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Silent Hill: Book of Memories - Test

Wie soll man bei all dem Gegenwind sein Ziel erreichen?

Nach seiner Ankündigung kontrovers aufgenommen und dann lange in der Versenkung verschwunden, schlägt für Konamis jüngstes Silent-Hill-Spin-Off nun die Stunde der Wahrheit. Erst verhältnismäßig spät erfuhr ich, dass hinter der Entwicklung niemand geringeres als WayForward steckt, das Studio hinter Perlen wie Aliens: Infestation, Contra 4, Shantae: Risky's Revenge und dem einzigen guten Thor-Spiel, das jemals rausgekommen ist. Mehr Handheld-Expertise geht eigentlich kaum und selbst wenig glamouröse Auftragsarbeiten gehen die Kalifornier mit einem Elan an, den nur wenige andere Entwicklern in ähnlicher Situation aufbringen würden.

Trotzdem merkt man Book of Memories irgendwie an, dass es das Spiel nicht gerade leicht hatte. Der Wechsel, ein Stück weg vom Survival-Horror, hin zum Dungeon-Crawler mit Loot und zufallsgenerierten Stages, ist dabei nicht einmal das Problem dieses Spiels. Im Gegenteil. Die bekannte Rost-und-Asche-Ästhetik der Reihe verleiht der Serie beliebig angeordneter Räume und ihrer Verbindungskorridore ein atmosphärisch stimmiges Gesicht. Und thematisch macht sich die Geschichte um ein Buch, das der vom Spieler selbst erstellte Protagonist erhält und das ihn in eine verfallene Albtraumwelt zieht, irgendwo an den äußeren Rändern des Silent-Hill-Kanons gar nicht schlecht. Am Ende fährt das Spiel den eingeschlagenen Kurs einfach nicht bis zum Ende durch.

In Top-Down-Perspektive geht es allein oder mit Unterstützung von bis zu drei weiteren Spielern - die dann aber jeweils die Geschichte des Hosts miterleben - durch bizarre Level voller vergammelter Gitterroste, glühenden Stahls und rotfleckiger Metallwände. In jeder Stage findet ihr einen Speicherpunkt, einen Laden für Upgrades, Waffen und dergleichen sowie eine Reihe von Herausforderungsräumen. In letzteren absolviert ihr nach dem Zerschlagen eines blauen Kristalls eine euch gestellte Aufgabe, zumeist das Töten aller daraufhin erscheinenden Feinde, die euch am Ende eins von einer vorgegebenen Anzahl an Puzzle-Teilen gewähren. Diese nehmen verschiedene Formen an und fungieren als Schlüssel zum Ausgang aus der jeweiligen Stage, wenn vor der letzten Türe ein kleines Rätsel gelöst werden muss.

Die markante Ästhetik der Reihe fangen die Spielumgebungen gut ein.

Zwischendurch erlebt ihr in den 'vergessenen Räumen' unheimliche Szenen einer anderen, längst vergangenen (?) Realität und könnt in das Geschehen auf drei verschiedene Arten eingreifen und so das Ende des Titels in eine gute oder böse Richtung beeinflussen. Unterwegs sammelt ihr neben Notizen und Dialogschnipseln, die etwas Licht auf die Hintergrundgeschichte werfen, auch ER - "Erinnerungsrückstände". Die dienen als Währung in diesem verkrusteten Jenseits. Im Zentrum eurer Aufmerksamkeit steht allerdings der Kampf. In jeder Hand könnt ihr eine kleine Waffe halten, oder euch etwa für einen größeren Zweihänder entscheiden. Entweder ihr löst beide Waffen mit einer separaten Taste aus oder entscheidet euch bei einem Beidhänder zwischen schneller und starker Attacke.

Ein Tauziehen zwischen gestern und morgen

Fast in jedem Raum geht es gegen Krankenschwestern, Hunde mit gespaltenen Köpfen und anderen, hier ein wenig aus dem Kontext gerissenen Monstern der Originale. Blocken, ausweichen und - wie bei Diablo und Co. - beim Gegenschlag die Trefferpunkte über euren Feinden aufsteigen sehen. Leider vermitteln der Kampf und gerade die Defensivmanöver lange nicht die Direktheit, die dafür sorgen würde, sich vollkommen frustfrei durch die Gegner zu schlagen. Das wird mit der Zeit besser, wenn man nach einigen Level-Aufstiegen Ausweichfertigkeiten und andere Werte gegen verdiente Skillpunkte erhöht. Aber hier blitzt in der wilden Schwingerei gegen oft mehrere Gegner in Sachen Handhabung mehr Silent-Hill-Identität durch, als in diesem speziellen Fall gut gewesen wäre. Regelmäßig wird man nach einem Ausweichschritt trotzdem getroffen oder bringt eigene Schläge nicht vor einem schnelleren Gegentreffer ins Ziel.

