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Drakensang Online - Test (Ersteindruck)

Die Beta ist vorbei und damit wohl auch die Chance auf monetäre Fairness dem Spieler gegenüber.

Erst einmal zum Start und vorweg: Über Drakensang Online wusste ich nichts jenseits des Namens. Ich ging einfach davon aus, dass es sich um ein MMO im Land des Schwarzen Auges, "Aventurien", handeln würde, weil der Name das nun Mal irgendwie anklingen lässt. Das war auch der Grund, warum ich ihm bisher keine Aufmerksamkeit widmete. Genau wie Herr der Ringe Online oder Dungeons & Dragons Online sind das Spiele, bei denen ich weiß, dass ich am Ende so viel Zeit versenken werde, die ich nicht habe, dass ich sie erst besser gar nicht anfassen sollte.

In diesem Falle: Falsch gedacht und das beginnt schon beim Titel. Drakensang Online hat nichts, aber auch gar nichts mit den beiden anderen Drakensang-Spielen zu tun und nicht einmal mit dem Schwarzen Auge. Die Welt heißt "beliebiger Name, den ich vergessen habe", es gibt drei Klassen, die direkt aus Diablo entliehen wurden (Krieger, Magier, Bogenschütze) und der Rest ist eine Kreuzung aus Diablo und Dungeon Siege. Als Free-2-Play-Titel. Der so ziemlich alles falsch macht, was es an diesem Bezahlmodell falsch zu machen gibt.

Erst einmal ist es ohne Geldeinsatz nicht auch nur ansatzweise frustfrei spielbar. Das beginnt schon beim Inventar des Helden. Viel zu klein. Es ist nicht möglich, eine Handvoll Quests - in den meisten Fällen sammel die, töte das, und zwar in Summe x-mal - zu bewältigen, ohne ein halbes Dutzend Mal zur Stadt zurückzukehren und irgendwelchen Kram zu verkaufen, nur um zwei oder drei Slots freizubekommen, die man dann mit weiterem Quest-Müll verstopfen kann. Gerade zu Beginn, in einer Phase, die Spieler noch locken soll, ein Desaster. Es gibt natürlich direkt eine Lösung. Ihr wollt die doppelte bis sechsfache Menge an Platz haben? Kein Ding. Beginnt mit Kosten von läppischen 1500 sogenannten Adamant-Punkten (etwa 2 Euro). Eine gute Quest bringt 10, 20, sehr viel später dann auch mal was im Hunderter-Bereich. Theoretisch also habt ihr gerade mal ein paar durchgespielte Tage später die magische Eigenschaft endlich mehr als nur die Grundausrüstung plus ein paar Quest-Verstopfer tragen zu können.

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Aber natürlich nur, wenn ihr in dieser Zeit darauf verzichtet, Waffen oder Rüstungen zu verbessern, Gegenstände mit Edelsteinen auszustatten oder überhaupt etwas zu tun, was Spaß macht und die "Entwicklung" des Charakters nicht zu einer endlosen Rennerei inklusive der minimalistischen Parodie eines Erfolgsgefühls verdammt. Mit anderen Worten: Ihr müsst Geld ausgeben. Ok, prinzipiell fair, Geld muss verdient werden. Drakensang Online sieht wirklich gut aus für ein Browserspiel - sprich wie ein normales Spiel 2004 -, die Steuerung gibt sich klassisch und unproblematisch und die Freude am Dauer-Hack ist ohne Frage da. Also willig einen Zehner investiert, zwei neue Inventar-Slot-Reiter freigeschaltet und ein paar Verbesserungen hier und da gekauft. Soweit, so gut gedacht.

Zumindest in der Theorie. Eine große Auswahl an Bezahloptionen bietet sich an. Da ich verdammt sein will, bevor ich in ein solches Fenster Kreditkarten- oder Bankdaten direkt eingeben werde, freut den sicherheitsverliebten, gläsernen Käufer die Paypal-Option. Nach einer halben Stunde kam ich zu dem Schluss, dass diese Option in Drakensang Online defekt sein muss. Ich weiß nicht, wie das gehen soll, es ist ein PayPal-Fenster, aber während ich keine Probleme hatte, mich auf der normalen Seite des Bezahldienstes einzuloggen, hieß es hier partout "Passwort oder Nutzername falsch". Gut, wenn ihr mein Geld nicht wollt, dann halt nicht.

Aber am Ende spielte es wahrscheinlich keine so große Rolle. Man muss für alles in der guten Währung zahlen, während Kupfer, Silber und Gold nur Zierde sind. Für diesen Klimperramsch gewährt einem das Spiel nicht mal Heiltränke oder eine Schnellreise in den Dungeon. Häufig lohnt sich das Looten nur, weil später vielleicht aus einigen der gefundenen Schrott-Items - selbst Bosse lassen meist nur Ramsch fallen - am Crafting-Tisch etwas minimal Brauchbareres zustande kommt. Wie gesagt, vielleicht. Ist nicht so, dass man dabei ein großes Mitspracherecht hätte. Und die teuer verbessere Waffe oder Rüstung ist nach ein paar Leveln auch wieder überholt, also muss mehr investiert werden. Es ist technisch möglich, nur durch Spielen zumindest an die Mindestmenge von Adamant zu kommen. Aber nur, wenn ihr fürs Erste sonst nichts im Leben vorhabt.

