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Mechwarrior Online - Das 'World of Tanks' der Battlemechs

Nicht nur ein Fest für Mechwarrior-Nerds, sondern vielleicht der nächste große Action-Knüller für jedermann.

Als ich das erste Mal von Wargaming.net und World of Tanks hörte, dachte ich mir: "Nette Idee, aber das kann nur was für Militärfahrzeug-Enthusiasten sein. Ein paar Panzer-Freaks werden es lieben, aber die breite Masse lässt das kalt". Dann drehte ich selbst meine erste Runde im Panzer und bekam ernste Zweifel an meinem vorschnellen Urteil. Kurze Zeit später platzte die Bombe, World of Tanks wurde zum Mega-Erfolg und Wargaming.net scheffelte Millionen.

Auch bei Mechwarrior Online von Piranha Games war mein erster Impuls: "Ist was für Liebhaber". Und wieder muss ich mein Vorurteil nach ein paar Matches in der offenen Beta revidieren. Das hier wird nicht nur ein ambitioniertes Projekt für eine Handvoll Freaks. Der Titel hat tatsächlich das Potenzial, für Battletech als Marke das zu werden, was heute World of Tanks für Panzer ist.

Mechwarrior Online baut eine Brücke zwischen jenen Hardcore-Fans, die seit mehr als zwei Jahrzehnten handbemalte Plastik-Mechs über Papierpläne ziehen und Gelegenheits-Zockern, die nach Feierabend schnell noch mal ins Cockpit springen wollen, um ein paar feindliche Roboter zu rösten. Man muss nicht die Romane von Michael A. Stackpole, William H. Keith oder James D. Long gelesen haben oder zig Hardware-Handbücher über die Technologie der inneren Sphäre und der Clans auswendig kennen. Man muss nicht einmal die früheren Mechwarrior-Teile am PC gespielt haben oder sonderlich viel Erfahrung mit derartigen Simulationen mitbringen.

Aller Anfang ist Altmetall

Die Lernkurve für Anfänger ist steil - zum jetzigen Stand der offenen Beta sowieso, da es nicht mehr als ein kleines Tutorial-Video für Einsteiger gibt. Aber trotzdem war es selten einfacher, einen Mech mit der Maus und ein paar Tasten zu steuern und trotzdem das Gefühl einer komplexen Simulation zu genießen. Mit einem Joystick und der richtigen Tastenbelegung macht es sogar noch mehr Spaß.

Bis zum ersten Match vergehen allenfalls ein paar Minuten. Client starten, einloggen und auf "Launch" oben rechts klicken - schon geht es ins erste Gefecht. Den einfachen Zugang haben sich die Macher offensichtlich bei Wargaming.net abgeschaut. Eine Serverliste gibt es nicht, alles wird vom Matchmaking automatisch übernommen. Hier allerdings fehlt es noch an Feinjustierung. Veteranen und Anfänger landen viel zu oft in derselben Partie und die Verteilung von leichten, mittleren und schweren Mechs ist nicht immer ausgeglichen.

Auch das restliche Interface des Hauptmenüs ähnelt in seinem strukturellen Aufbau frappierend World of Tanks. Es gibt eine Garage, ein Mechlabor für den Kauf und die umfangreiche Konfiguration eigener Metall-Kolosse sowie ein Piloten-Labor, in dem ihr zusätzliche passive Boni freischalten dürft und das vom Prinzip her am ehesten den Forschungs-Bäumen von Wargaming.net's Titel entspricht. Ein Social-Fenster lässt euch eine Freundesliste verwalten und Vierer-Gruppen bilden, ein Reiter für Fraktionen und ein Store sind zwar sichtbar aber vorerst ausgegraut. Im Moment lässt sich das Hauptmenü ausschließlich im Fenster-Modus nutzen, das soll sich jedoch bald ändern, wie die Entwickler versichern.

Trostlose Schlachtfelder und geniale Kampfmanöver

Die Schlachten hinterlassen schon jetzt einen sehr authentischen Eindruck. Die CryEngine 3 leistet hervorragende Arbeit, wobei die Kulissen auf den ersten Blick fast ein wenig zu realitätsnah wirken - schlammige Hügelketten, karge Nadelwäldchen, kaputte Hafenstädte, unwirtliche Eislandschaften, Schneegestöber, Dunkelheit, Staub in der Luft - die Schlachtfelder der Zukunft sind so trostlos, dass einem sogar das kalte Cockpit des Mechs wie ein gemütlicher Oma-Sessel vorkommt. Derzeit gibt es nur eine Handvoll Karten, teils handelt es sich auch nur um dieselbe Karte zu verschiedenen Jahreszeiten, doch die Entwickler versprechen, hier noch während der Beta ordentlich drauf zu buttern. In Sachen Spielmodi wäre dies ebenfalls keine schlechte Idee, denn aktuell gibt es nur das übliche Capture-the-Base mit acht Spielern pro Seite, das man schon von World of Tanks als Standardgefecht kennt. Ein sogenannter DropShip-Mode mit vier Spielern im Team wurde gerade erst von den Entwicklern ins Gespräch gebracht, bei dem man mehr als einmal respawnen könne.