Ganz in der Tradition der jüngeren Serienvergangenheit zerbrechen die Waffen recht schnell unwiederbringlich, was die Suche nach dem nächsten Schraubenschlüssel, um sie wieder in Stand zu setzen, gerade zu Anfang zu einer eher lästigen organisatorischen Aufgabe werden lässt. Euer Inventar fasst eingangs gerade Mal drei Gegenstände, weshalb es zum Beispiel nicht möglich ist, den gewaltigen zweihändigen Morgenstern, den einem Valtiel als Belohnung für die letzte Stage gab und der jetzt zu zerbersten droht, eben in den Rucksack zu verfrachten. Hier liegen immerhin schon Medipacks und dergleichen.

"Es ist keines dieser Spiele, die vor allem wegen der Sucht nach dem nächstbesten (Aus-)Rüstungsteil funktionieren."

Mehrspieler-Fans dürfen sogar per Voice-Chat kommunizieren.

In den Läden gibt es nach einer Weile Upgrades für euer Inventar, die derartige Interface-Reibereien etwas ölen, die Raum-Knappheit bleibt aber immer ein Faktor. Dass dies nicht Überhand nimmt, liegt aber auch an einem anderen kleinen Problem von Book of Memories: Für ein Spiel dieser Art ist es, was das Loot angeht, deutlich zu schwach auf der Brust. Hauptsächlich ER und immer wieder Waffen der gleichen Gattung zu finden und ab und zu mal ein Accessoire im Shop zu kaufen, ist etwas weniger, als ich hier erwartet hätte. Abgesehen von einigen speziellen Waffen, wie eben erwähntem Morgenstern, ist dies keines dieser Spiele, die vor allem wegen der Sucht nach dem nächstbesten (Aus-)Rüstungsteil funktionieren. Dazu ist das Spiel in diesem Bereich einfach zu dünn bestückt.

Karma-, Karma-, Karma-Chamäleon

Etwas Tiefe verleiht die Karma-Leiste dem Ablauf. Die Gegner lassen sich in entweder dem Blut- oder dem Licht-Karma zuordnen und hinterlassen nach ihrem Ableben eine rote oder weiße Substanz, die eine entsprechende Leiste oben rechts in eine der beiden Richtungen verschiebt. Neben erhöhtem Schaden gegen die jeweils andere "Partei" und weniger Aggression von Seiten der Gegner mit gleicher Karma-Orientierung schaltet ihr auch Spezialattacken frei. Problematisch ist hierbei nur, dass es ewig dauert, spürbar relevante Karma-Mengen anzusammeln, nicht zuletzt, weil ihr oft genug zufällig in die Hinterlassenschaften eines Monsters mit dem "falschen" Karma stolpert und dadurch in eurem Fortschritt in die eingeschlagene Richtung gebremst werdet.

Und dann sind da die strukturellen Ärgernisse. Die zufällige Anordnung der Räume und Gänge bedeutet, dass man nach einigen Abzweigungen schon mal in einer Sackgasse steht und einen langen Rückweg durch bereits entvölkerte Räume antreten muss. Die versteckten Fallen in Fußböden lösen aber trotzdem mehrmals aus und wenn man dann auf dem Weg zum zum letzten unerforschten Arm der aktuell beackerten Anlage über eine Giftfalle stolpert und die nächsten Fights mit nur einem Punkt Gesundheit überstehen soll … ja, dann ist man vielleicht trotzdem selbst schuld, nicht teuflisch aufgepasst zu haben. Weniger frustrierend ist es deshalb aber nicht. Zumal es durchaus im Bereich des Möglichen ist, dass man zu diesem Zeitpunkt noch nicht den Speicherraum erreicht hatte und bei einem Bildschirmtod den gesamten Level von vorne beginnen muss.

Hannibal-Lecter-Masken und dergleichen sorgen für etwas diversifikation der Spielfiguren.

Die einzelnen Level können durchaus hier und da eine halbe Stunde in Anspruch nehmen, was das Backtracking und die gerne mal unverhältnismäßig harten Tode, samt Verlust aller bisher gefundenen Dinge und erreichten Erfahrungspunkte-Belohnungen, nicht gerade besser macht. Immerhin bedeutet das, dass man deutlich seltener von den viel zu langen Ladezeiten belästigt wird. Angesichts der grafischen Güte des Spiels, das mit seinen Licht- und besonders Schatteneffekten durchaus ein kleiner Hingucker ist, durchaus verständlich. Bei einem Handheld-Titel aber alles andere als erwünscht. Wie gesagt, die Länge der Level wirkt dem zumindest ein wenig entgegen.

Eigentlich ist Silent Hill: Book of Memories kein schlechter Gedanke für ein interessantes Spin-Off. Die Jagd nach Erfahrungspunkten und das Aufrüsten der Figur kann Spielern mit derartigen Affinitäten durchaus für eine Weile ein Anreiz sein. Insofern ist es ein wenig schade, dass WayForward offenbar davor zurückschreckte, den Rollenspiel-Hebel noch tiefer anzusetzen. Milde unterhaltsam ist das Spiel gefangen auf halber Strecke zwischen Überleben und Looten. Es wusste mal, was es sein wollte, hat sich aber zwischen all den Seiten des Buches der Erinnerung irgendwo verzettelt.

6 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Silent Hill: Book of Memories

PlayStation Vita

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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