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Tony Hawk's Pro Skater HD - Test

Nostalgie prallt auf Realität und lässt mich mit Unsicherheit zurück.

Tony Hawk's Pro Skater ist nicht nur ein Teil meiner Kindheit. Es ist meine Kindheit in Videospielform. Keine Serie habe ich über die Jahre bis heute so fanatisch verfolgt. Etliche freie Sommer und lange Winternächte habe ich auf dem virtuellen Skateboard verbracht und die Höhen und Tiefen miterlebt. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie mich die Fahrsequenzen in Tony Hawk's Underground mit einer Steuerung aus der Hölle quälten oder das lieblose American Wasteland durch seine ideenarmen Level schockierte. Mit Project 8 gab es dann die glorreiche Rückkehr, bevor Proving Ground den endgültigen Abstieg begann und RIDE zusammen mit SHRED den Sarg zunagelten.

Doch trotz dieser Gefühlsfahrt blieb keine Erinnerung so stark verankert wie meine Zeit mit Tony Hawk's Pro Skater 2. Mit jedem Charakter habe ich damals 100 Prozent geholt, alle Cheats ausprobiert und den Soundtrack auswendig gelernt. Ich habe dieses Spiel geatmet und es mir zum Frühstück auf mein Brot geschmiert. Somit könnt ihr euch sicher vorstellen, dass mein Freudenschrei selbst die hintersten Ecken des Internets erreichte, als Tony Hawk's Pro Skater HD angekündigt wurde. Es klang einfach zu fantastisch. Die besten Level aus den ersten beiden Spielen übergossen mit einer feinen HD-Glasur. Bei jeder Erwähnung des Titels suchte ich nach einem Datum und als es endlich zum Eröffnungstitel des Summer of Arcade ernannt wurde, wartete ich sehnsüchtig auf meinen Messias, um mich in den heiligen Skate-Himmel zu tragen.

Vor zwei Tagen war es dann soweit. Spiel auf die Festplatte geladen und mit großer Vorfreude angeschmissen. Der Titelbildschirm erscheint und es spielt "You" von Bad Religion im Hintergrund. Gänsehaut. Ich starte die Karriere, wähle den gut in die Jahre gekommenen Birdman aus und lade den ersten Level. Es folgt ein kurzer Moment der Stille, in der ich verkrampft durch das Warehouse trickse.

"Das fühlt sich irgendwie nicht richtig an", ertönt es in meinem Kopf.

Tony Hawk's Pro Skater HD - Trailer

Und tatsächlich hat Robomodo an der Physik des Klassikers geschraubt. Nicht viel hat sich verändert, doch das hier ist nicht Tony Hawk. Zumindest nicht ganz. Sehr offensichtlich ist die neue fürchterliche Animation bei Stürzen. Euer Skater landet auf dem trockenen Asphalt und hüpft entweder wie ein Astronaut auf dem Mond schwebend nach oben oder fliegt direkt Richtung Sonne.

Mein zweites Problem äußert sich nur subtil. Bei Drehungen in der Luft besitzt ihr keine perfekte Kontrolle mehr. Lasst ihr euren Stick los, friert euer Fahrer förmlich in der Luft ein und lässt sich nicht durch kleine Zuckungen richtig positionieren, was zu vielen unnötigen Bruchlandungen führt und mir so manche Mega-Kombo versaute. Ein kleiner Unterschied, der besonders bei erfahrenen Spieler für Unmut sorgt. Davon abgesehen spielt sich Tony Hawk's Pro Skater dennoch wunderbar und nach ein wenig Eingewöhnungszeit haben sich alle nötigen Schalter im Hirn umgelegt, sodass ihr wie in Trance von einer Rampe aus in die Luft startet, nach einem kurzen Grab auf der Rail landet und mit einem Manual zum nächsten Objekt eurer Begierde brettert.

Bei der Auswahl der Gebiete traf man für meinen Geschmack genau die richtigen Level. Insgesamt sieben Areale dürft ihr unsicher machen, die ihr durch das Erfüllen von Zielen nach und nach freischaltet. Drei davon stammen aus Tony Hawk's Pro Skater, die restlichen vier gehören zum zweiten Teil. Alle Level wurden originalgetreu mit den altbekannten Aufgaben und platzierten Geldscheinen übernommen. Veteranen finden also schon im ersten Anlauf die fünf Schlüssel in der Schule oder öffnen beide Türen im Hangar, ohne darüber groß nachzudenken.

Für alle Neulinge gibt es nun eine überaus hilfreiche Karte, die euch per Knopfdruck nicht nur die Position von Geldscheinen und Zielen verrät, sondern auch alle Gaps anzeigt. So konnte ich nach über zehn Jahren endlich ohne Hilfe von Freunden oder dem Internet die ominöse "Venice Ledge" in Venice Beach aufspüren, die ich in meiner Kindheit nie selbst gefunden hatte. Auch nebenher fallen einem immer kleine Details ins Auge, die das Spielerlebnis freundlicher gestalten. Nette Grafiken zeigen immer euren aktuellen Status über die Aufgaben an und die geheimen Tapes sind nun passend zum Zeitwandel DVDs.