Selbst für einen Mechwarrior-Junkie der alten Schule wie mich waren ein paar Trainingsrunden Pflicht, bis mir die Steuerung meines Mech wieder in Fleisch und Blut übergegangen war. Vor allem das Drehen des Torsos, unabhängig von der Laufrichtung eures Mechs, will gelernt sein. Wer einmal den Trick raus hat, läuft Zirkel um den Gegner und beharkt dessen Schwachpunkte mit Dauerfeuer, ohne selbst getroffen zu werden. Die grafische Umsetzung der Kampf-Kolosse und ihrer Waffen, die Lichteffekte und Explosionen, die Atmosphäre der Schlachtfelder, alles bewegt sich auf hohem technischen Niveau und schaut für einen Free-to-play-titel ziemlich gut aus.

Mechs metzeln im Team

Das Teamwork zwischen Mechs unterschiedlicher Gewichtsklasse kommt mit den richtigen Mitspielern voll zur Geltung. Leichte Mechs sind zum Beispiel bevorzugt als Scout für die schweren Modelle mit Langstrecken-Raketen unterwegs. Einmal stromerte ich als Aufklärer in meinem 35-Tonnen-Jenner zwischen ein paar Hochhäusern herum, als plötzlich zwei riesige Awesome-Mechs um die Kurve bogen und mich in die Zange nahmen. Mein Cockpit wackelte unter jedem ihrer Treffer wie bei einem Erdbeben, Sirenen heulten los und ich sah überall Funken fliegen. Wilde Haken schlagend und mit den Sprungdüsen im Dauereinsatz konnte ich lange genug überleben, bis zwei mittelschwere Hunchbacks meinen Peinigern in den Rücken fielen und das Blatt in letzter Sekunde wendeten. Den Rest erledigten die Catapults aus der Distanz. In solchen Momenten trommelt einem die Pumpe wie ein gedopter Metal-Schlagzeuger. So muss eine Mech-Simulation sein.

Außerdem ist es interessant, die vielen komplexen Kleinigkeiten zu entdecken, die sich im Kampfsystem verstecken. Ein schwerfälliger Atlas stampft gemütlich durch heftigste Lasergewitter und zittert kaum unter den Salven, die gegen seine harte Panzerung krachen, während ein leichter Jenner schon nach wenigen Beintreffern zu hinken beginnt. Arme und Beine können abgetrennt werden. Munitionsvorräte an Bord explodieren ohne CASE-System. Überhitzte Mechs fahren sich automatisch für ein paar Sekunden herunter (was man per Override-Knopf stoppen kann, wobei man aber Systemversagen riskiert). Deaktiviert man den Reaktor manuell, erschwert man Feinden die Zielaufschaltung. Ihr könnt jederzeit eure Sicht in zwei Stufen zoomen, sowie eine praktische Thermalsicht oder den Nachtsichtmodus aktivieren. Rote Warnlichter blinken auf, wenn Raketen im Anflug sind. Sprungdüsen katapultieren einen mehrere Meter über ein Hindernis hinweg, doch man verliert Beinpanzerung, wenn man den Sturz hinterher nicht mittels Gegenschub bremst. Waffen lassen sich beliebig auf sechs Gruppen verteilen, wodurch man auf verschiedene Distanzen immer die richtige Konfiguration auf die Feuertaste legen kann.

Noch nicht alles Chrom, was glänzt

Natürlich gibt es noch einiges zu justieren am Spiel und man merkt deutlich, dass es sich bei Mechwarrior Online um eine Beta-Version handelt. Besonders das Balancing macht zur Zeit Probleme. So waren bislang die Streak-SRM-Kurzstreckenraketen noch zu stark. Seit dem jüngsten Patch ist das durch größere Schadensstreuung behoben, dafür sorgt jetzt die übermächtige Kombination aus LRM-Fernraketen und dem Artemis-Zielsystem für lautes Murren in der Community, weil erstere mit gnadenloser Präzision ihr Ziel aus einem Kilometer Entfernung finden, ohne dass man ihnen durch Ausweichmanöver oder Abwehrsysteme ein Schnippchen schlagen könnte. Selbst ein schwer gepanzerter Atlas geht binnen Sekunden zu Boden, wenn ein paar dutzend LRM-Salven gleichzeitig auf sein Haupt niedergehen. Die Entwickler sind sich der Probleme bewusst und versprachen vor Kurzem in einem Interview Abhilfe mit dem nächsten Patch.