Free-2-Play reizt - zumindest für mich - durch die Möglichkeit, auch ohne Geld vernünftig spielen zu können, und verleitet mich dann geschickt zur Bezahlung, indem es mir entweder sinnvolle Komfortfunktionen oder ein wenig Zeitersparnis gegen Geld anbietet oder meine Eitelkeit mit besonderen, aber nicht die Spielbalance störenden Items anspricht. Von Zeit zu Zeit nehme ich diesen Luxus dann sogar gern in Kauf, gebe ein paar Euro aus - sofern denn das Spiel mich lässt ... - und freue mich über diese kleine Dekadenz. In Drakensang Online habe ich jedoch für keine Sekunde den Eindruck, dass sich das Spiel mehr als nur Alibifairness gegenüber dem Gelegenheits-Käufer gönnt, geschweige denn dem vor sich hinleidenden Gratisspieler.

Schade. Drakensang Online hat vielleicht nichts mit dem Schwarzen Auge zu tun, aber das macht es keineswegs zu einem schlechten Spiel. Die Fantasy-Welt mag etwas generisch sein, aber sie sieht gut aus, Musik und Effekte sind absolut stimmig, es ist eine Umgebung, die zum Entdecken und Metzeln der Monsterhorden einlädt. Die drei Klassen funktionieren so gut zusammen, wie man es seit Ewigkeiten kennt, und ergänzen sich sinnvoll bei Party-Dungeon-Runs. Vieles könnte etwas weniger standard sein, ein klein wenig Abstand zu den absoluten Normbegriffen der Fantasy hätte alledem gutgetan, um sich eine eigene Identität zu verschaffen. Dazu kommt, dass die Balance der Quests mitunter arg schwankt. Bis zum Boss hinzukommen, ist für einen niederstufigen Helden allein ein Spaziergang, in der Gruppe pure Langeweile, aber nur sie hat dann wirklich eine Chance, den Boss im ersten Anlauf zu besiegen. Nehmt noch ein solides, wenn auch schwerlich spektakuläres Crafting dazu, ordentliche Fertigkeitenbäume, ein gutes Perk-System und ihr habt einen für Solo- wie auch Gruppen-Spieler veritablen Freizeit-Möchtergern-Diablo, mit dem man einen regnerischen Sonntag locker über die Runden bringen könnte.

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Was das langfristige Spiel angeht, wurde jetzt zum Ende der Beta und dem Start des fertigen Spiels das Atlantis-Paket mit neuen Arealen, Quests und Monstern dazugereicht. Es ist ein willkommener Auslauf für gelangweilte, hochgezüchtete Level-40-Spieler - die hoffentlich nicht zu arm auf dem Weg wurden -, welche sich sonst nur noch im PvP beharkten. Das PvP-System in Drakensang Online mag nicht sonderlich innovativ sein, aber es ist funktional. Arenen und Spontan-Kämpfe bieten willigen Gelegenheits-PvP-lern Einzeln und Gruppen-Balgereien in kontrollierten Gebieten, während ewige Playerkiller sich einfach auf PvP schalten lassen und sich entsprechend markiert mit Gleichgesinnten jederzeit prügeln können. PvE-ler bleiben dabei außen vor und machen ungestört ihr Ding. Die Balance zwischen zahlenden und nicht-zahlenden Spielern ist dabei so gestört, wie es auch im PvE der Fall ist. Man hat sehr oft den Eindruck, dass hier Stärke für viel Geld gekauft wurde, weil hoffentlich hier nicht so viel Freizeit vorhanden und investiert ist, wie nötig wäre, um diese Perks und Ausrüstung zu bekommen. Selbst als Gelegenheitszahler kommt man sich hier im Kampf gegen theoretisch gleichstufige Helden sehr, sehr verlassen vor.

Drakensang Online könnte Spaß machen und macht mitunter sogar Spaß. In den Momenten, in denen es einen vergessen lässt, dass sich ein paar Heiltränke zwar nicht mit Gold, sehr wohl aber mit Geld aufwiegen lassen. Ich habe absolutes Verständnis, dass der Entwickler mit seiner Arbeit etwas verdienen will und muss und auch kein Problem damit, es ihm zu geben, solange ich Freude am Spiel habe. Drakensang Online gehört jedoch leider zu denen, die den Bogen überspannen. Jede noch so schlichte Aktion, seien es Kurzstrecken-Schnellreisen, simpelste Tränke oder einfache Boni, werden direkt in bare Münze umgerechnet. Ohne diese Dinge verkommt das Spiel schnell zu einem langwierigen, frustrierenden Kriechen um jeden Meter und jede Quest.

Ich würde gerne sagen, dass ich hoffe, dass diese Dinge innerhalb der nächsten Wochen und Monate angepasst werden. Jedoch stand diese Kritik ziemlich genau so auch schon zu Beginn der Beta im Raum, und wenn sich seitdem nicht viel getan hat, ist kaum zu erwarten, dass die Entwickler weit von ihrem Konzept abrücken werden. Schade um dieses eigentlich gute Spiel.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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