Doch über all den Spaß legt sich ein böser Schatten, geformt aus mangelhaftem Inhalt. So sehr es mich auch mit kindlichen Erinnerungen erfüllt, die Mall oder Marseille in aufpolierter Optik zu sehen, bleibt ein ständiger Wunsch nach mehr. Wieso nur sieben Orte? Wieso keine Wettbewerbe? Wieso nur 14 Lieder, von denen gerade Mal die Hälfte im alten Soundtrack steckte? Wieso fehlen die meisten Mehrspieler-Modi? Ja, der neue Big-Head-Elimination-Modus, bei dem euer Kopf ständig wächst und nur mit Kombos geschrumpft werden kann, ist für ein paar Lacher ganz gut, doch wo zum Teufel bleiben HORSE oder Firefight?

Selbst in den implementierten Levels hätten ein paar mehr Ziele neben den zehn originalen Aufgaben geholfen. So schwer ist das nun wirklich nicht. Wie wäre es beispielsweise mit "Öffne beide Durchgänge im Hangar in einer Kombo" oder "Halte einen Grind für zehn Sekunden". Mit ein wenig Kreativität hätte man wesentlich mehr aus der Erfahrung holen können. Aber wartet! Es gibt ja noch die Projectives, die freigeschaltet werden, sobald ihr die Karriere zu 100 Prozent absolviert. Ein komplettes Bündel mit neuen, schwereren Aufgaben. Nur dass es sich dabei um die exakt fünf gleichen Missionen in allen Orten handelt. Da konnte wohl jemand seine kreativen Flüsse nicht bändigen.

Ihr schaltet auf dem Weg zur völligen Komplettierung zwar einen Haufen an Cheats sowie ein paar Charaktere frei, doch die Vielfalt der Originale liegt in weiter Ferne. Zudem gibt es keine Bonus-Level oder Videos. Hatte doch schon einmal super in Tony Hawk's Pro Skater 2X funktioniert, das sogar neue Level bot.

Tony Hawk's Pro Skater HD - Gameplay-Video

Bei der HD-Grafik, die ihr beim Lesen ruhig mit euren Fingern in Anführungszeichen setzen dürft, tat man ebenso nur das Mindeste und hörte danach auf. Eigentlich habe ich die farbenfrohe Glanz-Optik von Tony Hawk's Project 8 erwartet und musste mich schlussendlich mit einer Grafik zufrieden geben, die ich nüchtern mit einem "Meh" kommentiere. Auf der einen Seite bereitet sie mir keinen Augenkrebs, lässt mich dafür hässlichen Charaktermodellen und sterilen Oberflächen zurück. Zumindest die Clipping-Fehler hätten nicht sein müssen. Wenigstens läuft es flüssig.

So, jetzt muss ich diesen Gefühlssturm nur noch in eine Wertung packen. Gar nicht so einfach. Viele der Fehler, wie die Optik oder kleine Mängel an der Physik, fallen nicht so stark ins Gewicht. Ihr vergesst sie mit der Zeit einfach. Dafür macht das eigentliche Skaten zu viel Spaß und besonders Veteranen werden von einer Nostalgiewelle überrannt, die dennoch nicht die leere Stahlwand des geringen Inhalts zerbrechen kann.

Für 15 Euro wurde ich dafür knapp zehn Stunden wunderbar unterhalten, bis ich wirklich alle Aufgaben gemeistert und sämtliche Erfolge freigeschaltet hatte. Und ehrlich gesagt möchte ich gerade meine Xbox anwerfen und noch ein paar Runden online spielen oder an meinen Lines arbeiten. Ein innerer Kampf zwischen Spaß und dem nicht abebbenden Ruf nach mehr Content entsteht. Wenn ihr euch darauf einstellt und wie ich feuchte Augen beim Gedanken an die glorreichen Tage der Serie bekommt, kann ich es euch daher nur ans Herz legen.

Letztendlich bleiben aber zu viele Lücken offen und auch wenn es mir in der Seele brennt, muss ich diese Wertung zücken. Bitte Robomodo, wagt einen zweiten Versuch und packt dieses Mal so viel Zeug mit schöner Engine hinein, bis wirklich alle offenen Wunden gedeckt sind. Ein zusätzlicher DLC mit drei Karten und dem Revert streut nämlich eher Salz hinein.

Tony Hawk's Pro Skater HD ist ab sofort für 1.200 Microsoft Punkte (15 Euro) auf dem Xbox Live Marktplatz erhältlich. Die Versionen für PC und PlayStation 3 erscheinen später.

6 / 10

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