Nights, seine Add-Ons und die Fortsetzung aus dem Hause Obsidian Entertainment großer Beliebtheit unter leidenschaftlichen Rollenspielern.

Darum war es für mich eine kleine Sensation, als 2010 ein neues "Neverwinter" von Cryptic und Atari angekündigt wurde. Auch nach dem Verkauf der Cryptic Studios an Perfect World blieb das Thema auf dem Tisch. Dementsprechend gespannt war ich, als Perfect World für sein Presse-Event in Amsterdam eine umfangreiche Präsentation von Neverwinter ankündigte. Jack Emmert, seines Zeichens CEO der Cryptic Studios, gewährte einen Einblick in das kommende MMO auf Basis des vierten Dungeons & Dragons Regelwerks.

Emmert versprach dabei nichts geringeres, als das erste, komplett auf Free-to-play ausgerichtete MMO eines westlichen Entwicklungsstudios überhaupt. Kein Import aus Asien, kein nachträglich auf gratis getrimmtes Geschäftsmodell eines Abo-Spiels. Alles von Anfang an so geplant. Ob das die Sorgenfalten aus den Gesichtern der Fans vertreiben kann, die bei der bloßen Erwähnung von "free-to-play" normalerweise weinend vor dem Monitor zusammensinken und "Contentmangel" schluchzen?

Was uns auf dem Event gezeigt wurde, wirkte spielerisch jedenfalls überraschend konventionell. Grafisch hinterlässt Neverwinter einen sehr schmucken Eindruck. Die Umgebungen sind detailliert, die Texturen scharf, die Charaktermodelle sehen sehr gut aus und auch die Lichteffekte können sich sehen lassen. Für ein Gratis-Spiel ist die Engine bemerkenswert weit entwickelt und kann sogar in Zeiten von Schwergewichten wie Guild Wars 2 oder TERA überzeugen. Der Vergleich mit letzterem drängt sich übrigens nicht nur in Sachen Optik auf. Das Kampfsystem von Neverwinter erinnert sehr stark an das actionbetonte MMO. Vom komplexen Regelwerk der Dungeons-&-Dragons-Reihe merkt man jedenfalls nicht viel. Das dürfte - abgesehen vom Geschäftsmodell - zum zweiten Mal die Alarmglocken der Fans schrillen lassen. Die Story spielt 100 Jahre nach dem letzten Neverwinter-Titel und soll viele Figuren und Elemente der Reihe aufgreifen. Ob das genügt, die Veteranen zu beruhigen?

Das MMO steuert sich sehr intuitiv, die Action fest im Blick. Ihr wählt euer Ziel über das Fadenkreuz in der Bildschirm-Mitte und deckt es mit Schwerthieben oder Zaubersprüchen ein. Ein sehr dezentes automatisches Zielsystem greift euch dabei unter die Arme, drängt sich aber nie so weit in den Vordergrund, dass die Dynamik der Kämpfe darunter leiden würde. Ihr tänzelt um eure Feinde herum, beharkt sie von allen Seiten, weicht per Tastendruck ihren Angriffen aus und landet gelegentlich Konterattacken. Nichts, was man nicht bereits aus Third-Person-Shootern kennt.

Neverwinter - Teaser Trailer

Groß mit Zifferntasten jonglieren müsst ihr dabei auch nicht. Stattdessen belegt ihr die Tasten Q, E und R mit zusätzlichen Angriffen, die ihr neben den Standard-Attacken auf den Maustasten ausführt. Mana wird dabei nicht verbraucht, aber es gibt einen Cooldown. Zusätzlich habt ihr noch zwei mächtige Spezialfähigkeiten zur Verfügung, die ihr aber erst benutzen könnt, sobald ihr durch klassentypische Aktionen eine Energieleiste in der unteren Bildschirmhälfte gefüllt habt (dass die Anzeige aussieht wie ein W20-Würfel ist übrigens kein Zufall).