Vier Mechs in unterschiedlichen Gewichtsklassen erhaltet ihr als Leihgabe, um eure ersten Sporen zu verdienen. Die Modelle wechseln regelmäßig, dürfen nicht selbst konfiguriert werden und ihr erhaltet mit ihnen keine Erfahrungspunkte. Diese Einstiegs-Mechs sind trotzdem genau richtig für Frischlinge, die sofort loslegen wollen, ohne sich näher mit den komplexen Setups der verschiedenen Mech-Varianten auseinanderzusetzen. Sind die ersten Schlachten geschlagen und ein paar Millionen CB-Credits verdient, könnt ihr euch eine eigene Kampfmaschine kaufen und im Mechlab-Fenster anpassen. Wer nicht so lange warten will, greift zum Geldbeutel und kauft sich Mechwarrior-Credits (MC), mit denen man die Modelle ebenfalls bezahlen kann. Nebenbei gibt es dafür auch einen Premium-Zugang, durch den man mehr In-Game-Credits verdient und Erfahrung sammelt. Auch das Geschäftsmodell hat Piranha bei Wargaming.net abgekupfert.

Wir basteln eine Kampfmaschine

Derzeit prangen noch überall die englischen Bildschirmtexte und Bezeichnungen, Veteranen werden dennoch sofort die diversen Mech-Modelle und Komponenten wiedererkennen. Zur Auswahl steht die Creme de la Creme der inneren Sphäre, von leichten Scout-Mechs wie Jenner, Commando oder Raven über mittelschwere Modelle wie Cicada, Centurion oder Hunchback, schweren Brummern wie Dragon oder Catapult bis hin zu wahren Angriffs-Monstren der Marke Awesome oder dem 100-Tonnen schweren Atlas. Weitere Modelle sind in Planung, Clan-Omni-Mechs wurden für das nächste Jahr angekündigt.

Wer schon früher gerne mit Tonnagen, Slots und Waffen-Konfigurationen jongliert hat, dürfte sich im Mechlab wie im Paradies fühlen. Langstrecken- und Kurzstrecken-Raketen-Lafetten, Auto-, Partikelprojektor-, oder Gausskanonen, ER-Laser, Pulslaser, NARC-Raketenbojen, Sprungdüsen, einfache und doppelte Wärmetauscher, Ferrofibritpanzerung, Endostahl-Skelette, XL-Reaktoren, CASE-Munitionslager, Beagle-Sonden, Raketenabwehrsysteme, Artemis-Feuerleitsysteme - es gibt alles, was das Battletech-Fan-Herz begehrt.

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Habt ihr ein paar Runden im eigenen Mech überstanden und Erfahrungspunkte verdient, dürft ihr diese im Pilotlab-Fenster in diverse passive Boni investieren. Hierbei wird streng nach der jeweiligen Mech-Variante unterschieden, die ihr an die Front geführt habt. Zusätzlich gibt es modellübergreifende Erfahrungspunkte, mit denen ihr ein paar zusätzliche Module freischalten dürft. Das System ist elegant und recht gut ausbalanciert. Die Boni sind nicht unbedingt spielentscheidend, doch eine nette Motivation, etwas länger im Cockpit seines Mechs zu verweilen, bis man alle Extras freigeschalten hat.

Ich kann es nicht anders sagen: Mechwarrior Online hat mich gepackt. Noch Stunden nach dem Spielen grüble ich, wie ich wohl die Slots meiner Mechs noch effizienter ausnutzen könnte und ob nicht Waffensystem X besser wäre als Waffensystem Y. Kurze Zeit später sitze ich wieder vor dem Schirm und klicke auf den "Launch"-Button. Natürlich ist das Spiel noch lange nicht fertig. Doch wenn Piranha Games den eingeschlagenen Weg konsequent verfolgt, mehr Karten, Mechs und Spielmodi nachlegt und vor allem das Balancing in den Griff bekommt, wird Mechwarrior Online nicht nur ein Free-to-play-Geheimtipp für Battletech-Kenner, sondern ein anspruchsvoller Action-Kracher für Jedermann. Die Symbiose aus zugänglichem Gameplay und komplexer Mech-Simulation ist möglich - das beweist die offene Beta schon jetzt sehr eindrucksvoll.

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Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.
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