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Papo & Yo - Vorschau

Spiele als Therapie: Wie ein Designer seine schwierige Kindheit spielerisch bewältigt

Wenn man sie zu Papier bringt, ist die Metapher nicht die subtilste: Der Junge Quico hat einen gigantischen besten Freund namens Monster. Doch Monster ist zugleich sein größter Feind, denn er ist süchtig nach giftigen Fröschen. Die verwandeln ihn in ein mordlustiges Biest mit schweren, flammenden Fäusten. Das Spiel trägt es auf dem Revers: Sein Erdenker Vander Caballero erzählt hier eine Parabel auf seine Kindheit unter seinem alkoholkranken Vater.

Wie so oft liegt es jedoch an der Umsetzung, ob die Idee elegant und emotional wirksam daherkommt, oder einem mit der Stirnseite eines hölzernen Hammers eingeprügelt wird. Gerade hier beweist Minority ungemeines Fingerspitzengefühl, wenn es seine Botschaft in einen entrückten Traum von einer Kindheit verpackt. Es ist die kindliche Fantasie, die die Favelas von Papo & Yo in einen lebendigen, farbenfrohen und geradezu hoffnungsvollen Raum verwandeln. Durch Quicos Augen seht ihr magische Glyphen an Wänden und Böden, die euch aus dem Nichts Treppen erschaffen oder ganze Häuserreihen verdrehen und versetzen lassen.

Inspiriert von der Faszination seines eigenen Kindes von Kartons, bestehen viele Rätsel darin, verzauberte Pappe aufzuheben und zu manipulieren. Es ist einer der verblüffendsten Effekte der jüngeren Spiele-Vergangenheit, wenn man sieht, wie sich dabei plötzlich eine würfelige Favela-Hütte aus der Szenerie löst und sich vollständig analog zu euren Bewegungen an den Ort eurer Wahl bewegt. Andernorts nutzt Minority herumliegende Kartons als das süßeste Tutorial, an das ich mich erinnern könnte. Quico setzt eine der "Hint"-Kisten einfach auf wie einen Helm, woraufhin man aus der Perspektive des Jungen auf die Innenseite der Schachtel blickt. Hier steht mit Kreiden gemalt, was zu tun ist und wie. Und wenn Quico "Weiter" klickt, dreht der Junge den Karton einfach, um sich die nächste Seite anzuschauen.

Papo & Yo - Trailer

Quicos Reise, eine Heilung für Monster zu finden - hoffentlich - entfernt ihn immer mehr von der Realität seiner wahren Kindheit, worin in sich eine bittersüße Botschaft steckt. Erst schwindet das Sakko seiner Schuluniform, dann das Hemd, bis er schließlich in Kriegsbemalung durch das - bis auf Monsters Ausbrüche - vollkommen gewaltfreie Abenteuer springt, hüpft, klettert und rätselt. Erwachsenwerden, stark und furchtlos werden, durch die Macht der Fantasie.

Ein Großteil der spielerischen Substanz des PS3-exklusiven Download-Titels besteht in den Umgebungsrätseln und dem indirekten Steuern von Monster, das auch schon mal als Gewicht auf einer Schalterplattform herhalten muss. Quicos robotischer Sidekick Lula - für Caballero eine Metapher auf seine Liebe zu Spielen und Technologie, die ihm damals Trost spendete - ist unterdessen das Einzige, was sich unbeschadet zwischen einen der umherwatschelnden giftigen Frösche und Monster stellen kann. Zudem hilft Lula im Huckepack als Doppelsprung-Raketenantrieb oder bedient für euch die charmant-krakeligen Kindergraffitis, die die Favela-Bauten drehen, heben und anderweitig manipulieren.

Es steckt viel Herzblut in Papo & Yo, das beweist, dass Spiele als Ausdrucksform ein ebenso probates Mittel sind, wie alle anderen Künste oder Medien. Das Schönste an Papo & Yo ist aber, dass sich Caballero trotz allem offenbar noch genügend Kindlichkeit bewahrt hat, um ein authentisches und rührendes Abenteuer zu erzählen, das Anderen vielleicht nicht nur als gute Unterhaltung, sondern auch als Lehre, vielleicht sogar Trost dienen kann. Im besten Fall wird das hier eine warme Dusche für die Seele. Ich bin auf die erste spielbare Version gespannt.

In diesem artikel

Papo & Yo

PS3, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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