Als Tank müsst ihr zum Beispiel Schaden einstecken, um die Leiste zu füllen, als Magier Schaden austeilen. Die Spezialattacken selbst sind dann allerdings die Wartezeit wert und beerdigen so ziemlich alle Feinde in der näheren Umgebung. Mehr als insgesamt sieben Manöver könnt ihr übrigens nicht gleichzeitig einsetzen. Im Gürtel haben nur Verbrauchsgegenstände Platz, keine Skills. Ihr müsst euch also beim Stufenaufstieg (Maximal-Level ist 60) für bestimmte Fertigkeiten aus drei Bäumen entscheiden und solltet euren Build mit Bedacht wählen.

Vom Foundry-Editor bekam ich leider beim Event nichts zu sehen. Relativ sicher ist allerdings, dass ihr nicht als Dungeon Master in Echtzeit eure Freunde mit Monstern und Quests bespaßen könnt. Stattdessen ähnelt das System wohl sehr dem Missions-Editor in Star Trek Online, in dem ihr fertige Module und Assets anpasst, Ereignisse oder Dialoge bis ins Detail festschreibt und die kompletten Quests dann ins System einspeist. Fertige Missionen finden dann in Instanzen statt und können über ein Menü von den Mitspielern ausgewählt und mit Punkten bewertet werden. Später sollen sich auch Events und Contests um solche spielergenerierten Quests drehen. Interessanterweise soll man auch Trinkgelder von Spielern für besonders gelungene Missionen entgegen nehmen können, die man dann in Cashshop-Punkte eintauschen und für den Kauf von Gegenständen verwenden kann. Sparfüchse mit Erzähltalent wird das freuen.

Wer den Foundry-Editor im Weltraum-MMO bereits ausprobieren konnte, weiß, dass das System sehr umfangreiche Möglichkeiten bietet, dabei aber ungefähr so viel Charme versprüht, wie der Monitor eines Börsenmaklers. Bleibt zu hoffen, dass Cryptic für Neverwinter die Bedienung ein wenig intuitiver gestaltet.

Zum Schluss durften wir noch selbst Hand anlegen und uns mit einer von drei Klassen in einen instanzierten Gruppendungeon wagen. Zur Wahl standen ein Control Wizard, der neben Eiszaubern auch einen netten Telekinese-Spruch beherrschte; ein Trickster Rogue, der zwei Klingen schwang und seine Feinde mit schnellen Manövern beharkte und schließlich der Guardian Fighter, der statt flinker Ausweichmanöver im Kampf lieber auf seinen massiven Schild setzte. Alle drei Klassen fühlten sich sehr stimmig und angenehm dynamisch an, hoben sich aber kaum von dem ab, was man in anderen Vertretern des Fantasy-MMO-Genres so findet. Obwohl die vorgefertigten Helden unterschiedlichen Rassen angehörten (insgesamt soll es sechs Völker geben), schien das keine Auswirkung auf die Fähigkeiten zu haben. Andere Features entsprechen dem üblichen MMO-Standard. PvP wird es zum Launch nicht geben, dürfte aber per Patch nachgereicht werden. Ein Crafting-System, Haustiere und Gilden sollen gleich zum Start dabei sein.

Wirklich vom Sitz gerissen hat mich Neverwinter nicht. Die Grafik und das Kampfsystem mögen interessant sein und einem Free-to-play-MMO steht eine derart potente Engine gut zu Gesicht. Der eigentliche Reiz der Marke liegt jedoch für mich in den selbst gestalteten Abenteuern und davon habe ich bei dem Event nicht mehr als Versprechungen gehört. Was ich jedoch bei Cryptics anderen MMOs in Sachen Editor gesehen habe, stimmt mich ein wenig nachdenklich. Trotzdem bleibt der Titel auf meinem Radar. Im vierten Quartal soll das Spiel in deutscher Sprache erscheinen, auf der offiziellen Seite könnt ihr euch für die geschlossene Beta registrieren.

In diesem artikel

Neverwinter

PS4, Xbox One, PC

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Über den Autor
Frank Erik Walter Avatar

Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.
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